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Beate Zschäpe steht im NSU-Prozess in München auf der Anklagebank, aber auch die Arbeit der Polizei wird untersucht.

© dpa

NSU-Prozess: Bilder mit Botschaft

Nach der Sommerpause im NSU-Prozess gerät die Polizeiarbeit auf subtile Weise in die Kritik.

Von Frank Jansen

Der Richter kritisiert die Polizei mit keinem Wort. Doch seine Dramaturgie ist vielsagend. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München lässt Manfred Götzl, der den 6. Strafsenat führt, am Donnerstag zunächst eine Fernsehsendung vom Februar 1998 zeigen. In der sind die Rohrbomben aus der von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kurz zuvor genutzten Garage in Jena zu sehen und Fahndungsfotos der drei untergetauchten Neonazis.

Anschließend werden den Prozessparteien die Überwachungsvideos aus der Kölner Keupstraße vorgeführt – mit Bildern zweier verdächtiger junger Männern kurz vor dem von Mundlos und Böhnhardt im Juni 2004 verübten Anschlag vor einem türkischen Friseursalon. Durch die Nagelbombe wurden mehr als 20 Menschen verletzt.

Polizei hätte nach "Nagelbombenanschlag" auch Untergetauchte ins Visier nehmen müssen

Die Botschaft der Präsentation der beiden Filme, gleich am ersten Tag des NSU-Prozesses nach der Sommerpause, wirkt eindeutig: Nach dem Anschlag in Köln hätte die Polizei bei der Suche nach Tatverdächtigen zwingend auch den Blick auf abgetauchte Personen richten müssen, die durch Sprengstoffbesitz und Bombenbau aufgefallen waren. Das geschah bekanntlich nicht, zumal der damalige Bundesinnenminister Otto Schily und sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Fritz Behrens (beide SPD) kurz nach der Tat einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen hatten. Schily hat inzwischen seinen Irrtum zugegeben.

Bei der vom Strafsenat gezeigten Fernsehsendung handelt es sich um einen Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks mit dem Titel „Kripo live“. Während die Bilder der Rohrbomben zu sehen waren, erläuterte eine Beamtin des Thüringer Landeskriminalamts, wie gefährlich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien. Von der Sendung erhoffte sich die Polizei Hinweise zum Aufenthaltsort der drei Thüringer. Doch substanzielle Hinweise auf die damals in Chemnitz versteckt lebenden Neonazis gab es nicht.

Auf die Spur der NSU-Terrorzelle kam niemand

In den Überwachungsvideos aus Köln tauchen zwei junge Männer mit Basecaps auf. Erst schiebt einer der beiden zwei Fahrräder, dann ist der andere mit einem Rad zu sehen, an dem eine dunkle Hartschalenbox befestigt ist. Darin befand sich, wie die Polizei später rekonstruierte, der Sprengsatz mit den Nägeln. Bei den Männern handelte es sich um Mundlos und Böhnhardt, zu erkennen sind die Gesichter allerdings nicht. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen untersuchte zwar, ob Rechtsextremisten aus dem Bundesland als Täter infrage kämen, blieb dabei allerdings ohne Ergebnis. Auf die Idee, die Bombenbastler Mundlos und Böhnhardt könnten mit dem Anschlag zu tun haben, kam niemand.

Mit den Überwachungsvideos aus der Kölner Keupstraße hat der 6. Strafsenat erstmals den Nagelbombenanschlag als eigenständigen Fall in der Beweisaufnahme thematisiert. Allerdings ohne eine begleitende Befragung von Zeugen. So wirkten die für sich stehenden Bilder in Kombination mit dem öffentlichen Fahndungsaufruf bei der MDR-Sendung „Kripo live“ erst recht demonstrativ.

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