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Tino Brandt war ein enger Vertrauter der Angeklagten Beate Zschäpe.

© dpa

NSU-Prozess - 99.Tag: Das Kuriositätenkabinett des Tino Brandt

Am 99. Verhandlungstag des NSU-Prozesses wurde versucht mehr Licht in die rätselhafte Identität des Rechtsextremisten und V-Manns Tino Brandt zu bringen. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg.

Von Frank Jansen

Er gilt als besonders obskure Figur. Tino Brandt war jahrelang V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, gleichzeitig baute er die Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“ auf, zu der auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zählten. Im Frühjahr 2000 avancierte Brandt sogar zum Vizevorsitzenden der NPD im Freistaat. Der offenbar flexible Rechtsextremist soll zudem Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in ihrem Drang zum bewaffneten Kampf bestärkt haben. So hat es zumindest ein BKA-Beamter im NSU-Prozess ausgesagt. Nun war am Donnerstag in der Hauptverhandlung am Oberlandesgericht München ein Zeuge geladen, der Brandt kannte, wie vermutlich kaum einer anderer: sein einstiger V-Mann-Führer Norbert W. Der pensionierte Beamte lobte den 1994 von ihm angeworbenen Spitzel in höchsten Tönen.

„Das entscheidende Führungsmittel war Geld“

Der erst mit dem Decknamen „Otto“, dann als „Oskar“ geführte Brandt sei „unheimlich kooperativ“ gewesen, sagte Norbert W. Er deutete an, Brandt hätte „vermutlich 24 Stunden gearbeitet“, wenn das möglich gewesen wäre. Ohne Brandt hätte das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) „überhaupt keine Auskunft“ zur rechtsextremen Szene in Thüringen geben können. „Bei allen Geschichten“, die der LfV haben wollte, sei der V-Mann pünktlich gewesen.

Warum der Neonazi so eifrig lieferte, sagte der Pensionär auch: „Das entscheidende Führungsmittel war Geld“. Eine Gesamtsumme nannte Norbert W. nicht, es ist aber bekannt, dass es um die 200 000 D-Mark waren. Der Zeuge sagte nur, pro Monat habe Brandt 1200 bis 1300 D-Mark bekommen. Zumindest in der Zeit in der Brandt von Norbert W. durchgängig geführt wurde, also von 1998 bis 2001. Dann war Schluss. Brandt wurde von der Regionalzeitung „Thüringer Allgemeine“ als V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz enttarnt.

Verfassungsschutz wollte keine Spitzenleute der rechten Szene als V-Männer

Das Ende der Zusammenarbeit mit Tino Brandt war offenbar auch ein Resultat interner Konflikte im Thüringer Verfassungsschutz. Zunächst habe 2001 der neue Präsident des LfV angeordnet, es dürften keine Spitzenleute der rechten Szene als V-Männer geführt werden, sagte der pensionierte Beamte. Brandt sei dann „abgeschaltet“ worden. Anschließend gab es die - bei  Nachrichtendiensten üblichen - „Nachsorgetreffen“. Der V-Mann-Führer setzte sich mit Brandt zusammen, um die  Kooperation abzuwickeln. Bei der sechsten Begegnung sollte Brandt allerdings dann auch zu einem Aufmarsch von Rechtsextremisten aus Thüringen und anderen Bundesländern am 1. Mai 2001 in Frankfurt /Main befragt werden. Doch am Abend vor dem Treffen habe der damalige Referatsleiter „Rechts“ im LfV einen Trupp zusammengestellt, der die Begegnung observieren sollte, sagte Norbert W. mit leicht empörter Stimme. Das sei „unmöglich“ gewesen. Und anschließend wurde in der Presse veröffentlicht, dass der Thüringer Verfassungsschutz seit Jahren mit Brandt zusammenarbeitete. Das Treffen mit Brandt, behauptete Norbert W., sei vom LfV „verraten worden“.  

Hat Tino Brandt ein doppeltes Spiel getrieben?

Zur ominösen Rolle Brandts im NSU-Komplex sagte Norbert W. zunächst nichts. Der Zeuge soll später nochmal im NSU-Prozess gehört werden, nach der noch ausstehenden Befragung von Tino Brandt. Bis heute ist offen, ob der Neonazi ein doppeltes Spiel getrieben haben könnte. Brandt hatte 1998, das geht aus Dokumenten von Verfassungsschutzbehörden hervor,  noch Kontakt zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, als die beiden bereits gemeinsam mit Beate Zschäpe  untergetaucht waren. Aber auch die Topquelle Brandt konnnte – oder wollte – nicht den entscheidenden Hinweis auf das Versteck der drei verschwundenen Neonazis geben. Obwohl Brandt vom LfV sogar 2500 D-Mark bekam, die er an die drei Untergetauchten weiterleiten sollte. Mit dem Geld, glaubte der Verfassungsschutz, würden Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe falsche Pässe besorgen. Die Behörde wollte so an die „Tarnidentitäten“ der drei herankommen.

Der Plan des Verfassungsschutzes ging nicht auf

Geklappt hat das bekanntlich nicht. Wo das Geld blieb, ist unklar. Und im Prozess erzählte im November der Jenaer Rechtsextremist André K., einst Freund von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, eine seltsame Geschichte.  Tino Brandt habe ihm einen Mann vermittelt, der drei Pässe beschaffen wollte. Die Dokumente kamen dann auch, aber ohne persönliche Angaben zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Bevor die Pässe „gefüllt“ werden konnten, erinnerte sich André K., seien sie verschwunden. Aus dem Auto von Tino Brandt.

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