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Die Angeklagte Beate Zschäpe (l) steht am 02.09.2015 im NSU-Prozess im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München (Bayern) neben ihrem vierten Anwalt Mathias Grasel.

© dpa

Update

NSU-Prozess - 236. Tag: Anwälte scheitern mit Torpedierung des Prozesses

Oberlandesgericht München lehnt Antrag auf Aussetzung des NSU-Prozesses ab. Derweil will Hessen eine klare gesetzliche Grundlage für die Führung von V-Leuten.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess sind der Angeklagte Ralf Wohlleben und seine Verteidiger mit dem Versuch gescheitert, die Hauptverhandlung zu torpedieren. Der Antrag auf Aussetzung des Prozesses sei abgelehnt, verkündete am Dienstag der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats am Oberlandesgericht München, Manfred Götzl. Die Anwälte Wohllebens hatten den Antrag vergangene Woche gestellt und mit der angeblich nicht mehr ordnungsgemäßen Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe begründet. Dies wirke sich auf die prozessuale Situation Wohllebens aus, meinten dessen Verteidiger.

Zschäpe redet nur noch mit ihrem neuen, vierten Pflichtverteidiger Mathias Grasel, die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm werden von ihr ignoriert. Götzl verwies nun jedoch im Beschluss auf die weiterhin anhaltenden Aktivitäten von Heer, Stahl und Sturm. Sie machten vom Fragerecht „intensiv Gebrauch“, sagte der Richter. Wohllebens Verteidiger reagierten nach einer längeren Pause mit einer „Gegenvorstellung“. Die Anwälte verwiesen darauf, dass Heer, Stahl und Sturm selbst im Juli beantragt hatten, ihre Bestellung zu Pflichtverteidigern aufzuheben. Die drei hielten eine ordnungsgemäße Vertretung Zschäpes für nicht mehr möglich. Doch die Richter entschieden, die Anwälte hätten zu bleiben.

Der Mangel an Kommunikation zwischen Zschäpe und den drei Pflichtverteidigern ist aus Sicht der Richter inzwischen auch unerheblich, weil der Prozess weit fortgeschritten ist. Ein Großteil der Beweisaufnahme sei erfolgt, trug Götzl am Dienstag vor. Es könne auch „dahinstehen“, ob Zschäpe von Anwalt Mathias Grasel mit der nötigen Intensität verteidigt werde. Außerdem hätten Heer, Stahl und Sturm zugesagt, Grasel bei der Einarbeitung zu helfen.

Der Strafsenat hatte den jungen Münchner Anwalt im Juli zum weiteren Pflichtverteidiger bestellt, als sich der Konflikt Zschäpes mit den drei anderen Anwälten zuspitzte. Grasel hat sich bislang in der Hauptverhandlung kaum zu Wort gemeldet. Vergangene Woche beklagte er, Heer, Stahl und Sturm hätten ihm ihre Mitschriften aus den zwei Jahren Hauptverhandlung vor seinem Eintritt in das Verfahren vorenthalten.

Der Strafsenat lehnte auch die Entlassung von Wohlleben aus der Untersuchungshaft ab. Die Verteidiger Wohllebens hatten diese Forderung ebenfalls in dem Antrag erhoben, der vergangene Woche gestellt wurde. Die  Richter sehen keinen Anlass, frühere Beschlüsse zur Fortdauer der Untersuchungshaft zu revidieren.

Wohlleben bleibt dringend verdächtig, maßgeblich an der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 für die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitgewirkt zu haben. Die beiden Neonazis hatten mit der Pistole in den Jahren 2000 bis 2006 neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Die Bundesanwaltschaft hält Wohlleben Beihilfe zu neunfachem Mord vor. Der Ex-NPD-Funktionär sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft.

Bei Führung von Spitzeln derzeit "erhebliche rechtliche Risiken"

Unterdessen hat in Hessen eine von der Landesregierung eingesetzte, hochkarätige Expertenkommission eine Reform im Umgang mit V-Leuten empfohlen. Es sei „unerlässlich“, die Befugnisse von Vertrauenspersonen und die Führung der Spitzel „auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, die eine „Abgrenzung von rechtmäßigem und rechtswidrigem Verhalten ermöglicht“, heißt es im Abschlussbericht des Gremiums. Beim Einsatz der V-Leute bestünden „gegenwärtig erhebliche rechtliche Risiken“, viele Mitarbeiter der Landesbehörde seien verunsichert.

Die Kommission hatte den Auftrag, für Hessen die Umsetzung der Empfehlungen des früheren NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages zu bewerten. In dem Gremium saßen die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, der frühere Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland, der Ex-Richter am Bundesverfassungsgericht Hans-Joachim Jentsch sowie Rudolf Kiszeleit,  einst Staatssekretär im hessischen Justizministerium. Die Experten rieten zudem, bei dem Nachrichtendienst den Bereich Datenschutz personell aufzustocken.

Lesen Sie hier unsere Chronik des NSU-Prozesses.

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