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Wann geht es endlich richtig los? Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele wartet am 16. Oktober vor dem Sitzungssaal auf den Beginn des NSA-Untersuchungsausschusses. In den kommenden Wochen stehen interessante Zeugenbefragungen an, doch der Ausschuss kämpft weiter um seine Arbeitsfähigkeit.

© dpa

NSA-Untersuchungsausschuss: Streit zwischen Regierung und Bundestag spitzt sich zu

Es hätte spannend werden können. Der NSA-Ausschuss hörte einen BND-Informatiker - öffentlich. Doch schon nach 40 Minuten platzte die Sitzung.

Von Anna Sauerbrey

Der Zeuge T.B. hat eine leicht brüchige Stimme und macht immer wieder lange Pausen, offenbar um Präzision bemüht und darum, keine Angaben zu machen, die seine Aussagegenehmigung überschreiten. T.B. ist Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), er ist bei der Bundeswehr zum Offizier ausgebildet worden, hat Informatik studiert und war für ein Rechenzentrum in "einem Nato-Hauptquartier" verantwortlich. Von September 2002 bis September 2007 war er in der BND-Dienststelle Bad Aibling eingesetzt und deswegen ist er jetzt hier, im Sitzungssaal 5.900 des Paul-Löbe-Hauses, Deutscher Bundestag, in dem der NSA-Untersuchungsausschuss tagt. In seiner Dienstzeit, gibt T.B. zu Protokoll, wurde in Bad Aibling eine Kooperationsstelle zwischen dem BND und dem US-Nachrichtendienst NSA aufgebaut. Was genau diese Kooperation umfasste und ob der Austausch von Daten und Technik mit den deutschen Gesetzen vereinbar war, genau das soll der Ausschuss klären. Doch die Sitzung, die ohnehin mit einiger Verzögerung begonnen hat, wird schon nach rund 40 Minuten abgebrochen. In der Befragung des Zeugen durch die Linken-Obfrau Martina Renner hatte sich herausgestellt, dass der Zeuge zur Vorbereitung auf Dokumente zugreifen konnte, die den Ausschussmitgliedern ebenfalls hätten vorliegen sollen - die die Bundesregierung aber erst am Vorabend und nur in Teilen geliefert hatte.

Noch immer streiten Bundestag und Bundesregierung um die Freigaben von Dokumenten

Der NSA-Untersuchungsausschuss kommt noch immer nicht dazu, seine Arbeit zu machen. Weiter findet hinter den Kulissen ein zähes Ringen zwischen der Bundesregierung und den Abgeordneten um den Zugang zu Dokumenten  statt, besonders zwischen Regierung und Oppositionsfraktionen. Die Bundesregierung will Dokumente, die auch Partnerdienste betreffen, von diesen in einem "Konsultationsverfahren" freigeben lassen, bevor sie sie dem Ausschuss vorlegt. Zudem hat sie große Teile der gelieferten Akten geschwärzt. Zwar wurde ein Teil der Schwärzungen inzwischen zurückgenommen, doch die Stimmung ist zunehmend gereizt - und am Donnerstag eskalierte sie weiter.

Das Kanzleramt beschuldigt die Abgeordneten, geheime Akten zu leaken

Grund dafür war neben der geplatzten Zeugenvernehmung auch ein Schreiben von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) an den Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg (CDU), der nach Angaben von Ausschussmitgliedern am Mittwochabend per Kurier in die Sitzung der Obleute des Untersuchungsausschusses geliefert wurde. Darin forderte das Bundeskanzleramt Sensburg auf, dafür zu sorgen, dass die Abgeordneten die Geheimhaltungspflicht der Abgeordneten einhalten. In dem Schreiben werden konkret vier Presseberichte genannt, Hauptauslöser der gesteigerten Sorge des Bundeskanzleramts dürfte aber unter anderem ein Bericht von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR sein, in dem detailliert über die Kooperation von NSA und BND im Projekt "Eikonal" berichtet wurde. Demnach soll der BND von 2004 bis 2008 am Internetknotenpunkt in Frankfurt Daten abgegriffen und an die NSA weitergeleitet haben. Darunter waren dem Bericht zufolge auch vom G-10-Gesetz geschützte Daten zu innerdeutscher Kommunikation, da die technischen Filter es nicht schafften, den Datensatz entsprechend zu bereinigen. Nach Ansicht des Bundeskanzleramtes, so heißt es in dem Schreiben, wurde in diesem wie auch in anderen Presseberichten aus geheimen Akten zitiert, die dem Untersuchungsausschuss vorlagen.

Christian Ströbele sieht Altmaiers Brief als Drohschreiben

Christian Ströbele, Ausschussmitglied für die Grünen, wertete Altmaiers Brief als "Drohschreiben". Martina Renner (Die Linke) sagte, die Vorwürfe entbehrten "jeder materiellen Basis". Das Schreiben sei "eine Form der Eskalation, die weder sachlich noch juristisch angemessen" sei. Nach Aussagen von Oppositionspolitikern basieren die Berichte über die Operation "Eikonal" auch auf Dokumenten, die dem Untersuchungsausschuss gar nicht vorlagen, die Quelle der Journalisten müsse also auf Regierungs- oder Behördenseite liegen.

Was dürfen Abgeordnete über die geheimen Akten sagen?

Die Reaktion auf Altmaiers Schreiben an Sensburg war wohl auch deshalb gereizt, weil es in der vergangenen Woche im Ausschuss ohnehin eine Auseinandersetzung über die Frage gegeben hatte, wie weit die Abgeordneten bei Aussagen über die Akten gehen dürfen. Patrick Sensburg hatte einem Journalisten gesagt, er wolle prüfen, ob sich der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, fehlverhalten habe. Sensburg sagte, Flisek habe womöglich in einem öffentlichen Pressegespräch umfangreich aus als "geheim" eingestuftem Material zitiert. In dem Gespräch ging es ebenfalls um das Projekt "Eikonal". Unter den Mitgliedern des Ausschusses wurde das allgemein als Drohung mit strafrechtlichen Schritten empfunden, obwohl Sensburg solche als Ausschussvorsitzender gar nicht hätte einleiten könnte. Flisek selbst wertete seine Stellungnahme als "politische Bewertung aufgrund der Gesamtlage der Beweisaufnahme" und sagte, er werde auch in Zukunft solche Bewertungen abgeben. Inzwischen ist der Fall ausgeräumt. Dennoch war in den Pressegesprächen der Fraktionen in dieser Woche eine gewisse Verunsicherung zu spüren, worüber gesprochen werden kann, ohne juristische Schritte fürchten zu müssen.

Datenschutzbeauftragte des BND: Es werden Dateien ohne Zustimmung des Bundeskanzleramtes geführt

Der Ausschuss kämpft also weiterhin mit den Regularien. Dabei waren die ersten Zeugenbefragungen teilweise viel versprechend, was den Aufklärungsauftrag des Ausschusses angeht. Bereits in der vergangenen Woche etwa wurde die Datenschutzbeauftragte des BND angehört. Sie bestätigte, dass der Bundesnachrichtendienst in seiner Außenstelle Bad Aibling mehrere Datenbanken mit abgehörten Daten ohne die notwendige Genehmigung des Bundeskanzleramts betreibe. Auch zeigte sich, dass es innerhalb des Dienstes offenbar sehr unterschiedliche Lesarten gibt, welche Daten als geschützte "G-10-Daten" gelten und welche als Auslandskommunikation, die der BND legal abfangen darf. Der Zeuge T.B. etwa kam noch dazu, zu sagen, Berichte darüber, "Daten von Deutschen" seien "rechtswidrig" weitergegeben worden, seien falsch. Was genau er damit meinte, konnte er nicht mehr ausführen. Seine Befragung soll am 6.11. fortgesetzt werden.

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