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Patrick Sensburg von der CDU ist der Leiter des NSA-Untersuchungsausschuss

© Daniel Naupold/dpa

NSA-Untersuchungsausschuss: In grundlegenden Punkten herrscht Einigkeit

Der Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre arbeitet mit Hypothesen. Ein Faktencheck und erste politische Empfehlungen.

Von Anna Sauerbrey

Arbeitet der Bundesnachrichtendienst mit ausländischen Geheimdiensten zusammen, um Daten in Deutschland zu erfassen?

Ja. Im Ausschuss spielten bislang vor allem die Kooperationen „Eikonal“ (mit der NSA) und „Glotaic“ (mit der CIA) eine Rolle. Beide sind inzwischen beendet und wurden von demselben BND-Mitarbeiter geleitet, der offenbar zahlreiche weitere Projekte verantwortet hat. Dass es bis heute weitere Kooperationen gibt, auch mit amerikanischen und britischen Diensten, daraus macht die Bundesregierung kein Geheimnis. Laufende oder zukünftige Operationen werden als Argument angeführt, um Akten zu verweigern. Die Bundesregierung fürchtet, keine Partner mehr zu finden, sollte im Ausschuss zu viel über die Arbeit ausländischer Dienste bekannt werden. Ein hochrangiger BND-Mitarbeiter verteidigte die Kooperationen im Ausschuss. Er sagte, in der digitalen Welt sei das auch gar nicht anders möglich. Auch heute laufen mehrere Kooperationsprojekte im Bereich „technische Erfassung“ parallel.

Gibt es eine „anlasslose Massenüberwachung“?

Im Rahmen der „strategischen Beschränkung“ des Fernmeldegeheimnisses ist der BND zu einer nahezu anlasslosen und unbeschränkten Durchsuchung von Telekommunikationsdaten autorisiert (siehe dazu unser Interview). Wie umfangreich die abgefassten Daten sind, darüber gehen die Bewertungen auseinander. Eine Zahl veröffentlichte der „Spiegel“ 2013. Demnach erfasste der BND in einem Zeitraum von 30 Tagen 500 Millionen Metadaten, vor allem satellitenvermittelte Daten aus Afghanistan, und leitete sie an die NSA weiter. Eine andere Zahl veröffentlichte „Zeit Online“ vor wenigen Wochen. Demnach erfasst der BND 220 Millionen Metadaten aus dem Internetverkehr täglich. Ein Prozent davon werde für „Langfristanalysen“ gespeichert. Umstritten ist allerdings, ob das wirklich viel ist. BND-Mitarbeiter sagten, ein modernes Smartphone produziere nun einmal eine drei- bis vierstellige Zahl an Metadaten täglich – was zwar immer noch auf mehrere Hunderttausend bis mehrere Millionen erfasste Geräte schließen ließe. Doch auch unabhängige Experten betonen, dass solche Zahlen im Vergleich zum weltweiten Datenverkehr klein seien. Vom Abhören des Internets an und für sich könne keine Rede sein.

Wurden massenhaft Daten von Deutschen an die NSA weitergegeben?

Auch diese Frage wird sehr unterschiedlich beantwortet. „Ich sehe derzeit kein massenhaftes Ausspähen von deutschen Bürgern“, sagt etwa Patrick Sensburg (CDU). Auch Christian Flisek (SPD) sagt: „Es ist nicht dazu gekommen, dass massenhaft Daten deutscher Bürger weitergegeben wurden.“ Die Linke und die Grünen sehen das anders. André Hahn (Die Linke) sagt: „Es gibt keinen Zweifel, dass Daten Deutscher weitergegeben wurden. Vielleicht hat man das nicht gewollt, aber es bleibt doch rechtswidrig.“

Die unterschiedlichen Bewertungen kommen zustande, weil über unterschiedliche Sorten von Daten gesprochen wird. Was die Inhalte von Kommunikation betrifft, schwören alle BND-Zeugen im Ausschuss Stein und Bein, es sei nichts weitergegeben worden. Ja, die eingesetzten Filter zum Sortieren der Daten seien nicht zuverlässig gewesen. Doch der BND habe während der „Operation Eikonal“ vor der Weitergabe der Daten händisch sortiert und keine Rohdaten weitergegeben.

Anders sieht es bei den Metadaten aus, also den Daten, die zum Verschicken der Datenpakete notwendig sind. Sie sind ebenso sensibel wie wertvoll für die Nachrichtendienste, lassen sie doch Rückschlüsse auf Sender und Empfänger und damit die Analyse von Kommunikationsnetzwerken und Beziehungen zu. Ob und inwieweit diese Daten weitergegeben wurden, ist noch weitgehend offen.

Gab es einen „Ringtausch“?

Eine Arbeitsthese des Untersuchungsausschusses ist es, dass die Dienste Daten ihrer Bürger, die sie selbst nicht erheben durften, von Partnerdiensten erheben ließen und dann tauschten. Für einen Ringtausch im Rahmen der „Operation Eikonal“ gibt es bislang keine Belege. Bedenklicher scheint in dieser Hinsicht die „Operation Glotaic“. Aus den Akten geht hervor, dass sich die CIA vom BND Zugang zu mehreren hundert Leitungen wünschte, darunter auch Leitungen mit Endpunkten in den USA. Sollte der BND den Zugang zu diesen Leitungen tatsächlich gewährt haben, würde das für die Ringtauschthese sprechen.

Welche gesetzlichen Änderungen empfehlen die Mitglieder nach dem jetzigen Stand der Dinge?

In grundlegenden Punkten herrscht zwischen den Obleuten der vier Fraktionen bereits jetzt Einigkeit. Christian Flisek von der SPD nennt drei Punkte, in denen das Recht und die Verfahren, nach denen der BND arbeitet, geändert werden müssten: Erstens: „Die Rechtsgrundlagen für die Überwachung der Ausland-Ausland-Kommunikation müssen geändert werden.“ Zweitens: „Wir brauchen ein technisches Monitoring auf Augenhöhe. Die Technik muss nicht nur im Vorfeld zertifiziert, sondern auch im Einsatz geprüft werden.“ Drittens müsse es regelmäßiger politische Kontrollen geben. Die parlamentarische Kontrolle müsse weiter ausgebaut, das Parlamentarische Kontrollgremium sinnvoll ergänzt werden. Die Linke und die Grünen sehen Bedarf in ähnlichen Punkten.

Auch Patrick Sensburg (CDU), Vorsitzender des Ausschusses, stimmt in wesentlichen Punkten zu. Er wolle zwar als Vorsitzender der Bewertung der Fraktionen nicht vorgreifen. Doch auch er sieht den Bedarf für eine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle. „Wir müssen uns fragen, ob die entsprechenden Gremien heute tatsächlich Kontrollgremien sind oder nicht vielmehr Informationsgremien, die erst im Nachhinein bestimmte Dinge erfahren.“ Sensburg plädiert wie Flisek für eine verstärkte Kontrolle der eingesetzten Technik vor Ort. Auch er sieht den Bedarf, die Erfassung von Ausland-zu-Ausland-Kommunikation besser zu kontrollieren. Er plädiert dafür, auch mit den europäischen Partnern über gemeinsame Reformen zu verhandeln.

Eine Reform in dieser Legislaturperiode scheint allerdings unwahrscheinlich. Die Unionsfraktion will das Ende des Untersuchungsausschusses abwarten. Ein bisschen Bewegung aber gibt es – allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Vor wenigen Tagen wurde auf Netzpolitik.org der Entwurf für eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes geleakt. Demnach soll der BND nicht weniger, sondern mehr Rechte erhalten.

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