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Die Wahrheit kommt im NSA-Untersuchungsausschuss nur sehr mühsam ans Licht.

© dpa

NSA-Untersuchungsausschuss: BND-Mitarbeiter verwickelt sich in Widersprüche

Der ehemalige Leiter der Kooperation zwischen BND und NSA zeichnete im Untersuchungsausschuss das Bild einer penibel nach Recht und Gesetz handelnden Behörde - und verwickelte sich in Widersprüche.

Von Anna Sauerbrey

Im NSA-Untersuchungsausschuss hat der Leiter der Kooperation zwischen BND und NSA in der Sitzung am Donnerstag ausgeschlossen, dass in seiner Dienstzeit Daten an die Amerikaner weitergeleitet worden sind, die vom G10-Gesetz geschützt sind. T.B. leitete die Kooperationsstelle der beiden Geheimdienste in der BND-Außenstelle Bad Aibling zwischen September 2002 und September 2008. Zuvor war er kommissarischer Leiter der Außenstelle Bad Aibling. Seine Aussage steht teilweise im Widerspruch zu Presseberichten, die sich auf geheime Akten des BND und der Regierung und auf die von Edward Snowden geleakten Dokumente beziehen. Zuletzt hatte ein Rechercheverbund von SZ, NDR und WDR berichtet, dass Daten von Deutschen, die in der Operation "Eikonal" an einem Internetknotepunkt in Frankfurt abgefangen wurden, an die NSA weitergegeben wurden, weil ein automatischer Filter nicht funktionierte.

Nach Darstellung des Zeugen T.B., der heute offenbar Abteilungsleiter im BND ist, wurden die Sammlungen in einem mehrstufigen Prozess von Daten bereinigt, die der BND nach G10-Gesetz nicht sammeln, geschweige denn weitergeben darf. T.B. zeichnete in seiner Aussage das Bild einer skrupulös nach Recht und Gesetz arbeitenden Außenstelle, die die eigentlich fruchtbare Kooperation mit den Amerikanern lieber aufs Spiel setzte, als deutsches Recht zu biegen. Die Daten, die weitergegeben wurden, stammten seiner Aussage nach aus (mindestens) zwei Quellen: Daten, die über Satelliten geleitet werden und die der BND direkt in Bad Aibling abgeleitet hat und Daten, die der BND an einem Internetknotenpunkt im Raum Frankfurt abgeleitet hat. Anders als zu Zeiten der analogen Telefonie können die Dienste heute nicht mehr nach Vorwahlen separieren. Ob eine internationale Email-Adresse oder ein digitales Telefon- oder Skype-Gespräch von einem Deutschen mit einem Deutschen geführt wird, lässt sich nur schwer sagen, zwischen Inlands- und Auslandskommunikation ist an einem Knotenpunkt wie in Frankfurt zunächst nicht zu trennen. Die Daten müssen erst aufwendig gefiltert werden. T.B. räumte ein, dass gerade die aus Frankfurt stammenden Daten schwierig zu bereinigen seien. "Ein automatisches System kann nicht zu hundert Prozent funktionieren", sagte er, fügte allerdings an: "Deshalb gab es in meiner Zeit keine automatische Weiterleitung (an die Amerikaner, Anm. d. Red.)."

Die Daten sollen zu 99 Prozent "sauber" gewesen sein

Nach T.B.s Darstellung durchliefen die Daten, die in Frankfurt aus dem Internet abgegriffen wurden, zunächst zwei automatische Filter. Demnach erfasste der erste Filter rund 95 Prozent aller Informationen, die der BND gemäß G10-Gesetz nicht hätte abgreifen dürfen. Diese Zahl wurde auch in dem Medienbericht über die Operation "Eikonal" genannt. Dort hieß es, innerhalb des BND habe es deshalb erhebliche juristische Bedenken gegeben. Nach Darstellung von T.B. wurde der verbliebene Rest allerdings weiter gefiltert, woraufhin die Daten zu 99 Prozent "sauber" gewesen seien. Die verbliebenen Ergebnisse seien dann noch händisch durchsucht worden. Im Ergebnis seien entsprechend nur sehr wenige Treffer geblieben. Erst nach der Bereinigung seien die Daten nach Bad Aibling und damit an die Amerikaner weitergeleitet worden.

In der mehr als fünstündigen Befragung durch den Ausschuss widersprach sich T.B. allerdings mehrfach selbst. So räumte er zu einem späteren Zeitpunkt ein, es habe "in Teilbereichen" doch eine voll automatisierte Weiterleitung an die NSA gegeben. Spezifieren wollte der Zeuge das allerdings nicht. Wie so oft verwies er die Fragen auf den nicht öffentlichen Teil der Sitzung. Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, griff den Zeugen scharf an. Er halte dessen Aussage für "massiv irreführend". Aufgrund der Aktenlage ergebe sich ein völlig anderes Bild.

Unterschiedliche Sichtweisen gibt es auch darauf, warum die Kooperation zwischen BND und NSA beendet wurde. Nach Darstellung von T.B. war es die G10-Sorgfalt der Deutschen, die die Amerikaner immer unzufriedener mit den Ergebnissen werden ließ, so dass sie die Kooperation schließlich beendeten. "Das war eines der ganz großen Probleme", sagte T.B. Auf Drängen der Amerikaner seien im Jahr 2007 immer neue Filter erprobt worden. Zu zufrieden stellenden Ergebnissen sei man allerdings nicht gekommen. Aus seiner "Froschperspektive" sei deswegen die Kooperation beendet worden. Nach Darstellung der SZ allerdings haben die Deutschen aus rechtlichen Grünen kalte Füße bekommen. Da aus technischer Sicht eine einhundertprozentige Filterung nicht möglich ist, wurde die Kooperation offenbar als politisch brisant empfunden. Das BND-interne Dokument, auf das sich die Zeitung bezieht, will T.B. nicht kennen. "Ob die BND-Führung deshalb kalte Füße bekommen hat, kann ich nicht bewerten." Er bestätigte aber, dass 2008 die Kooperation mit der NSA in Bad Aibling beendet worden ist. Mitarbeiter der NSA waren allerdings noch bis 2012 vor Ort. Laut T.B. schickten die Amerikaner nach 2008 allerdings die zweite Garde: "Die dann kamen wussten nicht mehr so viel."

BND war in der Kooperation nur der kleine Bruder

Deutlich wurde auch, dass der BND in der Kooperation der untergeordnete Partner war. Die NSA verwehrte dem deutschen Partner Einblicke in die im Austausch gegen die Daten der Deutschen gelieferte Software. Über die Prozesse in der "Black box", über ihre Funktionsweise, wussten die Deutschen nach Darstellung von T.B. nichts, sie kontrollierten aber die Schnittstellen, an denen die Daten in die USA ausgeleitet wurden. T.B. sagte auch aus, die NSA habe in Bad Aibling Mitarbeiter dritter Firmen beschäftigt, so genannte "contractors", wie auch Edward Snowden einer war. Zu welchen Firmen sie gehörten, das wussten die Deutschen nicht, auch bei der Sicherheitsüberprüfung dieser Mitarbeiter wurde der BND nicht mit einbezogen. Ob die Amerikaner in Bad Aibling Daten abgriffen, die nicht für sie bestimmt waren, konnte T.B. zumindest nicht ausschließen. Seiner Aussage nach hätte jeder einen Datenstick "physisch" aus dem Gebäudekomplex bringen können. Das Hierarchiegefälle ärgert offenbar zumindest den Ingenieur T.B. Mehrfach betont er, die BND-Techniker seien nicht schlechter, sondern lediglich zu wenige, um Systeme wie die der NSA zu entwickeln.

Insgesamt gestaltete sich die Befragung des Zeugen mühsam. Wo die Abgeordneten durch ungeschickt formulierte Fragen die Möglichkeit ließen, wich T.B. aus, an anderen Stellen spielte er durch allgemeine Ausführungen auf Zeit. Immer, wenn es konkret wurde, verwies er auf den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung. Wiederholt beriet er sich mit seinem Anwalt. Immer wieder schaltete sich auch ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes ein und wehrte Fragen der Abgeordneten mit Verweis auf den Untersuchungsgegenstand des Ausschusses oder das Staatswohl ab. Der BND gibt naturgemäß alles, auch im Bundestag seine Geheimnisse zu schützen.

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