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Die Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, wirft dem BND vor, sich mit juristisch fragwürdigen Methoden Zugang zu den Leitungen der Telekom verschafft zu haben.

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NSA-Untersuchungsausschuss: BND lauscht bis heute bei der Telekom

Jetzt ist es amtlich. Der ominöse "Betreiber", bei dem der BND-Daten abfischte, um sie mit der NSA zu teilen, ist die Telekom. Update: Ex-Vorstandschef sagt, er wisse von nichts.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - Ab sofort darf man es sagen: Der BND hört bei der Telekom bis heute das Internet ab. Das bestätigte am Donnerstag ein Mitarbeiter des BND im NSA-Untersuchungsausschuss, nicht ganz absichtlich, aber doch deutlich genug.

Der Zeuge, der unter den Initialen S.L. auftrat, war bis 2008 Projektleiter der „Operation Eikonal“. In diesem Projekt arbeiteten die NSA und der BND zusammen, um Daten an einem Internetknotenpunkt in Frankfurt zu erfassen und zu analysieren. Die NSA half mit technischer Ausrüstung, der BND leitete die mithilfe dieser Technik gewonnenen Informationen an die NSA weiter. 2008 wurde die Kooperation beendet. So weit sind die Tatsachen bekannt. Welches das betroffene Unternehmen war, bei dem der BND operierte, war offiziell nicht bekannt. Es steht wohl in den Akten, alle vermuteten, es müsse die Telekom sein, doch die Abgeordneten mussten stets umständlich von „dem Betreiber“ sprechen, da die Unterlagen der Geheimhaltung unterliegen.

Der BND hört die Telekom ab - bis heute

Im Anschluss an die Befragung von S.L. wurde am Donnerstagabend der ehemalige Telekom-Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Ricke gehört. Mit Verweis auf diese Anhörung sagte der Zeuge auf die Frage der Linken-Abgeordneten Martina Renner: „Sie hören ja noch einen Vertreter von dem Betreiber.“ Die Telekom hatte es bislang immer abgelehnt, sich dazu zu äußern, ob Geheimdienste in ihren Netzen tätig sind. Ricke  bestritt Kenntnisse über einen Vertrag mit dem BND. Er kenne den Vertrag nicht, sagte er. Er habe zwar den damaligen BND-Präsident August Hanning getroffen, doch das sei ein reines Kennlerntreffen und ihm lästig gewesen.

Der Zeuge S.L. bestätigte, dass der BND auch nach Beendigung der „Operation Eikonal“ die installierte Infrastruktur weiterbetrieb – nun allein zu seinem Nutzen. Man habe bei der Telekom zwei Räume angemietet, berichtete der Zeuge aus der täglichen Arbeit. BND-Mitarbeiter könnten unter Begleitung von Personal des Betreibers in dem Rechenzentrum ein und aus gehen. Die Daten werden an der Leitung „gedoppelt“ und in Netze des BND ausgeleitet.

Opposition: BND täuschte Telekom über eigentlichen Zweck des Abhörens

Illegal ist das Abhören formal nicht – die Datenübertragung in Netze des BND erfolgt nach Auskunft des Zeugen S.L. und anderer Zeugen aufgrund einer G-10-Anordnung. Das G-10-Gesetz erlaubt es dem BND, auch Daten von Deutschen zu erheben und zu verarbeiten. Allerdings gibt es Hinweise, dass das eigentliche Ziel der Abhörmaßnahme nicht die G-10-geschützten Daten waren, sondern der übrige Datenverkehr. Die Opposition wirft dem BND vor, sowohl die G10-Kommission als auch die Telekom über den eigentlichen Grund der Maßnahme - nämlich die Weitergabe von Daten an die NSA und das Abhören von Ausland-Ausland-Kommunikation - getäuscht zu haben. "Wir müssen prüfen, ob hier rechtswidrig gehandelt wurde", sagte die Linken-Obfrau Martina Renner. Die G10-Anordnung sei ein "Türöffner, um in rechtlichem Rahmen an die Leitung zu kommen", sagte Christian Ströble von den Grünen.

Kanzleramt half mit einem Schreiben an die Telekom nach

Die Telekom bat darüber hinaus offenbar eine Bestätigung über die Rechtmäßigkeit aus dem Kanzleramt - und erhielt ein solches Schreiben. Mit diesen Schreiben verbindet sich ein weiterer denkwürdiger Vorgang: Wie Zeit Online unter Berufung auf dieses Schreiben berichtet, ließ sich der Mitarbeiter des Kanzleramts, der die Unbedenklichkeitserklärung verfasste, zusichern, dass sein Name nirgends auftauchen würde.

Ex-Telekom-Chef: Ich wusste von nichts

Update: Die Ausschussitzung zog sich wieder einmal hin, auch, weil es erneut zu einem kleinen Eklat kam. Der Linken-Abgeordnete Andre Hahn hatte dem Zeugen unterstellt "nicht die Wahrheit" zu sagen, woraufhin die Sitzung auf Antrag der SPD unterbrochen wurde. Spät am Abend wurde dennoch auch noch der Ex-Telekomvorstand Kai-Uwe Ricke gehört. Basil Wegener von der dpa harrte aus und berichtet, dass Ricke jegliche Kenntnisse über einen Vertrag mit dem BND oder einen Brief aus dem Kanzleramt bestritt. Er habe den damaligen
BND-Präsidenten August Hanning getroffen, doch das sei ein Kennlerntreffen gewesen, das ihm lästig war. Der Linke-Abgeordnete André Hahn hielt Ricke vor, dass es in
Akten einen entsprechenden Brief aus dem Kanzleramt gebe, in dem Ricke persönlich benannt sei.

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