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Im Geheimen. Nur ein Teil der Dokumente dürfte dem NSA-Untersuchungsausschuss in digitaler Form vorliegen.

© dpa

NSA-Skandal: Empörung über den neuesten Coup von Wikileaks

Wikileaks publiziert Dokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss – die Mitglieder sind sauer. Das Datenleck könnte ihre Arbeit künftig erschweren.

Sie müssen quer durch die Stadt fahren, dürfen manche Papiere nur in der BND-Zentrale lesen, zuweilen sind sogar Notizen verboten: Wenn die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses geheime Akten einsehen wollen, ist das beschwerlich – denn in digitaler Form liegen diese Dokumente oft nicht vor. Doch nach den jüngsten Wikileaks-Veröffentlichungen fürchten die Parlamentarier, dass ihre Arbeit noch komplizierter werden könnte.

Insgesamt 2420 Dokumente aus dem Untersuchungsausschuss hat Wikileaks am Donnerstag ins Netz gestellt – 90 Gigabyte groß ist die Datensammlung. Als Quellen nennt die Enthüllungsplattform etwa den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Dokumente sollen die Zusammenarbeit zwischen der amerikanischen National Security Agency (NSA) und dem BND belegen. Dabei gehe es auch um die aktive Beteiligung des BND an der globalen Massenüberwachung. „Einige Dokumente zeigen, wie Geheimdienste Wege finden, um an der eigenen Regierung vorbeizuarbeiten“, schreibt Wikileaks.

Ein Fall für die Justiz

Ein Grund zur Freude ist die Veröffentlichung für die Ausschussmitglieder dennoch nicht. „Damit hat uns Wikileaks einen Bärendienst erwiesen“, sagte der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU). Seit April 2014 bemühen sich die acht Mitglieder, das „Ausmaß und die Hintergründe der Ausspähungen durch ausländische Geheimdienste in Deutschland“ aufzuklären. Dabei sind sie auf Einsicht in Dokumente der Geheimdienste und anderer Behörden angewiesen. Immer wieder hätten die Geheimdienste behauptet, der Ausschuss sei ein Sicherheitsrisiko, die Dokumente könnten von den Abgeordneten der Opposition geleaked werden, erzählt Martina Renner, Obfrau der Linken. „Das aktuelle Leak gibt solchen Angriffen weiter Vorschub“, sagt sie. Dabei seien die digitalen Akten ja nicht allein dem Ausschuss zugänglich gemacht worden.

Auch die Justiz dürfte das Datenleck bald beschäftigen: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Ermächtigung für strafrechtliche Ermittlungen erteilt. Bei den Dokumenten handelt es sich um Akten aus den Jahren 2014 und 2015 mit einer geringen Geheimhaltungsstufe. Die Kategorie: „Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch“, kurz VS NfD. Andere Dokumente mit einer höheren Geheimhaltungsstufe haben die Parlamentarier gar nicht in digitaler Form erhalten, sondern dürfen sie nur in den Räumen des BND oder im Kanzleramt einsehen.

Wird es für den Ausschuss künftig noch schwieriger?

Der Ausschuss arbeitet in einem Spannungsfeld. Regierung und Behörden wollen in der Regel so wenig wie möglich preisgeben, die Parlamentarier wünschen sich dagegen möglichst viele Informationen. Bisher hat der Ausschuss beispielsweise vergeblich versucht, die Bundesregierung zur Einsicht der Liste der sogenannten Selektoren zu bewegen - also der Suchbegriffe, nach denen der BND die Datenströme für die NSA durchforsten sollte. „Wir sind von Anfang an gegen die Geheimhaltungspraxis vorgegangen“, sagt Linken-Obfrau Renner. Auch in öffentlichen Sitzungen interveniert das Kanzleramt regelmäßig und betont, bestimmte Aspekte müssten vertraulich bleiben.

Nun – das glaubt auch der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz – könnten die Wikileaks-Veröffentlichung denjenigen nutzen, die sich für weniger parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste aussprechen. Außerdem fürchten die Ausschussmitglieder, dass ihnen noch weniger Daten in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden und es für sie künftig komplizierter wird, Informationen einzusehen.

"Blindes Öffentlichmachen einer Unmenge an Daten!

Wie genau Wikileaks an die Dokumente gelangen konnte, ist unklar. Einen Hackerangriff auf die Dokumente jedenfalls schließen IT-Experten des Bundestags nach Informationen des „Spiegels“ bisher aus. Der Kreis der möglichen Informanten von Wikileaks sei überschaubar. Zwar ist die Ordnerstruktur auf der Website von Wikileaks identisch mit der auf den Laufwerken des Ausschusses im Bundestag. Laut „Spiegel“ ist aber unter den Dokumenten eine Datei, die nur den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für die Angelegenheiten der EU zugänglich war.

Unabhängig davon, wer die Daten weitergegeben hat, kritisiert von Notz das Vorgehen von Wikileaks als blindes Öffentlichmachen einer Unmenge an Dokumenten. „Edward Snowden hat damals auch nur einen Teil seiner Informationen sehr verantwortungsvoll veröffentlicht und vieles andere nicht.“

Assange: Untersuchungsausschuss ist feige

Wikileaks-Gründer Julian Assange machte in der Mitteilung dagegen dem Untersuchungsausschuss Vorwürfe: Der Ausschuss habe sich zwar der Dokumente von Edward Snowden bedient, sei aber „zu feige, um ihm zu erlauben, auszusagen“.

Tatsächlich ist die Befragung des Whistleblowers ein großer Streitpunkt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte den Ausschuss dazu verpflichtet, das von Grünen und Linken geforderte Amtshilfeersuchen an die Bundesregierung zu beschließen. Mit dem Ersuchen sollen die Voraussetzungen für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland geschaffen werden – zum Beispiel durch die Zusage, dass Snowden nicht, wie von der Regierung in Washington gewünscht, an die USA ausgeliefert wird. Vertreter von Union und SPD haben am Donnerstag aber Beschwerde gegen die BGH-Entscheidung eingelegt.

In den kommenden Monaten wird der Ausschuss noch viele Zeugen befragen, bevor er seinen Abschlussbericht verfasst. Vor der Sommerpause soll dieser fertig sein. Er wird wohl mehr als 1000 Seiten umfassen. Nun wollen sich die Mitglieder aber erst einmal dem Studium der durchgestochenen Dokumente widmen.

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