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Der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU).

© dpa

NSA-Affäre: Merkel-Vertrauter Pofalla rückt in den Fokus

Der ehemalige Kanzleramtsminister von Angela Merkel, Ronald Pofalla, hat die Öffentlichkeit offenbar über ein No-Spy-Abkommen mit den USA getäuscht. Der Druck auf ihn, aber auch auf die Kanzlerin wächst. Aus der Union gibt es nur wenige Reaktionen.

Die NSA-Affäre wird immer mehr zur Belastungsprobe in der großen Koalition. Die SPD wirft dem Kanzleramt vor, die Öffentlichkeit über das Zustandekommen eines No-Spy-Abkommens getäuscht zu haben. Auch die Opposition fordert Aufklärung. Im Zentrum steht das Kanzleramt – und vor allem der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla.

Der ist zwar längst als Lobbyist bei der Deutschen Bahn, aber vor allem sein Auftritt vom 12. August 2013 wirkt noch nach. Damals hat er nicht nur im Brustton der Überzeugung die NSA-Affäre kurzerhand für beendet erklärt, was sich schon wenige Wochen später als voreilig herausstellen sollte, sondern auch großspurig angekündigt, dass die USA Deutschland ein No-Spy-Abkommen angeboten hätten. Fragen ließ er damals nicht zu. Dafür antwortete die Bundesregierung einige Wochen später auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion, die mit mehr als 100 Fragen gar nicht so klein ausfiel. Und auch da hieß es, dass eine Vereinbarung „mündlich bereits mit der US-Seite vereinbart“ sei. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte ebenfalls im August 2013 in einem Zeitungsinterview: „Wir haben die Zusage, dass ein solches Abkommen bald geschlossen werden kann.“

Nun hat die „Süddeutsche Zeitung“ Mails zwischen dem Kanzleramt und der US-Administration veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die USA keinesfalls ein echtes No-Spy-Abkommen in Aussicht gestellt haben. Vielmehr wird deutlich, wie das Kanzleramt um irgendeine verbindliche Form gerungen hat. Am Ende – nach gut einem halben Jahr Gesprächen und Mail-Korrespondenz – muss der außenpolitische Berater Christoph Heusgen in einer Mail an Karen Donfried, seinem Pendant auf amerikanischer Seite, festhalten: „Wir haben realisiert, dass wir dieses Ziel (No-Spy-Abkommen, Anm.d. Red.) nicht erreichen werden.“ Donfried selbst hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die USA ein solches Abkommen auch nie in Aussicht gestellt hätten.

Angela Merkel gerät immer mehr unter Erklärungsdruck

Das ist ein Tiefschlag für Pofalla und damit auch für Angela Merkel. Sie muss nun nicht nur die Aktivitäten des NSA auf deutschem Boden erklären. Allein zu diesem Komplex kommen ständig neue Hinweise, Spekulationen und Nachrichten. Merkel muss auch die Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen näher erklären – oder von ihrem ehemaligen Vertrauten Pofalla erklären lassen. Ihr Koalitionspartner, die SPD, legt auf jeden Fall nach. Christian Flisek, Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, will das Thema im Ausschuss behandelt wissen. „Wir müssen klären, ob das Kanzleramt Äußerungen der US-Seite damals aus Naivität missverstanden hatte oder ob die Öffentlichkeit bewusst über die angebliche Bereitschaft der Amerikaner getäuscht wurde“, sagte er dem Tagesspiegel. Für ihn sei das „angebliche No-Spy-Abkommen“ von Beginn an eine Nebelkerze des Kanzleramtes gewesen, die von den eigentlichen Problemen und Verantwortlichkeiten habe ablenken sollen. Offenkundig sei es vor allem um die kurzfristige Beruhigung der Öffentlichkeit gegangen. „Es hätte jedem im Kanzleramt klar sein müssen, dass die Amerikaner so einem Abkommen wohl niemals zustimmen würden, denn nicht einmal zwischen dem Geheimdienstverbund der sogenannten ’Five Eyes’ gibt es eine solch weitreichende Vereinbarung.“ „Five Eyes“ ist ein Verbund der Geheimdienste der Staaten USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland.

NSA-Ausschussvorsitzender Sensburg weist Vorwürfe zurück

Die Situation wird für die Union also immer komplizierter. Vielleicht halten sich auch deshalb führende Christdemokraten mit harten Zurückweisungen gegenüber dem Koalitionspartner bisher zurück. Auch Friedrich will sich gegenüber dem Tagesspiegel nicht äußern. Schon damals hegten einige Experten in der Union Zweifel am Willen der Amerikaner, ein solches Abkommen abzuschließen. Und auch in Sicherheitskreisen wurde damals schon vor überhöhten Erwartungen gewarnt. Viel zu sehr wissen alle, wie stark die deutsche Sicherheit auch von der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst abhängt.

Einzig der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), will den Vorwurf der Täuschung nicht gelten lassen. „Jetzt schon von Täuschung zu sprechen ist viel zu früh. Denn auch durch die neuen Dokumente ergibt sich nur ein bruchstückhaftes Bild über die Verhandlungen zu einem No-Spy-Abkommen“, sagte er dem Tagesspiegel. Es stelle sich die Frage, ob es einen Zeitpunkt gegeben habe, an dem ernsthaft davon auszugehen war, dass die Amerikaner tatsächlich gewillt gewesen seien, ein solches Abkommen abzuschließen. „Im Untersuchungsausschuss werden wir uns mit diesem Thema natürlich befassen müssen, denn es ist vor allem ein politisch wichtiges Thema. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir an unserem Fahrplan festhalten und uns jetzt weiter mit den Selektoren befassen sollten. Je mehr wir in der Sache wissen, um so besser können wir dann auch die politischen Fragen klären.“ Er rät dem Ausschuss, sich nicht von den Medien treiben zu lassen, sondern selbst die Themen zu setzen.

An dem Thema aber, so viel ist durch die veröffentlichten Mails klar, werden weder der Ausschuss noch das Kanzleramt vorbei kommen.

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