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Edward Snowden in einem Standbild eines russischen Fernsehsenders.

© Reuters

Update

NSA-Affäre: Kreml: Deutsche Ermittler können Snowden in Russland befragen

Edward Snowden hat seine Bereitschaft zu reden deutlich gemacht, er könnte für Klarheit in vielen Fragen der NSA-Affäre sorgen. Seine Befragung könnte nun offenbar in Russland stattfinden.

Völlig überraschend kommt die Nachricht aus Moskau für den US-Präsidenten kaum, schmecken dürfte sie Barack Obama dennoch nicht. Der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA, der die Öffentlichkeit seit Monaten mit immer neuen Enthüllungen über die Spionageaktivitäten seines ehemaligen Arbeitgebers in Atem hält, kann von Vertretern aus Deutschland in Russland befragt werden. „Er (Snowden) befindet sich auf russischem Territorium, hat vorläufiges Asyl erhalten und ist deshalb frei, sich mit irgendjemandem zu treffen. Wir können ihn daran nicht hindern“, zitiert die russische Tageszeitung „Kommersant“ den Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Samstag.

Snowden hält sich an Putins Bedingung, den USA nicht zu schaden

Snowden halte sich an die Bedingung Putins, dass er von Russland aus nichts tun dürfe, um den USA zu schaden, sagte Peskow. Die USA sehen das offenbar anders. „Die Handlungen des Herrn Snowden in Moskau schädigen die nationalen Interessen der USA“, zitierte das Blatt einen hochrangigen Vertreter des Weißen Hauses. Der Kreml weist dies zurück. Was deutsche Medien jetzt veröffentlichten, sei „nicht von Russland aus verbreitet worden“, sagte Putins Sprecher.

Snowden hatte mehrfach erklärt, dass er westlichen Journalisten schon in Hongkong sein gesamtes Archiv gestellt habe und selbst seither keinen Zugriff darauf mehr hat. Snowden hatte vor Monaten offengelegt, dass auch Deutschland Ziel der Spähaktionen von britischen und US-Geheimdiensten ist. Die Amerikaner sollen außerdem über Jahre das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) überwacht haben.

Ströbele: Snowden zu Klärung der Situation bereit

Den Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, der den 30-Jährigen am Donnerstag überraschend in Moskau treffen konnte, zitiert „Kommersant“ mit den Worten, Snowden haben sich im Verlauf des Gesprächs mit ihm bereit erklärt, mit der Bundesanwaltschaft und der Sonderkommission des Bundestages „zu kommunizieren“. Er habe sich „prinzipiell bereit erklärt, bei der Klärung der Situation mitzuwirken“. Dazu müssten jedoch die Voraussetzungen geschaffen werden. Deutschland müsste ihm einen Aufenthaltstitel ausstellen.

Snowdens Moskauer Anwalt Anatoli Kutscherena betonte erneut, sein Mandant könne nicht nach Deutschland reisen, ohne in Russland seinen Flüchtlingsstatus zu verlieren. Snowden hat zeitweiliges Asyl, dieses muss jedes Jahr neu beantragt werden. Ob es verlängert wird, hängt auch von der Gefahrenlage für ihn in seinem Heimatstaat ab. Aus- und wieder einreisen könnte er erst, wenn er ständiges Asyl hat. Dies gewährt Russland in der Regel nach fünf Jahren. Kutscherena sagte: „Wenn ihm indes in Deutschland Zuflucht gewährt würde, wäre dies eine andere Frage.“ Snowden verstoße nicht gegen Putins und die Bedingungen für den Aufenthalt in Russland, wenn deutsche Vertreter ihn in Russland befragen würden.

SPD, Grüne und Linke fordern Asyl für Edward Snowden

Politiker von SPD, Grünen und Linken fordern für Snowden Asyl in Deutschland oder aber freies Geleit im Falle einer Aussage. Die amtierende Bundesregierung zeigt zwar Interesse an den Informationen des in Russland untergetauchten US-Bürgers – mit Blick auf komplizierte rechtliche Fragen zu einem Asyl Snowdens in Deutschland denkt sie eher an eine Vernehmung in Moskau.

Grünen-Chefin Simone Peter forderte Merkel auf, umgehend nach Washington zu reisen. „Ein No-Spy-Abkommen reicht nicht. Angela Merkel muss unverzüglich bei einem Treffen mit Barack Obama in Washington dafür sorgen, dass die US-Schnüffelei in ihre Schranken gewiesen wird“, sagte Peter der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Bis die Einzelheiten geklärt seien, sollten alle Datenabfragen – von den Fluggastdaten über Swift bis zu den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen – auf Eis gelegt werden.

Mehrheit der Bundesbürger fühlt sich nicht durch NSA bedroht

Während die deutsche Politik empört auf die immer neuen Enthüllungen reagiert, fühlt sich eine klare Mehrheit der Bundesbürger sich durch die Abhörmaßnahmen des NSA nicht bedroht. Einer Umfrage der „Wirtschaftswoche“ zufolge können sich 76 Prozent nicht vorstellen, dass ihnen durch die Ausspähungen persönliche Nachteile entstehen. 24 Prozent seien „sehr besorgt“, 32 Prozent „etwas besorgt“. 44 Prozent halten die Diskussion für überbewertet.

BND arbeitet eng mit britischem Geheimdienst zusammen

Die Zeitung „Guardian“ berichtete am Freitagabend in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf Dokumente Snowdens, dass der britische Geheimdienst GCHQ bei der Entwicklung von Internet-Spionagetechnik eng mit dem BND und anderen europäischen Diensten kooperiert habe. „Die Geheimdienste von Deutschland, Frankreich, Spanien und Schweden haben in den vergangenen fünf Jahren alle Techniken zur massenhaften Überwachung der Internet- und Telefonkommunikation in enger Zusammenarbeit mit dem GCHQ entwickelt“, heißt es in dem Bericht.

GCHQ-Mitarbeiten hätten sich demnach besonders beeindruckt von den technischen Fähigkeiten des BND gezeigt. Snowden hatte offengelegt, dass der GCHQ unter dem Codenamen Tempora mehr als 200 Glasfaserkabel angezapft habe, um Zugriff auf den Internetverkehr zu erlangen. Die Snowden-Dokumente verdeutlichen dem Bericht zufolge auch, dass der GCHQ die anderen Geheimdienste – speziell auch dem BND – dabei beraten habe, wie nationale Gesetze umgangen werden können. Nicht behauptet wird im „Guardian“ allerdings, die anderen europäischen Geheimdienste hätten ihre technischen Fähigkeiten zur Daten-Überwachung genauso wie der britische Geheimdienst eingesetzt.

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