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Grünen-Chefin Annalena Baerbock spricht von "gigantischen" Zuwächsen für ihre Partei

© Britta Pedersen/dpa

NRW-Wahl eine „gute Startrampe“ für die Bundestagswahl?: Die Grünen dürfen nicht nur auf die Großstädte setzen

Stichwahlen um OB-Posten, stärkste Kraft bei der Jugend, Zuwächse auch auf dem Land: Welche Lehren die Grünen im Bund aus der Kommunalwahl ziehen.

Schon am Wahlabend waren Katja Dörners Unterstützer unterwegs und hängten Plakate auf. „Bonn braucht den Wechsel“, verkündet dort die Grünen-Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt, die in zwei Wochen in die Stichwahl geht. Mit knapp 28 Prozent ist Dörner zwar hinter dem CDU-Amtsinhaber Ashok Sridharan (34 Prozent) geblieben. Doch in zwei Wochen, so hoffen die Grünen, könnte ihre Kandidatin die Nase vorn haben. Unrealistisch ist das nicht.

Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben die Grünen mit landesweit 20 Prozent deutlich zugelegt, im Jahr 2014 lagen sie noch bei 11,8 Prozent. Neu ist für die Partei, dass ihre Kandidatinnen und Kandidaten gleich in mehreren größeren Städten die Rathäuser erobern könnten, etwa in Aachen, Münster und Wuppertal.

Insgesamt gehen die Grünen bei 16 Stichwahlen um Bürgermeisterämter ins Rennen. Bei der Kommunalwahl in Bayern Anfang des Jahres war ihnen das nicht gelungen, trotz eines traditionell starken Landesverbands.

Die Grünen-Politikerin Katja Dörner fordert bei der Stichwahl in zwei Wochen an amtierenden CDU-Oberbürgermeister in Bonn heraus.
Die Grünen-Politikerin Katja Dörner fordert bei der Stichwahl in zwei Wochen an amtierenden CDU-Oberbürgermeister in Bonn heraus.

© Rolf Vennenbernd/dpa

In Bonn könnte Katja Dörner dann eine Chance haben, wenn sie viele Wähler der SPD-Kandidatin aus dem ersten Wahlgang auf ihre Seite ziehen kann. Im Stadtrat sind die Grünen mit Zuwächsen von mehr als neun Prozentpunkten zur stärksten Kraft geworden, hier liegen sie knapp vor der CDU.

Dörner, 44 Jahre alt, ist seit elf Jahren im Bundestag und seit sieben Jahren stellvertretende Fraktionschefin für die Themen Frauen, Kinder und Jugend. Sie gehört zu der Frauen-Generation bei den Grünen, die in den letzten Jahren immer wieder für höhere Posten gehandelt wurden. Bei den letzten Jamaika-Sondierungen im Bund war sie Teil der Grünen-Sondierungsgruppe – ebenso wie Annalena Baerbock, die wenig später zur Parteichefin gewählt wurde.

Doch Dörner entschied sich, nicht auf eine Regierungsbeteiligung der Grünen nach der Bundestagswahl 2021 und einen der dann womöglich zu besetzenden Jobs zu setzen, sondern auf die Kommunalpolitik. Ohnehin kümmert sie sich seit Jahren intensiv um ihre Heimatstadt Bonn, vor einem Jahr gab sie ihre Oberbürgermeister-Kandidatur bekannt. Wenig später wurde ihr Parteifreund Belit Onay in der ehemaligen SPD-Hochburg Hannover zum Stadtoberhaupt gewählt.

Der erste Stimmungstest seit der Pandemie

Für die Grünen im Bund bringt die Kommunalwahl ein Jahr vor der Bundestagswahl Rückenwind. Parteichefin Annalena Baerbock sprach von einer „sehr, sehr guten Startrampe für die nächsten zwölf Monate“. Die erste Wahl seit Ausbruch der Corona-Pandemie war für die Partei auch ein Test, ob ihr der Absturz droht oder sie ihr Hoch stabilisieren kann. Dass die Grünen – anders als bei der letzten Europawahl im Mai 2019 – in NRW nicht zur zweitstärksten Kraft wurden, sondern auf Platz drei hinter CDU und den Sozialdemokraten landeten, war da eher ein kleiner Dämpfer.

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Doch welche Lehren kann die Grünen-Führung aus der Kommunalwahl für den Bundestagswahlkampf ziehen? Die Erkenntnis, dass Zählkandidaturen wenig aussichtsreich sind und es Personen braucht, die vor Ort verankert sind und ausstrahlen, den Job wirklich zu wollen, ist eher banal. Mit ihren Themen – im NRW-Wahlkampf waren das vor allem Klimapolitik, Verkehr und Wohnen – konnten die Grünen bei dieser Wahl offenbar durchdringen. Es gehe darum, „nah dran an den Menschen zu sein“, sagte Baerbock.

Nicht nur auf die Großstädte setzen, sondern auch aufs Land

Der Wahlsonntag hat den Grünen außerdem gezeigt, was sie schon bei früheren Wahlen zu spüren bekamen: Wenn sie wachsen wollen, reicht es nicht, auf die Großstädte zu setzen. Bei den letzten Landtagswahlen in Ostdeutschland war deutlich sichtbar, dass der Partei in den kleineren Städten und auf dem Land noch die Basis fehlt.

In Nordrhein-Westfalen sieht das anders aus: Das landesweite Ergebnis von 20 Prozent konnten die Grünen nicht nur wegen urbaner Hochburgen wie Aachen (34 Prozent), Münster (30 Prozent), Köln (29 Prozent) oder Bonn (28 Prozent) erreichen – sondern auch, weil sie mittlerweile im Umland stärker geworden sind. Etwa in mittleren Städten wie Soest (16 Prozent) und Warendorf (19 Prozent), aber auch in Paderborn (18 Prozent). Selbst im konservativ geprägten Hochsauerlandkreis kamen die Grünen auf knapp 14 Prozent. Einstellig wurden sie in keinem der Verwaltungsbezirke.

Das Grünen-Ergebnis lässt sich aber auch mit einem weiteren Effekt erklären: Bei den jungen Wählerinnen und Wählern wurden sie zur stärksten Kraft. Laut Analysen von Infratest Dimap gaben rund ein Drittel der 16- bis 24-Jährigen den Grünen ihre Stimme (33 Prozent). Ein Trend, der sich zuletzt auch schon bei anderen Wahlen gezeigt hatte – und der die Strategen bei den Grünen optimistisch stimmt.

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