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Brauner Aufmarsch. Die NPD ist eindeutig rechtsextrem, bekommt aber weiterhin Steuergelder. Auf dem Bild eine Demonstration in Rostock

© Christian Charisius/REUTERS

Exklusiv

NPD kassiert weiter Steuergelder: Rechtsextremisten profitieren von jahrelanger Hängepartie

Vor vier Jahren änderte der Bundestag das Grundgesetz, um verfassungsfeindlichen Parteien Staatsgelder wegzunehmen. Doch die NPD wird immer noch alimentiert.

Von Frank Jansen

Die NPD sollte empfindlich getroffen werden, nachdem zwei Anläufe zum Verbot gescheitert waren. Am 22. Juni 2017, kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, beschloss der Bundestag die Änderung des Grundgesetzes, um verfassungsfeindlichen Parteien die staatliche Teilfinanzierung für sechs Jahre zu entziehen. Doch heute, vier Jahre später und wieder nahe am Abschluss der Legislaturperiode, kann nur eine zufrieden sein: die NPD.

Die Rechtsextremisten kassieren weiter Steuergelder. 2020 gab es Zahlungen in Höhe von knapp 350 000 Euro. Für 2021 sind pro Quartal 87 000 Euro fällig. Die Höhe der Summe ist vor allem von den Wahlstimmen abhängig, die eine Partei erhält. Für die NPD immer noch ein gutes Geschäft, obwohl sie bei Parlamentswahlen selbst in früheren Hochburgen chancenlos ist und früher deutlich höhere Summen einstrich. Es reicht ein Minimum von einem Prozent der Stimmen in einem Bundesland.

NPD nah dran am Nationalsozialismus

Der Staat stockt auch die „Zuwendungen“ aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden auf. Mit den Geldern wird honoriert, dass Parteien an der „politischen Willensbildung des Volkes“ mitwirken. Doch der Beitrag der NPD zur „Willensbildung“ ist nach Ansicht von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung vor allem rassistische Hetze und nahe am Nationalsozialismus. Die drei Verfassungsorgane reichten im Juli 2019 beim Bundesverfassungsgericht den Antrag ein, die Partei von der staatlichen Teilfinanzierung auszuschließen. Und dann geschah: nichts.
„Es gibt Verfahren, die sind noch wichtiger“, sagt Gerichtssprecher Pascal Schellenberg. In Zeiten der Pandemie seien große mündliche Verhandlungen schwierig. Schellenberg betont, die Causa NPD stehe in der „Jahresvorausschau 2021“. Ob es dieses Jahr noch einen Termin gibt, bleibt jedoch offen.
Die Reaktionen im Bundestag reichen von Frust bis Zuversicht. Direkte Kritik am Bundesverfassungsgericht wird jedoch vermieden. Es sei „grundsätzlich schmerzlich“, dass einer ausgewiesen rechtsextremen und offen antisemitischen Partei Gelder aus öffentlicher Hand zugehen, sagt Susann Rüthrich, in der SPD-Fraktion zuständig für „Strategien gegen Rechtsextremismus“. Rüthrich hält es „für mehr als wünschenswert, dass schnellstmöglich Klarheit in der Sache und ein rechtssicherer Rahmen geschaffen wird“. Die von der NPD ausgehende Gefahr sei nicht nur von Wahlergebnissen abhängig. Die Partei sei "geistiger Brandstifter" und eine "nicht zu unterschätzende Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere demokratischen Grundwerte".

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Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, findet es „sehr bedauerlich“, dass die NPD finanziell von der Verzögerung profitiert. Trotz der politischen Bedeutungslosigkeit gebe es in der Parteispitze mit Thorsten Heise eine Person, "die in der rechtsextremen Szene und bei der Vernetzung rechtsextremer und militanter Akteure und Gruppierungen eine entscheidende Rolle spielt". Für Mihalic ist eine zeitnahe und "rechtssichere Entscheidung über die Frage der Parteienfinanzierung" notwendig. Gleichzeitig sei dies aber nur ein "kleiner Bestandteil im Kampf gegen Rechtsextremismus". Mihalic betont, eine bessere Aufstellung der Sicherheitsbehörden bei der Analyse rechter Netzwerke, eine konsequente Umsetzung von Haftbefehlen und eine verlässliche Demokratieförderung ließen auf sich warten.

Warnung vor Wiedererstarken der NPD

Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der CDU-CSU-Fraktion, warnt vor einem „Wiedererstarken“ der NPD, bleibt aber „zuversichtlich“, dass die Richter in Karlsruhe die Partei von der staatlichen Finanzierung ausschließen. "Wer unsere Verfassung verachtet, darf nicht auf Dauer mit Steuergeldern unterstützt werden." Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser betont, jeder Cent, den die NPD nicht vom Staat erhalte, „wäre eine Wertanlage für unsere Demokratie“. Es stehe allerdings den Parlamentariern nicht zu, das Bundesverfassungsgericht "zu drängeln oder gar Fristen einzufordern". Strasser mahnt zudem die Sicherheitsbehörden, ihre Analysefähigkeit angesichts des Wandels im rechtsextremen Spektrum zu stärken.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) würde es begrüßen, "wenn die NPD keinerlei staatliche Mittel mehr bekäme". Doch Pau sagt auch, die Fixierung der Bundesregierung auf die NPD sei ihr „schon immer suspekt gewesen“. Das 2017 gescheiterte, zweite Verbotsverfahren gegen die NPD sei "eine Ersatzreaktion auf die Versäumnisse beim NSU" gewesen.

AfD hält NPD für ungefährlich

AfD-Mann Roman Reusch meint, die NPD sei aufgrund ihrer Bedeutungslosigkeit „alles andere als gefährlich“. Dass das Bundesverfassungsgericht auch nach zwei Jahren immer noch keinen Termin zur mündlichen Verhandlung gefunden habe, "zeigt überdeutlich, dass das Gericht diesem Verfahren keine Priorität einräumt".
Die NPD jedenfalls freut sich. „Solange das Geld fließt, sind wir zufrieden“, sagt Parteianwalt Peter Richter. Da stört auch nicht, dass die Organklage der NPD gegen die Grundgesetzänderung seit September 2017 in Karlsruhe liegt.

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