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Die Delegation der Taliban in Kabul vor ihrem Abflug mit dem Charterflugzeug nach Oslo.

© AFP/Afghan Taliban

Norwegen trifft hochrangige Vertreter: Verhandlungen mit den Taliban sind ein Dilemma ohne Ausweg

Als erstes westliches Land holt Norwegen die Taliban offiziell zum Dialog. Tritt sie ihre eigenen Werte mit Füßen – oder ist das unausweichlich? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Hofiert die norwegische Regierung Mörder und Terroristen, indem sie hochrangige Vertreter der Taliban zu Gesprächen in die Hauptstadt Oslo einfliegen lässt? Der Gedanke drängt sich geradezu auf, dass ausgerechnet ein Nato-Land Befehlshaber adelt, die vor kurzem Sprengstoffanschläge auf Nato-Soldaten sowie auf afghanische Zivilisten und Kräfte der alten Regierung angeordnet hatten.

Auf der anderen Seite schauen gerade skandinavische Länder auf eine Tradition unkonventioneller diplomatischer Vermittlungen zurück – etwa im Nahost-Konflikt.

Heiko Maas hatte, als er noch Außenminister war, kurz vor dem Fall von Kabul angekündigt, es werde „keinen Cent“ deutscher Entwicklungshilfe geben, wenn die Taliban alleine regieren und ihre Ziele umsetzen würden. Wenig später hat Maas sein Donnerwort relativieren müssen. Denn am Hindukusch entfaltet sich eine humanitäre Katastrophe von schrecklichem Ausmaß: Millionen hungern

Der Westen versuchte seine Standards hochzuhalten, indem er keine Direkthilfe leistete, sondern weiter UN-Organisationen finanzierte, die den Notleidenden in Afghanistan helfen. Inzwischen kommen aber UN-Experten zu dem Schluss, dass es ohne Einbeziehung der Taliban nicht geht.

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Auch die EU plant schon, in Kabul wieder eine offizielle, wenn auch kleine Vertretung aufzubauen. Gespräche mit den Taliban gab es schon vorher – neu ist, dass eine hochrangige Delegation offiziell im Westen empfangen wird.

Hungrige Menschen warten vor einer Ausgabestelle für kostenfreies Brot in Kabul, die von der Organisation "Save Afghans From Hunger" betrieben wird. 
Hungrige Menschen warten vor einer Ausgabestelle für kostenfreies Brot in Kabul, die von der Organisation "Save Afghans From Hunger" betrieben wird. 

© Wakil/KohsarAFP

Die ehemalige afghanische Ministerin Nargis Nehan, die jetzt in Norwegen lebt, warnt vor einer schleichenden Anerkennung der Taliban und weigert sich deshalb, an den Gesprächen mit ihnen in Olso teilzunehmen. Sie befürchtet, dass die Taliban dadurch normalisier und gestärkt werden, sagt sie und fragt: „Welche Garantie gibt es dieses Mal, dass sie ihre Versprechen einhalten werden?"

Die Antwort lautet, dass es dafür keine Garantie gibt. Aber trotzdem spricht viel dafür, die Kontakte mit den Taliban zu intensivieren und weiter zu versuchen, Hilfe von der Erfüllung von Bedingungen wie der Gewährung von Menschenrechten und der Gleichberechtigung von Frauen abhängig zu machen.

Der Druck muss aufrechterhalten werden, auch wenn die Vertreter demokratischer Staaten genau wissen, dass im „Failed State“ Afghanistan auch jene Taliban, die in Kabul nun die Macht haben, ihre oft noch weit radikaleren Glaubensbrüder in den Provinzen kaum mäßigen und kontrollieren können.

Womöglich hilft dieser Gedanke: Das moralisches Dilemma, durch offizielle Gespräche nun Terroristen aufzuwerten, lässt sich nicht dadurch auflösen, dass man die Menschen in Afghanistan dem Hunger überlässt.

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