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Soldaten der russischen Militärpolizei und der YPG: Die bewaffnete Kurdenmiliz soll vollständig aus Nordsyrien abgezogen sein.

© Baderkhan Ahmad/AP/dpa

Nordsyrien-Konflikt: Kurdenmiliz laut Moskau vollständig aus umkämpftem Gebiet abgezogen

Sechs Tage hatte die YPG in Nordsyrien Zeit für den Rückzug. Russland bestätigt, dass die Bedingung erfüllt wurde. Die humanitäre Lage sei verheerend, hieß es.

Die Kurdenmiliz YPG ist nach Angaben des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu kurz vor Ablauf einer Waffenruhe aus Nordsyrien abgezogen. Nun hätten dort syrische Grenztruppen und die russische Militärpolizei die Kontrolle übernommen, sagte Schoigu der Agentur Interfax zufolge am Dienstag.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, Russland habe ihn über den Abzug der „Terrorgruppen“ in Kenntnis gesetzt. Er hat gedroht, die Offensive wiederaufzunehmen, wenn sich die YPG nicht vollständig zurückzieht. Die Türkei kündigte den Beginn der gemeinsamen Patrouillen mit Russland an.

„Kurden nahmen 3000 Waffen mit“

Juri Borenkow, Leiter des russischen Zentrums für die Wiederversöhnung der Kriegsparteien in Syrien, sagte einer Mitteilung des russischen Verteidigungsministeriums zufolge, die bewaffneten Kurden hätten insgesamt 34.000 Menschen aus der Pufferzone abgezogen. Zudem hätten die Kurden 3000 Waffen sowie Militärtechnik aus der 30-Kilometer-Zone mitgenommen. Zudem erklärte er, die syrische Armee habe 84 Grenzposten entlang der Grenze mit der Türkei aufgebaut.

Eine zwischen Russland und der Türkei vereinbarte Waffenruhe endete offiziell am Dienstag um 18 Uhr Ortszeit (16 Uhr MEZ). Sie dürfte nun weiter gelten. Anders als Russland äußerte sich die türkische Führung vorsichtiger. „Wir werden durch gemeinsame Patrouillen feststellen, ob sich die Terroristen tatsächlich zurückgezogen haben oder nicht“, teilte der Kommunikationsdirektor des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, auf Twitter mit.

Welternährungsprogramm: Verheerende humanitäre Lage

Die humanitäre Lage in Nordsyrien ist laut Welternährungsprogramm (WFP) verheerend. „Viele Menschen mussten fliehen und ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen. Sie sagen, sie brauchen vor allem Nahrung, Medikamente, Garderobe und andere nötige Dinge des täglichen Bedarfs“, sagte WFP-Sprecher Hervé Verhoosel in Genf. Von den 180.000 Menschen, die nach dem türkischen Einmarsch am 9. Oktober vertrieben worden waren, seien 106.000 weiter auf der Flucht. Die Hilfsorganisation habe seitdem in der Region mehr als 300.000 Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt.

Zum Weiterlesen:

Die Kurdenmiliz YPG sollte sich während der Waffenruhe aus einem Streifen von 30 Kilometern Tiefe im syrisch-türkischen Grenzgebiet zurückziehen.

Das türkische Militär war mit verbündeten Rebellen am 9. Oktober in Nordsyrien einmarschiert und hatte eine Offensive gegen die YPG begonnen. Ankara betrachtet sie als Terrororganisation. Russland als Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und die Türkei hatten sich dann vergangene Woche darauf verständigt, nordsyrische Grenzgebiete zur Türkei gemeinsam zu kontrollieren. Sie gaben der YPG zudem eine Frist von 150 Stunden, um sich zurückzuziehen. In dieser Zeit galt eine Feuerpause.

Trotz der Waffenruhe gab es immer wieder Kämpfe im Grenzgebiet. Erstmals kam es auch zu Gefechten zwischen syrischen Regierungstruppen und mit der Türkei verbündeten Rebellen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag mitteilte. Dabei seien sechs syrische Sicherheitskräfte in der Nähe von Ras al-Ain durch türkischen Beschuss verletzt worden. Zuvor seien bei Kämpfen sieben Soldaten der syrischen Armee und vier mit der Türkei verbündete Rebellen getötet worden.

Abzug von US-Truppen machte Einmarsch der Türkei möglich

Für die USA waren die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der Abzug von US-Truppen aus Nordsyrien hatten den Einmarsch der Türkei erst möglich gemacht. Ankara begründet das Vorgehen mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Bundesregierung hält den Einmarsch dagegen für völkerrechtswidrig.

Bundesaußenminister Heiko Maas forderte noch kurz vor Ablauf der Frist am Dienstag eine Verlängerung der Waffenruhe. Er sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass die Zeit genutzt wurde, um „gegenseitige Zusagen umzusetzen“.

Das türkische Militär war mit verbündeten Rebellen Anfang Oktober zunächst in den syrischen Grenzstädten Ras al-Ain und Tall Abjad einmarschiert. Moskau und Ankara hatten vergangene Woche auch vereinbart, dass in dem rund 120 Kilometer langen Gebiet dazwischen der „Status quo“ erhalten bleiben soll, also die Türkei faktisch die Kontrolle behält. Die Türkei fordert seit langem eine sogenannte Sicherheitszone in Nordsyrien. Erdogan will in dieser Zone Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln. (dpa/AFP)

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