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Nordkorea, China und USA: Wie gefährlich ist der Konflikt mit Kim Jong Un?

Nordkorea steht im Mittelpunkt des ersten Treffens zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum drohenden Atom-Konflikt.

Die Woche, in der sich Chinas Präsident Xi Jinping und sein US-Kollege Donald Trump erstmals treffen, beginnt mit einer Überraschung – jedenfalls für die Öffentlichkeit. Hauptthema ist plötzlich ein drohender Krieg mit Nordkorea. Im Wahlkampf waren es noch die Vorwürfe der Währungsmanipulation und unfairer Handelspraktiken. Nun aber droht Trump: „Wenn China Nordkorea nicht löst, werden wir es tun.“

Warum sehen die USA in Nordkorea eine akute Bedrohung?

Der Konflikt um Nordkoreas Atomprogramm und seine Raketentests schwelt seit Jahren. Lange galten die militärischen Ambitionen in erster Linie als Bedrohung der direkten Nachbarn Südkorea und Japan sowie als Versuch der Machthaber in Pjöngjang, auf sich aufmerksam zu machen. Ihr Ziel sei es, direkte Kontakte mit der Weltmacht USA zu erzwingen – ein Prestigegewinn – oder Hilfslieferungen auszuhandeln, da es der notleidenden Wirtschaft an allem fehlt, von Nahrungsmitteln bis Energie.

Inzwischen hat Nordkorea aber so große Fortschritte in der Raketen- und der Atomtechnik erzielt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es amerikanische Großstädte wie San Francisco und Los Angeles mit Atomraketen bedrohen kann. Das gibt dem Problem eine neue Dringlichkeit aus US-Sicht. Angeblich war dies das Thema des Gesprächs im Weißen Haus zwischen Barack Obama und Donald Trump nur drei Tage nach dessen überraschendem Wahlsieg Anfang November. Es bestehe das Risiko eines Kriegs mit Nordkorea während Trumps Amtszeit, bei dem Atomwaffen eingesetzt werden. Davor habe Obama gewarnt, berichteten amerikanische Nordkorea-Experten beim Brussels Forum des German Marshall Fund (GMF) vor einer guten Woche. Die beste Chance, diesen Krieg zu vermeiden, liege in Chinas Einfluss auf Nordkorea.

Wie weit ist Nordkoreas Atomprogramm fortgeschritten?

Die Nordkorea-Experten der Webseite „38 North“ berichten, dass das verarmte und isolierte Land möglicherweise jederzeit einen erneuten Atomtest durchführen könnte. Auch ein neuer Raketentest oder Satellitenstart scheint möglich. Der sechste Atomtest seit 2006 wäre eine weitere Erinnerung, dass Nordkorea faktisch bereits zu den Atommächten zählt. Kim Jong Un behauptet sogar, im Besitz einer Wasserstoffbombe zu sein. Das bezweifeln Experten jedoch. Die zuletzt auf dem Testgelände gezündete Atombombe soll nach Meinung westlicher Experten die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe gehabt haben. Parallel entwickelt Nordkorea in immer kürzerer Testabfolge sein Raketenprogramm weiter. Darunter fallen neue Raketen mit größeren Reichweiten, seegestützte Raketen und die Weiterentwicklung eines Raumfahrtprogrammes, das ebenfalls militärischen Zwecken dienen dürfte. Nach nordkoreanischen Angaben können die Langstreckenraketen KN-08 und KN-14 die USA erreichen. Diese Raketen sind jedoch noch nicht getestet worden. Die Bedrohung durch nordkoreanische Raketen ist der wichtigste Grund, warum die USA an ihrer Westküste bodengestützte Raketenabfangeinheiten stationiert haben.

Könnten die USA das Problem tatsächlich alleine lösen?

Das hängt davon ab, was man unter „Lösung“ versteht. Eine diplomatische Lösung können die USA nicht alleine erzielen. Eine denkbare Variante wäre ein Atomabkommen wie jenes mit dem Iran. Iran hat sein Nuklearprogramm begrenzt und einer internationalen Kontrolle unterstellt und im Gegenzug die schrittweise Aufhebung der Sanktionen und Rückkehr in den internationalen Wirtschaftsaustausch erreicht.

Gelingt das nicht und mündet der Konflikt in einen Krieg, wären die USA der Hauptakteur bei einer „militärischen Lösung“. Ihre Streitkräfte sind den nordkoreanischen weit überlegen. Sie verfügen über die technischen Fähigkeiten, die zerstörerischen Folgen eines potenziellen Atomwaffeneinsatzes zu minimieren, indem sie nordkoreanische Raketen mit Atomsprengköpfen im Anflug zerstören, lange bevor diese ihr Ziel erreichen. Nordkorea hingegen bereitet sich seit Jahrzehnten auf einen US-Angriff vor.

„Allein“ stünden die USA in einem solchen Konflikt nicht. Sie sprechen die Strategie seit Jahren mit ihren asiatischen Verbündeten Südkorea und Japan ab, die sich weit mehr von Nordkorea bedroht fühlen als die USA. Wenn in den Medien von einem „Alleingang“ der USA die Rede ist, bezieht sich dies auf Trumps Aussage, wenn China das Problem nicht löse, würden die USA es tun.

Wie groß ist Chinas Einfluss auf Nordkorea?

Der nördliche Nachbar ist der traditionell wichtigste Verbündete Nordkoreas. Wirtschaftlich ist Pjöngjang mit China eng verbunden, nach Kohle ist die Textilindustrie das zweitgrößte Exportgut Nordkoreas. Hinzu kommt der inoffizielle Handel über den nördlichen Grenzfluss Tumen, der die wachsende private Schattenwirtschaft Nordkoreas mit Gebrauchsgütern versorgt.

China kann daher wirtschaftlich Einfluss auf das Regime in Pjöngjang ausüben – politisch aber will es sich einen Zusammenbruch Nordkoreas nicht leisten. Die Volksrepublik benötigt Nordkorea als Pufferstaat. Bräche es zusammen, stünden die mit Südkorea verbündeten US-Truppen unmittelbar an Chinas Grenze. Und auch die Historie des Koreakrieges (1950–53) bildet einen nicht unwichtigen Grund für Chinas Zurückhaltung. Viele Chinesen beurteilen den Ausgang des Krieges, bei dem die Volksrepublik aufseiten Nordkoreas kämpfte, als Sieg. Würde Peking Nordkorea nun aufgeben, wären die chinesischen Opfer umsonst gestorben. Es wäre ein großer Rückschlag für den wachsenden Nationalismus in China und ein Legitimitätsproblem für die alleinherrschende Kommunistische Partei.

Was bezweckt Donald Trump mit seiner Drohung?

Die USA streben natürlich keine „militärische Lösung“ an, schon wegen der Risiken eines potenziellen Atomwaffeneinsatzes. Trump möchte China jedoch deutlich machen, dass sich das Problem nicht länger aussitzen lässt. China ist der Hebel, um Nordkorea zu einer Verhandlungslösung nach dem iranischen Beispiel zu zwingen.

Die Hindernisse und Widerstände sind im Fall Nordkorea allerdings viel größer. Nordkorea sieht in Atomwaffen seine beste Bestandsgarantie für das herrschende Regime. Es will sie nicht aufgeben, auch nicht für eine wirtschaftliche Öffnung.

Deshalb sind alle bisherigen Versuche einer diplomatischen Lösung gescheitert. Nordkorea hat seine Zusagen, sein Atomprogramm kontrollieren zu lassen, nie eingehalten. Und China hat sich nie mit voller Härte gegen Pjöngjang gestellt.

Die offene Frage ist: Können die USA China und Nordkorea etwas anbieten, was zum Sinneswandel führt – und was könnte das sein? Und könnte die akut wachsende Kriegsgefahr, die sich aus Nordkoreas Fortschritten bei Raketen- und Atomtechnik ergibt, das strategische Kalkül verändern. Krieg in der Region versucht Peking um fast jeden Preis zu vermeiden. Denn er führt zu Instabilität. China braucht aber Stabilität, um seine vielfältigen inneren Probleme zu lösen, von der Demografie über die sozialen Spannungen und den Stadt-Land-Gegensatz bis zu Umweltrisiken.

Was macht Südkorea?

Südkorea liegt schon lange im Bereich nordkoreanischer Raketen. Seine Sicherheit hängt vom Militärbündnis mit den USA ab. In diesen Tagen üben die Truppen beider Länder wie jedes Jahr die Verteidigung. Angesichts der sich abzeichnenden Bedrohung durch Atomraketen hat Südkorea sich für den Aufbau des US-Raketenabwehrsystems Thaad entschieden.

Allerdings steht Südkorea womöglich vor einem innenpolitischen Kurswechsel. Vor der Präsidentschaftswahl am 9. Mai liegt Moon Jae In von der Demokratischen Partei mit einer Zustimmung von 34,9 Prozent in den Umfragen deutlich vor Ahn Cheol Soo von der Volkspartei. Der nächste Präsident werde wahrscheinlich Moon Jae In, und der habe die Thaad-Entscheidung als voreilig kritisiert, analysiert Tristan Webb von der Nordkorea-Webseite „NK Pro“. Präsident Moon könnte auf Entspannung mit Nordkorea setzen und könnte sogar die einst gemeinsam betriebene und zurzeit geschlossene Sonderwirtschaftszone Kaesong wieder eröffnen. Das würde freilich gegen die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea verstoßen. Nach Webbs Einschätzung hat Trump nur sehr wenig Zeit für eine schärfere Nordkorea-Politik. Ein möglicher Präsident Moon in Südkorea könnte vieles wieder zurückdrehen.

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