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Was Nord Stream2 angeht, sind die Koalitionspartner nicht einer Meinung.

© imago images/photothek

Nord Stream 2 und die Ukraine: Streit zwischen SPD und Grünen um Russland verschärft sich

Olaf Scholz will an Nord Stream 2 festhalten. Doch die Koalitionspartnerin fordert das Aus für die Pipeline, falls Putin die Ukraine angreift.

In der Russland-Politik zeichnet sich zwischen den Koalitionspartnerinnen SPD und Grüne immer stärker ein grundsätzlicher Konflikt ab. „Die Tür für Dialog steht vonseiten der EU weiter offen, aber Erpressungsversuchen, ständigen Regelbrüchen und Imperialgehabe werden wir nicht nachgeben“, sagte die Verteidigungspolitikerin und Vizefraktionschefin der Bundestagsgrünen Agnieszka Brugger dem Tagesspiegel.

„ Dialog kann nur auf Basis der gemeinsam vereinbarten Regeln und Verträge geschehen und muss mit starker Einbindung unserer ost- und mitteleuropäischen Partner erfolgen, die sich schon länger sehr begründet Sorgen um ihre Sicherheit machen.“

Mit Blick auf das hochumstrittene Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 sagte Brugger: „Es wäre gerade jetzt falsch, ein Ende dieses Vorhabens auch bei einem Angriff auf die Ukraine auszuschließen.“

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Genau dies hatte allerdings Bundeskanzler Scholz getan. Brugger sagte, auch in den Koalitionsverhandlungen hätten sich SPD, Grüne und FDP „darauf verständigt, dass Nord Stream 2 unter normalen Bedingungen nur in Betrieb gehen kann, wenn alle nationalen und europäischen Vorgaben eingehalten werden. Es spricht auch Bände, dass das entsprechende Verfahren bisher alles andere als reibungslos läuft.“

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In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hat auch Wirtschaftsminister Habeck mit Blick auf die Spannungen zwischen Moskau und der Ukraine mit dem Ende von Nord Stream 2 gedroht: Jede weitere militärische Aggression könne „nicht ohne scharfe Konsequenzen bleiben“, sagte der Vizekanzler. „Da kann es keine Denkverbote geben.“

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte dagegen auf dem EU-Gipfel vergangene Woche – seinem ersten im Amt – erklärt, er lehne es ab, die Frage der Pipeline mit dem Ukraine-Konflikt zu verbinden. Nord Stream 2, so Scholz in Brüssel, sei ein „privatwirtschaftliches Projekt“, das jetzt von der Netzagentur geprüft werde.

Dies bezeichnete Reinhard Bütikofer, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament, im Gespräch mit dem Tagesspiegel als „belämmert“ und nannte rein wirtschaftliche Interpretationen des Vorhabens „Ammenmärchen“. Wenn es in Europa in den vergangenen zehn Jahren „ein geostrategisch hoch heikles Projekt“ gegeben habe, dann dieses, und die SPD habe es jahrelang gegen die Interessen Europas unterstützt.

Grünen-Politikerin erinnert an Vereinbarungen der Ampel-Parteien

„Doch alles hat eine Grenze. Dass die Pipeline in Betrieb geht, während die Ukraine sich verstärkter russischer Aggression ausgesetzt sieht, das kann niemand verantworten.“ Auch Brugger hält das Argument für wenig stichhaltig: „Der Kreml hat Nord Stream 2 anders als die letzte Bundesregierung eben nie als rein privatwirtschaftliches Vorhaben gesehen“, sagte die Grünen-Politikerin.

Sie erinnerte zudem an Vereinbarungen der Ampel: „In den Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf verständigt, dass Nord Stream 2 unter normalen Bedingungen nur in Betrieb gehen kann, wenn alle nationalen und europäischen Vorgaben eingehalten werden. Es spricht auch Bände, dass das entsprechende Verfahren bisher alles andere als reibungslos läuft.“

[Lesen Sie auch: Welche Szenarien es im Ukraine-Konflikt gibt (T+)]

Die USA, aber auch Polen und die Ukraine sind gegen die Leitung, die Russland durch die Ostsee direkt mit Deutschland verbindet. Es geht dabei einerseits darum, dass Deutschland und die EU von Russland abhängig würden, andererseits um die Bedrohung der Ukraine durch Russland. Moskau hat sich 2014 bereits die Schwarzmeer-Halbinsel Krim einverleibt, die völkerrechtlich zur Ukraine gehört.

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Nord Stream 2 ist im Besitz des russischen Energiekonzerns Gazprom. Eine der größten Befürworterinnen des Projekts ist Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Ihre Regierung gründete vor einem Jahr sogar eine Stiftung, die es vor US-Sanktionen bewahren und seine Fertigstellung sichern soll. Sie nennt sich „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“, der Schweriner Landtag gab sein Plazet Anfang Januar 2021.

Vizekanzler Habeck äußerte sich jetzt verbindlicher, aber inhaltlich auf gleicher Linie wie sein Parteifreund Bütikofer: Die Bundesnetzagentur werde die Unterlagen zu Nord Stream 2 nach Recht und Gesetz prüfen, sagte er. Eine andere Frage sei, „was passiert, wenn Russland die territoriale Integrität der Ukraine weiter verletzt und die Lage eskaliert“.

Lambrecht: Kein Shoppen in Paris für Putin

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht plädierte im Ukraine- Konflikt zwar für härtere Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin; das Thema Nord Stream 2 allerdings sprach die SPD-Politikerin in einem Interview mit „Bild am Sonntag“ nicht an. „Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen“. Alle, die für die Aggression gegen die Ukraine verantwortlich seien, müssten „persönliche Konsequenzen“ spüren, „zum Beispiel, dass sie nicht mehr zum Shoppen auf die Pariser Champs Élysées reisen können“.

Derzeit zieht Russland Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Es gibt Befürchtungen, Moskau könnte das Nachbarland angreifen. Die G7 und die EU drohen Russland im Falle eines Angriffs mit „massiven Konsequenzen“.

Der „Spiegel“ hatte am Sonnabend berichtet, dass die Nato eine Verstärkung ihrer Truppen im Osten des Bündnisgebietes erwäge.

Der Nato-Oberbefehlshaber für Europa, Tod Wolters, habe den Mitgliedsstaaten auf einer Videokonferenz vorgeschlagen, in Rumänen und Bulgarien ähnlich wie bereits im Baltikum und in Polen die Nato-Präsenz über die Mission „Enhanced Forward Presence“ (EFP) zu erweitern, hieß es. Demnach solle die Nato auch in Südosteuropa EFP-Kontingente von gut 1 500 Personen aufbauen.

„Ich kann auch die Ängste der Ukrainer sehr gut verstehen“, sagte Lambrecht im Interview. Zurückhaltend äußerte sich die neue Verteidigungsministerin zu den Aussichten einer Entsendung von Nato-Soldaten in die Ukraine selbst. „Wir müssen alle Optionen der Diplomatie und der Wirtschaftssanktionen ausschöpfen.“

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