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Die Wahlsieger. Norbert Hofer (rechts) bekam die meisten Stimmen, gefolgt von dem Grünen Alexander van der Bellen und der unabhängigen Irmgard Griss.

© Christian Bruna/dpa

Update

Norbert Hofer siegt in Österreich: Gemeinsam gegen den rechtspopulistischen FPÖ-Favoriten

In Österreich könnte der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer trotz seines Erfolgs in der ersten Runde doch noch bei der Stichwahl für das Präsidentenamt verlieren.

Norbert Hofer kommt spät zur Wahlfeier seiner FPÖ. Dafür kostet der Wahlsieger der ersten Runde seinen Triumph erst hier richtig aus, nachdem er noch in den ORF-TV-Hauptnachrichten „demütig“ für die meisten Stimmen seinen Wählern dankte. „Wir haben heute ein Rendezvous mit der Geschichte“, sagt er dann forsch neben Parteichef H. C. Strache. „Wir wissen, dass ein altes System sich verabschiedet.“ Frenetischer Applaus der Anhänger für das mit 35,1 Prozent beste Ergebnis, das die rechtspopulistische Partei bundesweit jemals erreichte.

Die Glanzzeit der beiden großen Parteien, der Sozialdemokraten und der konservativen ÖVP, geht möglicherweise zu Ende. Seit 70 Jahren stellte eine der beiden großen Volksparteien das Staatsoberhaupt. Am Sonntag erhielten ihre Kandidaten 23 Prozent – zusammen.

Persönlichkeitswahl, Protestwahl, „Flüchtlingswahl“: Alles nur Symptome, sagen jetzt Wahlforscher, deren Vorwahl-Befragungen – zum Nachteil der FPÖ – grandios danebenlagen. Es gehe um mehr: um die seit Jahrzehnten aufgebaute Frustration der Wähler. Wie dramatisch dieser Schrei nach Wandel ausfiel, zeigt der Blick auf ehemalige Hochburgen der Parteien: Im einst sprichwörtlich „roten Wien“ gab es keinen einzigen der 23 Bezirke, wo der SPÖ-Kandidat, Ex-Sozialminister und Gewerkschaftschef Rudolf Hundstorfer, vorne gelegen hätte. Er wurde mit 12,3 Prozent nur Vierter, die größte Schmach der SPÖ bisher, deren letzter bundesweiter Wahlerfolg sechs Jahre zurückliegt.

Die Hauptstadt ist typisch auch für die Spaltung der ganzen Wählerschaft: Die ärmeren äußeren Flächenbezirke mit höherem Migrantenanteil wählten Hofer an die Spitze, die zentraleren Bezirke ausnahmslos den grünen Kandidaten Alexander van der Bellen. Und die einst tiefschwarze Hochburg der katholischen ÖVP, die Studentenstadt Innsbruck, versagte deren Kandidaten Andreas Khol, einem Ex-Verfassungsrechtsprofessor, mit nur acht Prozent die Zustimmung. Stattdessen war hier van der Bellen der Star unter den sechs Kandidaten.

Gespaltene SPÖ

Khol, der Fünfter wurde, nahm es mit scheinbar heiterer Gelassenheit, Hundstorfer mit tiefer Betroffenheit, beider Karriere ist jetzt zu Ende. Ihre Parteichefs akzeptierten schockiert den „letzten Warnschuss“. Sie wollen nun nochmals einen Neustart ihrer Koalition. Doch die dringenden Themen haben wenig Einigungspotenzial: Bei der Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, der hochkontroversen Bildungspolitik um die Gesamtschule und der Verschärfung der Integrationsbedingungen sind die Gräben weiter tief. Verstärkt werden sie durch die Schwäche von SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann, dessen Partei sich immer mehr spaltet: in seinen größeren pragmatischen Flügel, der die Grenzschließung gegen die Flüchtlinge und eine fordernde Integration betreibt, und den kleineren linken Flügel in Wien, der sich immer mehr den Grünen annähert, die konsequent das Gegenteil wollen. Auch wenn mehr als zwei Drittel der Österreicher die seit Februar konsequente Zurückweisung der Migranten und schärfere Integrationsmaßnahmen billigen.

Neuwahlen, die nach einem solchen Signal in der Luft lägen, schließen die Chefs beider Altparteien derzeit für sich aus, zu dramatisch wäre eine Niederlage gegen die FPÖ, sogar nach einem Wechsel an der jeweiligen Parteispitze. Rufe danach gab es am Montag in der Kanzlerpartei SPÖ, die am Nachmittag plötzlich doch ihr Präsidium, das höchste Führungsgremium, einberief. Es soll aber keine Personaldebatte geben, wie sie schon aus der Wiener SPÖ gefordert wird.

Vier Wochen lang droht nun ein noch mehr das Land polarisierender Wahlkampf Hofer gegen van der Bellen um die Stichwahl am 22. Mai. Da kann noch viel passieren, etwa die befürchtete Verschärfung der Flüchtlingsbewegung am Brenner, die von Österreich gestoppt werden soll.

Bleibt aber die Ausgangslage wie am Sonntag, stehen die Chancen des Grünen durchaus nicht so schlecht, wie die meisten Meinungsforscher derzeit glauben: Das zusätzliche Potenzial des jetzt von 21,3 Prozent gewählten van der Bellen ist ungleich größer als das Hofers, der seines schon weitgehend ausgeschöpft hat. Das mit 18,3 Prozent überwiegend aus dem Bürgertum kommende gute Ergebnis der unabhängigen Dritten Irmgard Griss ist das Hauptreservoir für van der Bellen, dazu kommen die erwarteten Wahlempfehlungen für ihn aus Teilen der SPÖ.

Viel hängt auch davon ab, inwiefern die FPÖ jetzt im In- und Ausland dämonisiert wird. Das könnte ihr zusätzliche Wähler in die Arme treiben.

Aber die Österreicher scheinen nach dieser Wahl unberechenbar zu sein. Da ist es durchaus denkbar, dass der rechtspopulistische FPÖ-Chef Heinz Christian Strache oder – nach einer doch knappen Stichwahl-Niederlage für das Präsidentenamt – sogar Norbert Hofer den nächsten Regierungschef stellt.

Reinhard Frauscher[Wien]

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