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Eine Gruppe armenischer Flüchtlinge aus dem osmanischen Reich in Syrien

© dpa/Library of Congress

Update

Niederlande und die Türkei: Niederländisches Parlament stuft Massaker an Armeniern als Völkermord ein

Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Türkei: Der Massenmord an Armeniern 1915. Es war Völkermord, sagt das niederländische Parlament. Die türkische Regierung reagiert prompt.

Das niederländische Parlament hat den im Osmanischen Reich an Armeniern begangenen Massenmord als Völkermord anerkannt. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Abgeordneten am Donnerstag einem entsprechenden Antrag zu.

Die Regierung wird den Völkermord zwar nicht anerkennen, will aber einen Vertreter zur Gedenkfeier in Eriwan am 24. April entsenden. Die Anerkennung als Genozid könnte die ohnehin angespannten Beziehungen der Niederlande zur Türkei weiter verschlechtern. Ankara reagierte prompt und verurteilte den Schritt des Parlaments „aufs Schärfste“.

Die Entscheidung habe „keine rechtliche Verbindlichkeit und Gültigkeit“, teilte das türkische Außenministerium am Abend mit. Die Türkei warf den Niederlanden zudem vor, das Massaker in Srebrenica 1995 an bosnischen Muslimen geduldet zu haben.

Schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen Armenier waren von 1915 an bei Massakern und Deportationen der christlichen Minderheit ums Leben gekommen. Die Türkei als rechtlicher Nachfolger des Osmanischen Reiches bedauert dies, lehnt die Einstufung als Völkermord aber strikt ab.

Die türkische Regierung bestellte aus Protest den niederländischen Geschäftsträger in Ankara ein. Dem Diplomaten sei mitgeteilt worden, dass die Türkei die Entscheidung des Parlaments verurteile, die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" anzuerkennen, teilte ein türkischer Außenamtsvertreter am Freitag mit.

Armenien begrüßt Entscheidung

Der türkische Europaminister Ömer Celik sagte am Freitag, die Türkei verurteile die Entscheidung des Haager Parlaments und betrachte sie als "null und nichtig". Sein Land habe aber "zur Kenntnis" genommen, dass die niederländische Regierung sich der Völkermord-Einschätzung des Parlaments nicht angeschlossen habe. Dies sei "wichtig", sagte Celik.

Armenien begrüßte am Freitag die Resolution des Haager Parlaments. Außenminister Edward Nalbandian erklärte, es habe damit seine Entschlossenheit bekräftigt, künftig Völkermorde und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. Die Resolution sieht auch vor, dass fortan ein Vertreter der Niederlande an den jährlichen Gedenkfeiern in Eriwan teilnimmt.

Im Juni 2016 hatte der Bundestag in Berlin beschlossen, die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich als „Völkermord“ einzustufen. Ankara zog deswegen zeitweise den Botschafter aus Berlin ab. Mit der Erklärung, die Resolution sei nicht rechtsverbindlich, entschärfte die Bundesregierung den Streit später.

Angespanntes Verhältnis weiter belastet

Die niederländische Regierung kündigte an, weiterhin von „der Frage des armenischen Genozids“ zu reden. Es sei „Zurückhaltung geboten“, sagte die amtierende Außenministerin Sigrid Kaag. Sie sicherte aber zu, dass ein Vertreter der Regierung beim Gedenken im April teilnehmen werde. „Das ist ein Zeichen des Respekts für die Opfer und Hinterbliebenen.“ Diese Geste sei aber nicht als stillschweigendes Anerkennen des Genozids zu bewerten.

Das Verhältnis der beiden Nato-Partner ist angespannt, nachdem die Niederlande 2017 Auftritte türkischer Minister vor dem Referendum zur neuen Verfassung untersagt hatten. Anfang Februar hatten die Niederlande ihren Botschafter formell aus Ankara zurückgerufen. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Türkei im Zusammenhang mit der Genozid-Erklärung den nun höchsten niederländischen Diplomaten einbestellt.

Ministerin Kaag betonte, dass die Erklärung des Parlaments nichts mit dem Konflikt zu tun habe. „Diese Angelegenheit darf man nicht politisieren“, betonte die linksliberale Politikerin.

„Die Anerkennung des Völkermords ist keine Verurteilung der heutigen Regierung der Türkei“, sagte auch der Abgeordnete der christlichen Regierungspartei ChristenUnie, Joel Voordewind. Von ihm ging die Initiative zur Anerkennung aus. 142 Abgeordnete hatten dafür gestimmt, nur drei dagegen.

Das Massaker in Srebrenica hatten im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen verübt. Niederländische Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen hatten den Angreifern die Stadt zuvor allerdings kampflos überlassen. Bei dem Massaker handelte es sich um den schlimmsten Völkermord nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. (dpa)

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