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Drei Sozialdemokraten auf eine Bayerin: Parteichefin Andrea Nahles, Spitzenkandidatin Natascha Kohnen und Bundesfinanzminister Olaf Scholz unterhalten sich am Rande einer auswärtigen SPD-Präsidiumssitzung in München mit einer Einheimischen.

© dpa

Nicht nur die CSU: Für SPD und Grüne wird die Bayernwahl zur Zerreißprobe

Nach der Landtagswahl in Bayern könnte bei der SPD Panik ausbrechen. Und auch für die Grünen werden sich wegweisende Fragen stellen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Alle schauen jetzt auf die C-Parteien, die Konservativen, und da besonders auf die CSU und ihr Abschneiden bei der Bayernwahl am Sonntag. Weil das geradezu konstitutiv für die Union werden kann. Denn die sinkt bundesweit noch mehr, wenn sich die CSU von ihrer Vormachtstellung in Bayern verabschieden muss.

Von einer Vorrangstellung im linken Spektrum müsste sich die SPD verabschieden, dringend auch gedanklich. Denn die SPD ist dort längst nicht mehr die stärkste Partei. Das sind jetzt die Grünen, die so zunehmen, wie die SPD verliert: kontinuierlich. Und die Genossen können damit so gar nicht umgehen.

Vor den Wahlen – denen in Bayern, aber besonders auch den dann folgenden in Hessen – verschärft sich das Problem für sie gerade noch einmal. Mit den Wahlen einhergehend, nach den Wahlen erst recht, kann es zur Panik kommen.

Da hilft wenig, wenn die SPD in Bayern und Hessen in die Regierung käme. Es wäre ja nicht wegen ihrer Stärke, sondern wegen ihrer relativen Schwäche, dass sie als Nummer zwei gefragt sind. Darum wäre eine Regierungsbeteiligung den wundgeriebenen eigenen Leuten wohl auch mit größter Mühe nicht als Gewinn zu verkaufen.

Und dann? Andrea Nahles, die unlängst gekürte Parteivorsitzende, müsste wohl ernsthaft um ihr neues Amt fürchten. Denn sie ist als Sturmspitze eingekauft, fußballerisch ausgedrückt, nicht als Chancentod. Da wartet dann die Vertrauensfrage auf sie.

Viele Genossen sehen in Nahles den nächsten Fehler - nach Schulz

Ob Nahles die stellen will? Tut sie es, wird die Frage beantwortet. Viele Genossen sehen die Parteichefin schon jetzt als nächsten großen Irrtum nach Martin Schulz an.

Dagegen die Grünen: Sie müssen sich (gegenwärtig nur) vor dem Ikarus-Effekt fürchten. Sie steigen und steigen in der Wähler-/Bürgergunst der Sonne entgegen – und können doch nicht so schnell alle Hoffnungen erfüllen, weder programmatisch noch in Regierungen. Man stelle sich vor: eine CSU- Grünen-Regierung in Bayern, wo sie doch über Jahre als Gottseibeiuns verteufelt wurde. Das kann ihre Flügel ansengen.

Zumal Jamaika, dieses Modell einer Koalition, nicht für jeden Grünen eine Verheißung darstellt – weil sie nur mit den Schwarzen und der FDP zu haben ist. Umso wichtiger wird in dieser Hinsicht übrigens die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin als Referenzgröße und Gegenmodell.

Womit ist zu rechnen? Der SPD droht innerer Kampf, in ihrer Seele und der Partei. Wer ist cool genug, das auszuhalten? Wer hält sie in der Bundesregierung auf Kurs und auf der Zeitschiene, indem sie nüchtern ihre Arbeit macht? Stand heute: Olaf Scholz. Wer Führung bei ihm bestellt, bekommt sie auch. Zugleich müsste Scholz garantieren, dass die SPD als selbsternannte Programm- und Grundsatzpartei innenpolitisch zwei Felder beackert, die sich erst längerfristig auszahlen: Rente und Wohnen.

Und die Grünen werden sich entscheiden müssen: Sind sie sozialliberal, ökolibertär, radikalökologisch? In jedem Fall muss die Führung die Partei mitnehmen. Oder sie wird wie die FDP vor Jahren nach ihrer Wende einen Mitgliederaustausch erleben.

Zerreißproben, wo man hinschaut. Am Sonntag wird es ernst.

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