zum Hauptinhalt
Klaus Reinhardt: „Die Patienten müssen lernen, verantwortungsvoll mit der Ressource Arzt umzugehen.“

© FOTOLIA

„Nicht jeder Besuch notwendig“: Ärztepräsident fordert finanzielle Selbstbeteiligung von Patienten

Erst vor Kurzem wurde Klaus Reinhardt zum neuen Präsidenten der Bundesärztekammer ernannt. Jetzt lobt er die bereits abgeschaffte Praxisgebühr.

Der neue Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, fordert unter bestimmten Umständen eine finanzielle Selbstbeteiligung von Patienten bei Arztbesuchen. „Bei mehrfachen und völlig unnötigen Arztbesuchen kann eine moderate wirtschaftlichen Beteiligung zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit unseren knappen Ressourcen im Gesundheitswesen beitragen“, sagte Reinhardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). „Es geht um eine bessere Steuerung von Patienten. Davon profitieren am Ende alle.“

Reinhardt betonte, der Erstzugang zum Arzt solle immer frei sein. „Aber man muss genauer hinsehen, wer wann und weshalb zum Arzt geht.“ Nicht jeder Besuch sei notwendig und sinnvoll. „Die Patienten müssen lernen, verantwortungsvoll mit der Ressource Arzt umzugehen.

Wer das nicht tut, verbaut den Menschen, die ernsthaft erkrankt sind, den Weg zu ärztlicher Hilfe.“ Mit kleinen Geldbeträgen könnte sich das Verhalten der Patienten verändern - das zeigten Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen es eine Selbstbeteiligung gebe.

Reinhardt lobte die inzwischen abgeschaffte Praxisgebühr. Diese sei zwar falsch organisiert gewesen, sie habe aber grundsätzlich funktioniert. „Hausärzte wie ich haben festgestellt: Als die Praxisgebühr wegfiel, nahm die Zahl der Patienten und die Zahl der Arztbesuche spürbar zu.“ Politik und Krankenkassen sollten Patienten nach dem Grund fragen, warum sie wegen derselben Erkrankung bei sehr vielen Ärzten waren. „Es mag diesen Grund ja geben. Aber heute wird das völlig unkommentiert hingenommen.“

Verschlechterung bei Terminversorgung erwartet

Der Präsident der Bundesärztekammer erwartet außerdem, dass das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiierte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nur kurzfristig wirken wird. „Die neuen gesetzlichen Regelungen werden auf jeden Fall kurzfristig für Entspannung bei der Terminsituation sorgen“, sagte Reinhardt der „Welt“ (Freitag). „Aber langfristig wird das Gesetz die Situation nicht verbessern.“ Er erwarte eine Verschlechterung.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Grund sei, dass Mediziner bereits jetzt am Limit arbeiteten. „Viele niedergelassene Ärzte arbeiten von 8.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr abends, oft auch länger. Die neuen Regelungen mögen dazu führen, dass es noch mehr 5-Minuten-Termine gibt. Die sind für Patienten und Ärzte aber unbefriedigend“, sagte Reinhardt.

„Das Gesetz wird auf diese Weise relativ schnell Wirkung zeigen, aber die wird auch wieder verpuffen, weil in den kommenden Jahren viele Ärzte in Rente gehen und die Bevölkerung gleichzeitig älter und kränker wird. In wenigen Jahren wird die Situation wieder genauso sein wie vor dem TSVG, vermutlich noch schlimmer.“

Gegenden ohne Hausarzt

Reinhardt fordert zudem mehr Ehrlichkeit in der Debatte über Ärztemangel auf dem Land. „Es wird künftig Gegenden ohne Hausarzt geben. Das ist leider so, und die Politik sollte das auch zugeben. Dann kann man nämlich freier über Alternativen nachdenken.“ Auch großzügige finanzielle Angebote änderten nichts daran, dass junge Mediziner praktisch nicht bereit seien, in entlegene Regionen zu ziehen. „Wir werden auf dem Land definitiv eine andere Versorgung haben als heute, und es wird in vielen Gemeinden nicht mehr die normale Arztpraxis mit dem netten Hausarzt sein, der mit Ende 70 noch brav arbeitet.“

Alle Gegenden, die mit großen Städten verbunden sind, würden auch künftig funktionieren. „Anders sieht es in besonders entlegenen Gegenden aus. Dort ist das normale gesellschaftliche Leben, wie wir es gewohnt sind, akut gefährdet und dort wird auch die medizinische Versorgung problematisch“, sagte Reinhardt. Telemedizin werde künftig bei der Versorgung solcher Gebiete eine wichtige Rolle spielen. Eine weitere Möglichkeit seien ambulante Ärzteteams, die regelmäßig durch die Orte kämen, oder Krankenschwestern, die bei Visiten Ärzte per Video zuschalteten. (KNA)

Zur Startseite