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Impfgegner protestieren in Stuttgart gegen Corona-Maßnahmen.

© Christoph Schmidt/dpa

"Nicht in einen rechtsextremen Sog hineinziehen lassen": Wie die Grünen mit radikalen Impfgegnern umgehen

Im Netz und auf Demos kursieren Gerüchte über Corona-"Zwangsimpfungen". Grüne empfehlen, aufzuklären statt die Debatte über eine Impfpflicht zu befeuern.

Wenn in diesen Tagen gegen Corona-Auflagen demonstriert wird, sind nicht nur rechte Aktivisten dabei, sondern auch Impfgegner. Auf der Straße und im Netz verbreiten sie die Theorie, dass die Politik eine „Zwangsimpfung“ gegen das Coronavirus plane. Ein Youtube-Video, das vorgibt, Beweise für eine Impfpflicht liefern zu können, wurde seit Anfang Mai bereits 1,3 Millionen Mal geklickt. Auch Online-Petitionen, die sich gegen eine Impfpflicht wehren, haben Zulauf.

Schon als in Deutschland über die Masern-Impfpflicht für Kinder diskutiert wurde, die im März in Kraft trat, formierte sich Widerstand. Die Grünen haben ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema gemacht. Als Baden-Württembergs grüner Gesundheitsminister Manne Lucha sich unmissverständlich für eine Masernimpfpflicht aussprach, machte er sich nicht nur Freunde.

Traditionell tun die Grünen sich mit einer Impfpflicht schwer, die Partei hält das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper hoch. Bei den Masern rang sich die Bundestagsfraktion zu der Position durch, dass Kinder, die eine Kita oder Schule besuchen, einen ausreichenden Impfschutz nachweisen müssen.

Doch nach wie vor sind Impfskeptiker im grün-alternativen Milieu verbreitet, vor allem im Südwesten der Republik. In Baden-Württemberg sind die Impfquoten bei Masern niedriger als in anderen Bundesländern. Und Luchas Ministerium erhält auch jetzt wieder Zuschriften von Impfgegnern.

Eine verpflichtende Impfung ist nicht geplant

Dabei ist eine verpflichtende Impfung gegen das Coronavirus bisher nicht geplant. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht davon aus, dass die allermeisten Bürgerinnen und Bürger sich sofort freiwillig impfen lassen würden, sobald es einen Impfstoff gebe. „Wo Freiwilligkeit zum Ziel führt, braucht es keine gesetzliche Pflicht“, sagt er.

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Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink sagt, im Moment warte die ganze Welt sehnsüchtig darauf, dass endlich ein Impfstoff gegen das Coronavirus zur Verfügung stehe. „Die eigentliche Frage ist doch, wie wir sicherstellen können, dass möglichst viele Menschen diesen Impfstoff dann auch erhalten können“, sagt die Gesundheitspolitikerin.

"Im Moment verbreitet sich viel Irrationales"

Dass im Moment Verschwörungstheorien verfangen, erklärt Klein-Schmeink mit der Verunsicherung der Menschen. „Das massenhafte Infektionsgeschehen schürt Ängste. Da verbreitet sich auch viel Irrationales“, sagt sie. Von politischen Kräften aus dem rechten Spektrum werde das gezielt genutzt, diese stünden oft hinter den Anmeldungen der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen.

Katharina Schulze, Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag, sieht den Zusammenschluss von Menschen mit ganz unterschiedlichem politischen und weltanschaulichen Hintergrund auf solchen Demos deshalb auch mit Sorge. „Die Gefahr ist groß, dass verunsicherte Menschen hier in einen rechtsextremen Sog hineingezogen werden“, sagt sie. Der Staat müsse mehr Aufklärungsarbeit leisten und Verschwörungsmythen immer wieder dekonstruieren.

Ohne einen vorhandenen Impfstoff über eine Impfpflicht zu debattieren, findet Schulze „müßig“. Auch ihre Parteifreundin Klein-Schmeink rät, die Debatte über eine Corona-Impfpflicht nicht zu befeuern, sondern aufzuklären.

Die von Gesundheitsminister Spahn angestoßene „unglückliche“ Debatte über einen Immunitätsausweis sei „ein Brandbeschleuniger“ für Verschwörungstheorien gewesen, kritisiert sie. In diesem sollte bescheinigt werden, wenn jemand Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt hat. „Spahn hat zwar keinesfalls eine Impfpflicht gefordert. Aber schon die Tatsache, dass der Immunitätsstatus am Impfpass angedockt sein sollte, hat denen Nahrung gegeben, die abstruse Theorien verbreiten“, sagt Klein-Schmeink. Spahn selbst hat die Frage nach dem Ausweis vertagt und die Ethik-Kommission um Rat gebeten. 

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