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Am Verhandlungstisch in Brüssel: Kanzlerin Merkel, links der türkische Ministerpräsident Davutoglu.

© Geert Vanden Wijngaert/dpa

Update

Newsblog: EU-Gipfel zu Flüchtlingen: Kreise: Weitere Beratungen zu Türkei-Vorschlag vertagt

Die EU verhandelt in Brüssel über die Flüchtlingskrise: In der Nacht soll eine "überarbeitete Erklärung" beraten werden. In der kommenden Woche soll der türkische Vorschlag erneut verhandelt werden.

Auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel verhandeln die Staats- und Regierungschef mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu über die Flüchtlingsfrage. Die Türkei soll der illegalen Migration ein Ende bereiten, stellt dafür aber Bedingungen. Belastet werden die Gespräche unter anderem durch das Vorgehen der Türkei gegen kritische Medien. Die Ereignisse des Montags zum Nachlesen finden Sie hier.

+++ Beratungen statt Abendessen: Die EU-Staats- und Regierungschefs sind am Montagabend bei ihrem Gipfel wieder zusammengekommen, um über den Vorschlag der Türkei zur Flüchtlingsrücknahme zu beraten, wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Das ursprünglich geplante Abendessen wurde gestrichen, "um eine überarbeitete Erklärung zu vereinbaren".

Im Anschluss solle eine Pressekonferenz zusammen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu stattfinden, erklärte Tusks Sprecher weiter. Ein Diplomat sagte, es gehe nun "eher um einen Text, der die Möglichkeit einer Vereinbarung ausdrückt".

Ein weiterer Diplomat sagte, in der geplanten Erklärung werde der türkische Vorschlag "eher positiv" bewertet. Der Vorschlag selbst werde aber nicht mehr am Montag verabschiedet. Die Staats- und Regierungschefs würden sich damit erneut bei ihrem Gipfel Ende kommender Woche befassen.

+++ Es liegt an Ungarn. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist offenbar derjenige, der eine Einigung blockiert. Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs hat die Vorbehalte seines Landes gegen eine Flüchtlingsvereinbarung der EU mit der Türkei verteidigt. Ministerpräsident Viktor Orban habe bereits vor Beginn des Sondergipfels in Brüssel betont, dass er gegen „Umsiedlungen“ von Flüchtlingen sei, sagte Kovacs am Montagabend dem ungarischen Staatsfernsehen. Kovacs hatte zuvor im Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben, Orban habe sein Veto gegen eine direkte Verlegung von Asylsuchenden aus der Türkei in die EU eingelegt. Darüber hinaus machte Kovacs Einwände Ungarns gegen eine zur Diskussion stehende Visafreiheit für Türken bei Reisen in die EU geltend. Ungarns Regierung sei der Meinung, „dass es ein diesbezüglich zu integrierendes europäisches Territorium“, nämlich die Ukraine gebe, der diese Erleichterung zuerst zugute kommen müsste. Erst danach könne man darüber sprechen, ob die Türkei diese vielleicht auch bekommen könne.

+++ Langes Warten aufs Abendessen. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Der EU-Gipfel ist am Montag durch den überraschenden Vorschlag der Türkei zur Flüchtlingsrücknahme weiter verzögert worden. Nach Angaben aus EU-Kreisen kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen 22.00 Uhr erneut mit den EU-Spitzen zusammen, um über das Angebot der Türkei zu beraten. Danach sollte das Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs fortgesetzt werden, um eine gemeinsame Linie zu finden. Ob das in dieser Nacht noch gelingt, ist völlig ungewiss.

+++ Malta-Premier: Brauchen mehr Zeit für Türkei-Deal. Die EU braucht nach Einschätzung des maltesischen Premiers Joseph Muscat mehr Zeit, um einen Pakt mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zu schließen. Eine Abmachung beim EU-Türkei-Gipfel am Montag in Brüssel sei unwahrscheinlich, berichtete Muscat im Kurznachrichtendienst Twitter.

+++ EU-Regierungen können sich nicht einigen. Die 28 EU-Regierungen können sich nach Angaben eines EU-Diplomaten noch nicht auf ein neues Paket mit der Türkei in der Flüchtlingskrise einigen. Möglicherweise werde man die Entscheidung vertagen, hieß es am Montagabend in Brüssel. Dort beraten die EU-Regierungen über ein neues Angebot der Türkei, alle Flüchtlinge und Migranten zurückzunehmen. Im Gegenzug verlangt die Türkei mehr Geld für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei, eine schnellere Visa-Freiheit und die Eröffnung weiterer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen. Die Vorschläge waren in der Nacht zu Montag in einem Dreiertreffen des türkischen Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte besprochen worden. Aber offenbar gibt es Widerstand in der EU. Einige EU-Regierungen wollten mehr Zeit für eine Beratung über die Vorschläge, die ihnen erst am Montag vorgelegt worden waren, hieß es. "Einige Länder mögen die Idee, können aber wegen der kurzen Vorbereitungszeit heute keinen Abschluss akzeptieren", sagte der Diplomat. "Es sind noch einige Klärungen nötig. Wir werden daran intensiv in den kommenden Tagen arbeiten."

+++ Visa-Erleichterungen sollen von Oktober auf Juni vorgezogen werden: Die von der EU in Aussicht gestellten Reiseerleichterungen für türkische Staatsbürger sollen schneller kommen als zunächst geplant. Der Vorschlag einer Beschleunigung sei ein Schlüsselelement bei den Debatten des EU-Türkei-Gipfels, sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz. Nach ergänzenden Angaben geht es darum, die sogenannten Visaerleichterungen von Oktober auf Juni vorzuziehen. Schulz äußerte sich zu diesem Punkt nicht im Detail. Er macht aber deutlich, dass für diesen Schritt noch mehrere Hürden zu nehmen sind. Das EU-Parlament brauche einen Vorschlag der Kommission. Diese wiederum könne erst handeln, wenn das türkische Parlament einen Maßnahmenkatalog mit neun Punkten beschlossen habe. „Die Bedingungen sind von größter Wichtigkeit“, sagte der SPD-Europapolitiker mit Blick auf das komplizierte EU-Verfahren.

+++ Verdopplung der EU-Hilfen offenbar schon in neuem Entwurf: Nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fordert die Türkei drei Milliarden Euro zusätzlich zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die Agentur Reuters berichtet nun, dass diese Summe offenbar schon in einen neuen Entwurf für das Abschlussdokument eingeflossen ist. Dem von Reuters eingesehenen Dokument zufolge erklärt sich die Union damit bereit, die Hilfen für die Türkei zu verdoppeln. Zudem soll die Visumspflicht für Türken bei Reisen in die EU entfallen. Im Gegenzug soll die Türkei alle auf die griechischen Inseln gelangten, nicht bleibeberechtigten Flüchtlinge zurücknehmen.

+++ Türkei fordert offenbar drei Milliarden Euro zusätzlich: In der Flüchtlingskrise fordert die Türkei nach den Worten von EU-Parlamentschef Martin Schulz von Europäern bis 2018 weitere drei Milliarden Euro. Das sagte Schulz am Montag in Brüssel am Rande des EU-Türkei-Gipfels. Die EU hatte bereits im vergangenen November drei Milliarden Euro zugesagt.

+++ Schäuble gegen Verknüpfung von Flüchtlingskrise und Griechenlandfrage: In Brüssel kommen heute auch die Euro-Finanzminister zusammen. Wolfgang Schäuble hat vor dem Treffen vor einer Verknüpfung der Flüchtlingskrise mit möglichen Erleichterungen beim Kreditprogramm der Euro-Staaten für Griechenland gewarnt. "Die beiden Themen muss man wirklich voneinander trennen", sagte der Bundesfinanzminister. "Wir waren sehr großzügig, und wir werden sehr großzügig bleiben." Aber beim Reformprogramm gehe es darum, Griechenland auf den Pfad eines nachhaltigen Wachstums zurückzuführen.

Zu möglichen Verhandlungen über weitere Finanzmittel für die Türkei in der Flüchtlingskrise wollte sich Schäuble nicht konkret äußern. Deutschland werde aber alles dafür tun, die Nachbarregionen der EU stärker zu unterstützen, um die Ursachen der Flüchtlingsströme zu bekämpfen. "Deswegen werden unsere Spielräume im eigenen Land nicht so groß sein, wie manche meiner Kollegen hoffen", sagte Schäuble mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen im Bundeskabinett. Kürzungen seien aber nicht notwendig.

+++ Erdogan beklagt ausbleibende Zahlungen der EU: Aus der Türkei kommt ein Zwischenruf zum Brüsseler Gipfel. Das Land wartet nach den Worten von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan weiterhin vergeblich auf die von der EU zugesicherte Finanzhilfe. „Sie haben gesagt, wir geben euch drei Milliarden Euro Unterstützung“, sagte Erdogan am Montag in Ankara. „Vier Monate sind vergangen, sie haben sie uns immer noch nicht gegeben.“ Erdogan fügte mit Blick auf Davutoglus Teilnahme am EU-Gipfel hinzu: „Der geehrte Ministerpräsident ist gerade in Brüssel. Ich hoffe, er kommt mit dem Geld zurück.“

Erdogan kritisierte erneut die Flüchtlingspolitik der EU. „Einerseits sagen sie, die Flüchtlinge sollen nicht kommen. Ja, aber nicht wir schicken die Flüchtlinge, sondern seht, sie kommen über das Meer. Und viele davon sterben leider.“ Die Türkei habe bislang fast 100.000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. „Aber die anderen verursachen ihren Tod, indem sie ihre Boote aufschlitzen.“ Wen er damit meinte, sagte Erdogan nicht.

+++ Türkei will offenbar mehr nicht-syrische Migranten zurücknehmen: "Die türkische Seite bietet mehr an und verlangt auch mehr", sagte ein mit den Verhandlungen vertrauter Diplomat. Die Regierung in Ankara biete etwa an, mehr nicht-syrische Migranten aus der EU zurückzunehmen und nicht nur die, die in der Ägäis aufgegriffen werden, sagte ein zweiter EU-Diplomat. Die Türkei fordere für ihr Entgegenkommen, dass die EU mehr als die vereinbarten drei Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei zahlt, sagte ein Diplomat. Zudem müssten weitere Verhandlungskapitel in den EU-Beitrittsgesprächen geöffnet werden - das hat bisher das EU-Land Zypern verhindert. Drittens poche die Regierung in Ankara darauf, dass die eigentlich für Oktober anvisierte Überprüfung der Visa-Liberalisierung für Türken, die in die EU reisen wollen, vorgezogen wird. Die türkische Regierung wollte nur bestätigen, dass neue Vorschläge auf dem Tisch liegen.

+++ Umstrittene Formulierung wird wohl geändert: Der EU-Gipfel hat mit einem Streit über eine offizielle Anerkennung der Schließung der Balkanroute begonnen. Die Formulierung "Die Balkanroute ist nun geschlossen" sollte in der Gipfel-Erklärung stehen. Nach Angaben eines EU-Diplomaten findet sie sich in einem überarbeiteten Entwurf nicht mehr: "Das wird umformuliert." Bundeskanzlerin Merkel hatte zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von diesem Ziel nichts hält. Es könne "nicht darum gehen, dass irgendetwas geschlossen wird", sagte sie bei ihrem Eintreffen in Brüssel.

+++ Gipfel wegen neuer Forderungen der Türkei verlängert: EU-Ratschef Donald Tusk lässt den Gipfel mit der Türkei deutlich länger laufen als zunächst geplant. Es solle ein - bisher nicht angekündigtes - Abendessen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geben, berichteten Diplomaten am Montag in Brüssel. Davutoglu habe „neue und ehrgeizige Ideen“ vorgelegt. Der irische Ministerpräsident Enda Kenny berichtete, die türkische Regierung habe jüngst "eine weitere Forderungsliste" vorgelegt. Details nannte er nicht. Die "Financial Times" meldete, es habe "in letzter Minute" eine "neue Wunschliste" aus Ankara gegeben. Dazu gehörten eine schnellere Visa-Liberalisierung für türkische Bürger, eine Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses und mehr als die für Flüchtlinge in der Türkei bereits zugesagten drei Milliarden Euro.

+++ Österreich beharrt auf Schließung der Balkanrouten: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat kurz vor Beginn des EU-Türkei-Gipfels auf ein deutliches Signal zur Schließung der Flüchtlingsroute über den Westbalkan gepocht. "Es muss klar sein: Die Balkanroute ist geschlossen und alle anderen auch", sagte Faymann am Montag in Brüssel. Er plädiere für eine deutliche Sprache. Schlepper dürften keine Chance haben. In dem Reuters vorliegendem Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels heißt es, dass die Westbalkan-Route jetzt geschlossen sei. Allerdings wollen nicht alle EU-Staaten diese Formulierung mittragen. Faymann warnte zudem davor, sich bei der Lösung der Flüchtlingskrise zu stark auf die Türkei zu verlassen. Vielmehr müsse die EU in der Lage sein, ihre Außengrenzen selbst zu schützen. Die EU dürfe auch ihre Prinzipien gegenüber der Türkei bei Fragen von Visa-Erleichterungen oder in den Beitrittsverhandlungen nicht aufgeben.

Umlagert: Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel.
Umlagert: Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel.

© Laurent Dubrule/dpa

+++ Merkel gibt Erklärung ab: Bundeskanzlerin hat bei einer öffentlichen Erklärung noch einmal betont, dass die EU sowohl bei der Bekämpfung der Fluchtursachen als auch beim Schutz der EU-Außengrenzen auf die Kooperation mit der Türkei angewiesen ist. Ziel sei es, im Interesse aller die Zahl der illegalen Flüchtlinge zu verringern. Sie erwarte schwierige Verhandlungen, die sich noch Stunden hinziehen werden. Beim Eintreffen im Brüsseler Gipfelgebäude hat Merkel der Forderung nach Schließung der Balkanroute widersprochen. „Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird“, sagte sie. Bei der offiziellen Erklärung verlor sie zum Thema kein Wort.

+++ Merkel will Formulierung "Balkanroute ist geschlossen" ändern: Unmittelbar vor dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise gibt es in Brüssel Widerstand gegen den Entwurf der Schlusserklärung. Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollen nach Angaben von Diplomaten die Formulierung ändern, wonach die Balkanroute für Flüchtlinge aus Syrien nun „geschlossen“ sei. Dies entspreche faktisch nicht den Tatsachen, auch wenn die Zahlen erheblich zurückgegangen seien, hieß es am Montag. Schon der Flüchtlingsgipfel vor zwei Wochen hatte allerdings erklärt, die Politik des „Durchwinkens“ Hunderttausender Flüchtlinge von Griechenland nach Mitteleuropa müsse ein Ende haben.

+++ Türkei zur Kooperation bereit: Die Türkei ist nach Angaben des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit der EU bereit bis hin zum Beitritt. Er hoffe, dass der EU-Türkei-Gipfel eine Erfolgsgeschichte und ein Wendepunkt in den Beziehungen sein werde, sagte Davutoglu am Montag in Brüssel vor dem Treffen mit den 28 EU-Staats- und Regierungschefs. Man werde eine Lösung in der Flüchtlingskrise erreichen. Bei dem EU-Türkei-Gipfel gehe es aber nicht nur darum, die illegale Migration in den Griff zu bekommen. "Es gibt heute ein größeres Bewusstein für die türkischen Anliegen", sagte er. Sein mehr als fünfstündiges Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in der Nacht zu Montag sei "sehr fruchtbar" gewesen.

+++ Die Vorgespräche haben begonnen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf am Morgen schon drei Stunden vor Gipfelbeginn zu Vorgesprächen im Ratsgebäude in Brüssel ein. Sie traf zunächst EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Schon am Sonntagabend hatte sie Gespräche mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu geführt.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras fordert angesichts der Schließung der Balkanroute eine "gemeinsame Lösung" und Hilfe für sein Land. "Das ist unser gemeinsames Problem, das ist nicht das Problem eines Landes", sagte Tsipras am Montagvormittag in Brüssel. Nötig seien nun "substantielle Ergebnisse" mit der Türkei, um die Zahl der ankommenden Flüchtlinge deutlich zu verringern.

Tsipras bedauerte, dass Beschlüsse des letzten EU-Gipfels Mitte Februar nicht umgesetzt worden seien. "Beschlüsse, die wir nicht umsetzen, sind keine Beschlüsse", sagte Tsipras. Auch deshalb gebe es nun "eine schwierige Situation". Er forderte eine Umsetzung der beschlossenen Umverteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten. Diese müsse "bedeutsam beschleunigt" werden.

Ratspräsident Donald Tusk trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Ratspräsident Donald Tusk trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© John Thys/dpa

+++ Gipfel-Erklärung ist ein "gewagtes Dokument": Der EU-Sondergipfel in Brüssel soll nach Angaben aus dem Europaparlament feststellen, dass die sogenannte Balkanroute, über die bisher zahlreiche Flüchtlinge von Griechenland nach Deutschland kamen, geschlossen ist. Der Entwurf der Gipfel-Erklärung „enthält die Worte, dass die Balkan-Route jetzt geschlossen sei“, sagte der FDP-Europaparlamentarier Alexander Graf Lambsdorff am Montag im Deutschlandfunk. Er halte dies für ein „etwas gewagtes Dokument, eine gewagte Formulierung, weil die Frage, was ist mit den Ausweichrouten über Albanien, Montenegro, Bosnien, nicht beantwortet wird“, sagte Lambsdorff. „Es ist auch nicht klar, was ist mit der Route über die Adria d irekt nach Italien, wenn es einmal etwas ruhiger geworden ist, was das Wetter angeht.“

+++ Kritik an der Verletzung der Medienfreiheit: Kurz vor Beginn des Gipfels Schulz (SPD) hat sich beim türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu über das Vorgehen Ankaras gegen die regierungskritische Zeitung "Zaman" beschwert. "Ich habe ihm für das Europäische Parlament gesagt, dass die Medienfreiheit ein Kernelement der Identität der EU ist", sagte Schulz am Montag in Brüssel. Er sei zwar auch "kein begeisterter Leser von 'Zaman'", aber "Meinungsfreiheit ist eben genau das, dass nicht die Regierung bestimmt, was in den Zeitungen steht". Eigentlich sollte im Vorfeld des EU-Gipfels ein gemeinsamer Pressetermin von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und dem türkischen Regierungschefs Ahmet Davutoglu stattfinden. Doch dann wurde dieser Pressetermin kurzfristig abgesagt.

Rund zwei Millionen Flüchtlinge hat die Türkei aufgenommen. Viele wollen in die EU.
Rund zwei Millionen Flüchtlinge hat die Türkei aufgenommen. Viele wollen in die EU.

© Uygar Onder Simsek/dpa

+++ SPD verteidigt Zusammenarbeit mit Türkei: Vor dem EU-Türkei-Gipfel zur Flüchtlingspolitik hat die SPD die Zusammenarbeit mit Ankara trotz der jüngsten Repressalien gegen regierungskritische Medien verteidigt. Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen die Redaktionen von „Zaman“ und anderen Medien sei „erschreckend und in keiner Weise akzeptabel“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der „Passauer Neuen Presse“ (Montag). Darüber müsse es mit dem Nato-Partner „eine harte und kritische Auseinandersetzung geben“. Es gebe aber keine Alternative zur Zusammenarbeit.

„Wenn die Türkei mit der EU ein Abkommen über die Sicherung der Außengrenze schließt, wird eine große Zahl von Flüchtlingen im Land bleiben müssen“, sagte die SPD-Generalsekretärin. „Für die Aufnahme dieser Flüchtlinge muss die EU die Türkei finanziell entlasten.“

+++ Kritik von der Linken: Kritik kam von der Linkspartei im Bundestag. Die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte den „Ruhr Nachrichten“ (Montag): „Sich jetzt auch noch von (Präsident Recep Tayyip) Erdogan erpressbar zu machen, der die Meinungsfreiheit im eigenen Land mit Füßen tritt, Krieg gegen die kurdische Bevölkerung führt und terroristische Islamisten in Syrien unterstützt, ist ein Armutszeugnis und das genaue Gegenteil einer europäischen Lösung.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Knut Fleckenstein, warnte die europäischen Staats- und Regierungschefs davor, die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu tolerieren. „Es kann keinerlei Gipfel mit der Türkei geben, bei dem über so etwas nicht geredet wird, wenn wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen“, sagte der SPD-Politiker vor dem Spitzentreffen an diesem Montag in Brüssel der Deutschen Presse-Agentur. Vereinbarungen mit der Türkei zur Eindämmung der Flüchtlingskrise dürften nicht dazu führen, dass die EU ihre Werte verkaufe.

„Es gibt in der Türkei Menschen, die immer noch Hoffnung auf uns setzen“, sagte Fleckenstein. „Das sind viele - nicht nur Linke, sondern auch Geschäftsleute und bürgerliche Kräfte.“

Mit Blick auf die Migrationsströme forderte Fleckenstein, über alle Möglichkeiten zu deren Eindämmung nachzudenken. Dazu gehöre auch, dass die Türkei die Visafreiheit für Menschen aus Maghreb-Staaten wie Tunesien, Algerien und Marokko einschränken könne. „Das würde das Problem halbieren“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf Schätzungen, nach denen derzeit rund jeder zweite über die Türkei nach Griechenland kommende Migrant ein Wirtschaftsflüchtling aus Nordafrika ist. „In Notsituationen muss man manchmal auch drastische Maßnahmen ergreifen.“

+++ Grüne verlangen klare Worte: Auch die Grünen erwarten einen klarenTon gegenüber der Türkei. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verlangt mehr Ehrlichkeit in der Beitrittsfrage verlangt. Die derzeitigen Verhandlungen nannte Özdemir in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag) ein „Theaterspiel“. Ein ernsthaftes Angebot seitens der EU müsse zur Bedingung machen, dass die Türkei die sogenannten Kopenhagener Kriterien umsetze, „also Pressefreiheit, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Schutz religiöser Minderheiten und ein Bekenntnis im Kern zur westlichen Demokratie“. Dies würde in der Türkei eine Dynamik auslösen, die auch den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Bedrängnis brächte, so Özdemir.

In der Flüchtlingskrise sehe Erdogan „eine Art Wasserhahn, den er nach Belieben auf- oder zudrehen kann“, sagte der Grünen-Chef weiter. „Die Türkei ist längst ein autoritärer Staat. Nichts, was im Land geschieht, geschieht ohne das Wissen des Staatspräsidenten“, sagte Özdemir.

Die Grünen-Politikerin Claudia Roth warnt die EU davor, sich wegen der Flüchtlingskrise von der Türkei abhängig zu machen. Eine solche Entwicklung wäre fatal, sagte die Bundestags-Vizepräsidentin am Montag dem Radiosender NDR Info mit Blick auf den EU-Sondergipfel in Brüssel. Sie bezeichnete den türkischen Präsidenten Erdogan als einen Autokraten, der gegen Menschenrechte verstoße. Als Beispiele nannte die Grünen-Politikerin die Beschneidung der Pressefreiheit und das gewaltsame Vorgehen gegen Frauen in dem Land. Es sei zwar richtig, die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen auch finanziell zu unterstützen. „Man darf Präsident Erdogan aber nicht für die Abschottung der EU bezahlen. Ein Europa der geschlossenen Grenzen wäre nämlich eine Bankrott-Erklärung“, sagte Roth. „So verkauft Europa seine Seele.“ (mit dpa/Reuters/AFP/KNA/epd)

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