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Der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio will Alexander Gauland nachfolgen.

© imago/Christian Ditsch

Neuwahl mit Chaospotenzial: Wohin steuert die AfD nach dem Parteitag?

Gauland will nicht noch einmal als AfD-Chef antreten. Die Wahl seines Nachfolgers könnte auch Einfluss haben auf den künftigen Kurs der Partei.

Alexander Gauland hat es zuletzt mit Mahnungen probiert. Auf dem Treffen des radikalen „Flügels“ im Sommer predigte der AfD-Chef, um erfolgreich zu sein, müsse man sich „auch mal auf die Lippen beißen“ – also nicht alles sagen, was man denkt. Nach den Wahlerfolgen in Sachsen und Brandenburg bat Gauland seine Parteifreunde, sich im Siegestaumel „vernünftig“ zu benehmen. Offensichtlich wollte der AfD-Chef, der in der Vergangenheit selbst mehrfach mit Verbalradikalismus aufgefallen ist, nun zur Mäßigung in der Öffentlichkeit aufrufen.

Doch solche Mahnungen Gaulands könnten bald an Autorität verlieren. Beim Parteitag am Wochenende in Braunschweig will der einflussreichste Mann der AfD eigentlich nicht noch einmal als Vorsitzender kandidieren. Der 78-Jährige möchte sich auf die Leitung der Fraktion konzentrieren. Und so stellt sich nicht nur die Frage, wer die AfD führen wird – sondern auch, welchen Kurs die Partei dann einschlägt.

Wie radikal wird die AfD?

Beide Fragen sind eng miteinander verknüpft. Gaulands Wunschnachfolger ist wie berichtet der sächsische Malermeister und Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla. Er ist nicht Teil des radikalen „Flügels“. Im Gespräch sagte Chrupalla aber, dass er glaube, eine „Klammer“ bilden zu können, die die Strömungen in der AfD verbindet. Anders als andere AfD-Politiker spricht Chrupalla viel über Mittelstand, Bürokratieabbau und Wirtschaft – Migration ist nicht sein Hauptthema.

Der 44-Jährige soll ein bürgerliches Gesicht für die AfD sein. Doch bei seiner Rede im Bundestag zum Tag des Mauerfalls schlug er kürzlich ganz andere Töne an. Da sagte er über Kanzlerin Angela Merkel: „Ich bedaure, dass sie uns nicht verrät, welche Herrschafts- und Zersetzungsstrategien sie damals bei der FDJ gelernt hat.“ Wie man ein Volk mit „Agitation und Propaganda“ in Schach halte, das sei ja wertvolles Wissen. Chrupalla insinuierte, noch heute würden Stasi-Methoden gegen die Bürger angewandt. Die Grüne Britta Haßelmann rief: „Ist das die ,Flügel’-Rede für den Parteitag? Meinen Sie, damit kriegen Sie ein paar Stimmen mehr von den Rechtsextremen?“

Den Eindruck, dass Chrupalla sich um die Stimmen des „Flügels“ bemüht, haben sie auch in der AfD. Nur glaubt man hier nicht, dass Chrupalla die nationalsozialen Positionen des „Flügels“ teilt, dazu sei er in Wirtschaftsfragen zu liberal.

„Großmeister der sehr pointierten Formulierung“

Bei Chrupallas gefährlichstem Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz kann von einem gemäßigten Auftreten keine Rede sein. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio nennt vollverschleierte Musliminnen einen „schwarzen Sack, ein Sack, der spricht“. Und von ihm stammt der Ausspruch: „Masseneinwanderung ist auch Messereinwanderung.“ Der Physiker und Kirchenmusiker wird im Netz für seine demagogischen Beiträge gefeiert. In der AfD-Spitze rechnen sie zwar nicht mit einem Sieg Curios, aber eine scharfe Rede könnte ihn dennoch ins Amt katapultieren.

AfD-Chef Jörg Meuthen, der innerhalb der Doppelspitze im Amt bestätigt werden will, macht das offenbar keine Sorgen. Er sagt, dass er mit Curio als Ko-Parteichef kooperieren würde und bezeichnete ihn als „Großmeister der sehr pointierten Formulierung.“ Von Curio ist angesichts seiner vergangenen Äußerungen kaum zu erwarten, dass er als Parteivorsitzender eine Abgrenzung vom rechten Rand vorantreiben würde.

Eher geringe Chancen auf den Parteivorsitz zugerechnet werden unterdessen der niedersächsischen Landeschefin Dana Guth und der Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst, die jüngst mit einem Vergleich zwischen Merkel und Hitler provozierte.

Zwei Anträge sorgen für Diskussionen

Neben den beiden Chefposten wird der gesamte Bundesvorstand der AfD neu gewählt. Einen entscheidenden Einfluss auf den künftigen Kurs der Partei wird auch haben, wie viele Vertreter der „Flügel“ in das 13-köpfige Gremium bekommt.. In NRW ist vor einigen Wochen ein – wie es intern heißt – „Flügel“-freier Landesvorstand gewählt worden. Das wollen die „Flügler“ für den Bundesvorstand um jeden Preis verhindern. Mindestens „Flügel“-Strippenzieher Andreas Kalbitz, derzeit Beisitzer und wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit in der Kritik, dürfte es aber wieder schaffen. Für Frank Pasemann, ebenfalls bekennender „Flügler“ im derzeitigen Bundesvorstand, könnte es dagegen eng werden.

Für Diskussionen dürften auf dem Parteitag außerdem zwei Anträge sorgen: Die AfD soll nach dem Wunsch einiger Mitglieder entscheiden, ob Anhänger der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ künftig in die Partei aufgenommen werden dürfen. In dem Antrag heißt es: „Die Identitäre Bewegung Deutschlands besteht aus vielen jungen Patrioten, die sich, genau wie die AfD aus Sorge vor der Zukunft Deutschlands gegründet hat.“ Die Bewegung müsse daher von der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der Partei gestrichen werden. Derzeit gilt: Wer den Identitären, der NPD oder anderen Gruppierungen, die auf dieser Liste stehen, angehört hat, darf nicht Mitglied der AfD sein. Ein zweiter Antrag sieht gleich die Abschaffung der ganzen Liste vor. Dass das durchkommt, gilt als unwahrscheinlich. Aber aufgeben werden die ganz Rechten in der Partei das Ansinnen deshalb nicht.

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