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Der britische Tory-Abgeordnete Greg Hands vertritt seit 2010 den Londoner Wahlkreis Chelsea and Fulham.

© Niklas Halle/AFP

Neuwahl in Großbritannien: „Die Briten sind noch nicht entschieden"

Der Tory Greg Hands sieht in der Abstimmung im Dezember eine Persönlichkeitswahl. Er glaubt, dass die Briten Johnson gegenüber Labour-Chef Corbyn bevorzugen.

Der britische Tory-Abgeordnete Greg Hands geht nach der Entscheidung des Unterhauses, am 12. Dezember eine vorgezogene Neuwahl abzuhalten, von einem schwierigen Wahlkampf aus. Die Analyse der 53-Jährigen lautet: Zwar liegen die Konservativen in den Umfragen in Führung, doch dies muss nicht zwangsläufig auf einen Sieg der Partei von Premierminister Boris Johnson hinauslaufen.

Herr Hands, die Briten wählen am 12. Dezember ein neues Parlament. Freuen Sie sich schon auf den Wahlkampf?

Ich hoffe, dass sich am 12. Dezember endlich ein Lösungsweg beim Brexit aufzeigt. Der Wahlkampf wird sehr schwierig werden. Es wird in den kommenden Wochen nicht nur um den Brexit gehen, sondern auch um die Alternative zwischen Regierungschef Boris Johnson und dem Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Das sind zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Corbyn wäre der schlimmste Premierminister aller Zeiten. Was Boris Johnson anbelangt, so habe ich bei der parteiinternen Abstimmung seinen Rivalen unterstützt, den früheren Außenminister Jeremy Hunt. Aber Boris Johnson hat in den letzten drei Monaten eine ziemlich gute Leistung abgeliefert.

Sowohl Johnson als auch Corbyn sind in der Öffentlichkeit umstritten.

Ich denke, dass für die meisten Briten Boris Johnson der sehr viel attraktivere Kandidat ist. Boris Johnson wird nicht von allen geliebt, seine Persönlichkeit findet nicht überall Gefallen. Aber er war früher als Bürgermeister von London sehr erfolgreich. Auch in meinem Wahlkreis war er sehr beliebt.

Sie vertreten den Londoner Wahlkreis Chelsea and Fulham. Müssen Sie dort als Tory nicht mit der Skepsis jener Wähler rechnen, die den Verbleib Großbritanniens in der EU wünschen?

Das Brexit-Thema lässt sich nicht auf die Frage „Gehen oder bleiben?“ reduzieren. Beim EU-Referendum von 2016 habe ich die örtliche Remain-Kampagne geleitet. In meinem Wahlkreis haben damals 70 Prozent für Remain gestimmt und 30 Prozent für Leave. Aber die Lage hat sich in der Zwischenzeit geändert. Ich schätze, dass in meinem Wahlkreis etwa zehn Prozent für einen No-Deal-Brexit sind und 30 Prozent für einen weiteren Verbleib in der EU. Aber die Mehrheit ist inzwischen für eine Brexit-Lösung. Sie verstehen, dass die Mehrheit der Briten bei einer demokratischen Abstimmung im Jahr 2016 für den Austritt gestimmt hat. Dieser Austritt muss vollzogen werden. Aber auf eine Art und Weise, die ein gutes Verhältnis mit der Europäischen Union und den EU-Mitgliedstaaten sicherstellt.

Befürchten Sie, dass es nach der Wahl keine klaren Mehrheitsverhältnisse im britischen Parlament gibt?

Damit wäre niemandem geholfen. Besser wäre es, wenn die Konservativen mit einer klaren Mehrheit aus der Wahl hervorgehen. Dann könnten sie den Austrittsvertrag, den Boris Johnson und die EU gemeinsam verhandelt haben, durchs Parlament bringen. Die erste Etappe beim Brexit läge dann hinter uns, und danach könnten wir bei der Gestaltung des künftigen Verhältnisses zur EU weitermachen.

Welche Themen werden im Wahlkampf neben dem Brexit noch eine Rolle spielen?

Viele Wähler im ganzen Land treibt die Zukunft des Gesundheits- und Erziehungssystems um. Auch die Themen Steuern, Kriminalitätsbekämpfung sowie die Ausstattung der Polizei spielen eine große Rolle. Schließlich kommen noch der Klimaschutz und die Umwelt hinzu.

Gegenwärtig liegen die Tories in den Umfragen vorne. Aber bei der letzten Parlamentswahl 2017 war das auch so – und doch schmolz der Vorsprung der Konservativen auf den letzten Metern bis zur Wahl zusammen. Könnte sich das diesmal wiederholen?

Die Briten sind noch nicht entschieden. Das zeigen die gegenwärtigen Meinungsumfragen. Deshalb könnte die Wahl für die Tories gefährlich werden. Derzeit liegen wir mit zehn bis 15 Prozentpunkten vor der Labour-Partei in Führung. Aber wir kommen nicht über 35 bis 40 Prozent hinaus. In dieser Situation könnte es für uns gefährlich werden, falls die anderen Parteien in verschiedenen Landesteilen Mehrheiten gegen uns organisieren sollten: die schottische Nationalpartei SNP in Schottland, die Liberaldemokraten in Südengland, die Labour-Partei in Nordengland und Wales. Aber angesichts des Vorsprungs von Boris Johnson bei der persönlichen Beliebtheit sind wir in einer guten, wenn auch nicht perfekten Position.

Und was ist mit der Brexit-Partei?

Die Tatsache, dass Boris Johnson sein Versprechen nicht einlösen konnte, den Austritt aus der EU zum 31. Oktober zu vollziehen, wird wahrscheinlich zu einigen Stimmenverlusten an die Brexit-Partei führen. Aber Wahlen werden in der Mitte gewonnen.

Wagen Sie eine Prognose, wann Großbritannien aus der EU austritt?

Spätestens am 31. Januar 2020, wenn Boris Johnson die Wahl gewinnt. Aber wenn es keine klaren Mehrheitsverhältnisse geben oder Corbyn Premierminister werden sollte, dann wäre alles offen.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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