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Was hätten die großen Persönlichkeiten der SPD zum Ende der Historischen Kommission gesagt? In der Mitte August Bebel, links hinten Friedrich Ebert.

© SPD-Archiv/promo

Neues Geschichtsforum: Die SPD will wieder Ort der Debatte werden

Ein Proteststurm brach über die SPD-Führung herein, als sie im Sommer die Historische Kommission auflöste. Nun schafft sie ein neues Gremium.

Von Hans Monath

Die SPD muss dringend wieder etwas gut machen, und nun bemüht sie sich zumindest. Ein intellektueller Proteststurm brach aus, als die Parteiführung im vergangenen Sommer neben anderen Arbeitskreisen und Kommissionen ihrer Historischen Kommission (HiKo) den Garaus machte, weil sie nach mehreren Wahlniederlagen schlicht Geldsorgen plagten.

Mehr als 1000 Historiker und andere Interessierte unterzeichneten einen offenen Brief an SPD-Chefin Andrea Nahles, den die in Amsterdam lehrende Historikerin Christina Morina geschrieben hatte. In dem Aufruf unter dem Titel „Ohne Geschichte keine Zukunft" forderten sie eine Revision der Entscheidung. Die Abschaffung der Kommission nannten sie einen "schweren politischen Fehler", der mit Blick auf die Selbsterneuerung der SPD, auch auf die liberale Demokratie des Landes ein "fatales Zeichen" setze. Zu den Unterzeichnern gehörten Koryphäen des Faches, unter anderen Wolfang Benz, Norbert Frei, Rebekka Habermas, Jürgen Kocka, Paul Nolte und Andreas Wirsching. Die Verstörung war um so größer, weil das Willy-Brandt-Haus zunächst kaum reagierte. Kein Mitglied des Parteivorstands antwortete der Historikerin Morina, stattdessen erhielt sie ein Scheiben der "Direktkommunikation" des Parteivorstands.

Schatzmeister Dietmar Nietan, der nach der HiKo-Auflösung zum Beauftragten für historische Fragen ernannt worden war, will bald eine Nachfolgeorganisation vorstellen. Er hat nun Einladungen an Historiker und Politiker versandt, die dem neuen "Geschichtsforum in der SPD" angehören sollen. Das Gremium soll jünger und weiblicher werden als die 1981 auf Vorschlag des damaligen SPD- Bundesgeschäftsführers Peter Glotz gegründete HiKo, der zuletzt mehr als zwei Dutzend Wissenschaftler angehörten.

Nietan deutet die Kritik als Ausdruck von Interesse und Anteilnahme. Der Schatzmeister verbindet große Ziele mit der Neugründung, die der Vorstand offiziell Mitte Februar beschließen soll. „Ich erhoffe mir neue Impulse für die SPD, die uns anschlussfähig für intellektuelle Diskurse machen. Die spannenden Debatten müssen wieder bei uns geführt werden", sagte er dem Tagesspiegel. Doch wer sich unter Historikern umhört, die der SPD nahestehen oder Parteimitglieder sind, stellt fest, dass die Parteispitze wohl so viel Porzellan zerschlagen hat, dass die Neugründung dies kaum mehr gutmachen kann. "Schofelig und beschämend" sei der Umgang mit den Wissenschaftlern, die sich in der HiKo lange vergeblich um Gespräche mit der Parteispitze bemüht hätten, heißt es. Ein renommierter Lehrstuhlinhaber, der viel Arbeit in die SPD investiert hat, kommt zum Schluss, es handle sich um eine "intellektuell desinteressierte Partei".

Nietan weiß um die Vorbehalte und auch um den Verdacht, er wolle einen Kreis wissenschaftlicher Parteisoldaten aufbauen. "Wir wollen kein Gremium schaffen, das ein Weisungsempfänger des SPD-Parteivorstands ist", versichert er. "Im Gegenteil: Seine Mitglieder sollen eigenständig und eigensinnig sein." Die SPD wolle sich auch mit Thesen auseinandersetzen, "die uns herausfordern".

Protestbrief-Initiatorin Morina, die der SPD nicht angehört, nennt die Initiative jedenfalls "erfreulich", und nimmt die Einladung zu einer ersten Sitzung "gern an". Angesichts der Sorgen um die Grundlagen des demokratischen Miteinanders seien „feste Strukturen nötig, um die Tradition eines kritischen Umgangs mit der deutschen Geschichte verteidigen zu können und überdies auch die Idee der sozialen Demokratie insgesamt wieder zu stärken“, sagte sie dieser Zeitung. Es müsse sich nun zeigen, was das neue Gremium "mit Blick auf diese Herausforderungen tun kann".

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