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Der Eigenanteil ist nun für alle Bewohner desselben Heims gleich - unabhängig vom Grad der Pflegebedürftigkeit.

© Jens Wolf/dpa

Neuerungen im Jahr 2017: Was sich durch die Pflegereform ändert

Zum neuen Jahr sind einige Änderungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in Kraft getreten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zum Jahreswechsel hat sich enorm viel für die 2,7 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland und ihre Angehörigen geändert. Nach längerem Vorlauf tritt die weitreichendste Reform in Kraft seit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995. Es gibt nicht nur höhere Leistungen und deutlich mehr Anspruchsberechtigte. Mit einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, anderen Einstufungskriterien und dem Abschied von der rein körperbezogenen Verrichtungspflege wird das bisherige System komplett umgebaut.

Pflegegrade statt Pflegestufen
Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es nun fünf so genannte Pflegegrade. Außerdem gilt ein neuer, viel weitergehender Pflegebedürftigkeitsbegriff. Entscheidend für die Leistungen ist nicht mehr wie bisher der minutengetaktete Hilfsbedarf bei Körperpflege, Mobilität und Ernährung, sondern wie „selbstbestimmt und selbstständig“ der Antragsteller noch leben kann. Dadurch rücken Menschen mit Demenz und anderen alterstypischen psychischen Erkrankungen die körperlich noch ganz gut beieinander sind, weit stärker in den Fokus – und der künftige Pflegegrad 1 greift entsprechend früher als die bisherige Pflegestufe 1. Ansonsten „wandern“ die bisher schon Leistungsberechtigten im neuen System bei körperlicher Beeinträchtigung in der Regel um einen Grad, bei demenzieller Erkrankung um zwei Grade nach oben.

Einstufungskriterien
Die Gutachter fragen und prüfen nun ganz anders. Sie wollen wissen, ob die Betroffenen noch alleine leben können, worin sie unterstützt werden müssen, wie sich ihre Selbstständigkeit im Alltag erhalten lässt. Sind sie imstande, ihre Medikamente selber einzunehmen, zum Arzt zu gehen, sich im Alltag zurechtzufinden? Haben sie Umgang mit anderen Menschen, lassen sie sich helfen, sind sie aggressiv? Für all dies gibt es künftig sechs Einzelbewertungen. Gemessen werden das Maß der Selbstversorgung und der Mobilität, die geistigen und kommunikativen Fähigkeiten, die Fähigkeit zu Alltagsgestaltung und sozialen Kontakten. Für jeden dieser Bereiche werden Punkte vergeben. Die Gesamtzahl entscheidet über den Pflegegrad.

Automatische Eingruppierung

Die Überleitung in die neuen Pflegegrade erfolgt automatisch, die Betroffenen werden schriftlich informiert. Jedoch müsste diese Umstellung mittlerweile abgeschlossen sein. Wer bisher keinen Bescheid erhalten hat, sollte sich daher bei seiner Pflegekasse melden.

Höhe der Leistungen
In den meisten Fällen erhöhen sich die Leistungen. So steigt der Maximalbetrag des Pflegegeldes, das die Pflegekassen für ambulant Pflegebedürftige zahlen, von 728 Euro (Pflegestufe 3) auf 901 Euro (Pflegegrad 5) pro Monat. Bei vollstationärer Versorgung fließen in der höchsten Stufe nun 2005 statt bisher 1995 Euro. Für Heimbewohner allerdings steigen die Leistungsbeträge nur in den oberen Pflegegraden. Beim Vergleich von der Pflegestufe 1 mit dem Pflegegrad 2 dagegen schmilzt der prognostizierte Leistungsbetrag für Heimbewohner von 1064 auf 770 Euro. Und wer im Heim statt der Pflegestufe 2 den Pflegegrad 3 erhält, bekommt nur noch 1262 anstelle der bisherigen 1330 Euro. Für alle bisherigen Leistungsbezieher gibt es jedoch einen Bestandsschutz. Sie haben die Garantie, dass sich ihre Leistungen durch die Reform nicht verschlechtern. Das gilt sogar für Pflegebedürftige, die sich in der Hoffnung auf eine Besserstellung neu begutachten lassen und aufgrund des Ergebnisses weniger erhalten würden. Zudem kommen deutlich mehr Menschen an Pflegeleistungen als bisher. Schon im ersten Jahr der Umstellung steigt die Zahl der Leistungsberechtigten nach Regierungsschätzungen um rund 200 000. Mittelfristig sei von einer Zunahme von bis zu 500 000 auszugehen. Betroffen von der Ausweitung ist vor allem der niedrigste Pflegegrad.

Heimversorgung
Jeder Bewohner dort hat künftig neben der Pflege auch Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote wie Spaziergänge oder Vorlesen. Und der Eigenanteil hängt künftig nicht mehr vom Grad der Pflegebedürftigkeit ab, sondern ist für alle Bewohner desselben Heimes gleich. Dadurch muss keiner mehr ein finanzielles Interesse daran haben, in einem niedrigeren Pflegegrad zu bleiben. Im Schnitt sind für den Eigenanteil 580 Euro pro Monat angepeilt. Bisher zahlen Heimbewohner abhängig von ihrer Pflegestufe und dem jeweiligen Heimbetreiber 460 bis 900 Euro aus eigener Tasche. Allerdings kommt der Anteil für Verpflegung und Unterkunft noch obendrauf.

Pflege zuhause
Neben den deutlich höheren Sätzen gibt es nun auch einen zweckgebundenen Betrag von bis zu 125 Euro im Monat für Alltagshilfen oder die Entlastung pflegender Angehöriger. Pflegebedürftige, die zuhause leben, kommen zudem leichter an Gehhilfen, Badewannenlifter oder Duschstühle: Wenn der Medizinische Dienst solche Hilfsmittel empfiehlt, müssen sie nicht mehr gesondert beantragt werden. Für Verbrauchsprodukte wie Betteinlagen oder Einmalhandschuhe fließen bis zu 40 Euro im Monat. Und für Umbauten wie leichter zugängliche Duschen oder breitere Türen werden pro Maßnahme bis zu 4000 Euro gewährt.

Pflegende Angehörige
Die Regierungskoalition möchte, dass Pflegebedürftige möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben können – zum einen weil das billiger ist, zum andern weil die meisten Betroffenen den Wunsch haben. Ab dem Pflegegrad 2 werden pflegenden Angehörigen deshalb künftig Beiträge zur Rentenversicherung (gestaffelt nach Pflegegrad und Leistungsbezug) und Arbeitslosenversicherung bezahlt, zudem sind sie während ihrer Pflege gesetzlich unfallversichert. Wer gleichzeitig berufstätig ist, erhält bis zu zehn Tage Lohnersatz. Er kann seine Arbeitszeit auch bis zu zwei Jahre lang reduzieren. Und die Angehörigen können sich nun bis zu sechs Wochen im Jahr eine Auszeit nehmen (Verhinderungspflege). Über die Pflegekasse steht ihnen zudem ein kostenloser Pflegekurs zu.

Finanzierung der Reform
Über eine neuerliche Beitragserhöhung soll die Reform finanziert werden. Nachdem der Satz bereits Anfang 2015 um 0,3 Punkte heraufgefahren wurde, stieg er zum Januar 2017 um weitere 0,2 Punkte. Damit liegt er nun bei 2,55 Prozent, Kinderlose zahlen 2,8 Prozent . Insgesamt beschert die Koalition der Pflegeversicherung auf diese Weise jährlich fünf Milliarden Euro mehr – ein Plus von 20 Prozent.

Weiteres Pflegegesetz
Dabei geht es vor allem um eine bessere Beratung. 60 Modellkommunen testen aus, ob es Vorteile bringt, wenn sich Pflegekassen, Selbsthilfeeinrichtungen oder Mehrgenerationenhäusern enger vernetzen und die Kommunen Beratung „aus einer Hand“ offerieren. Dieser Probelauf dauert fünf Jahre. Zudem sieht das Gesetz den Aufbau weiterer Unterstützungs- und Entlastungsangebote vor. Über die Pflegeversicherung werden sie mit bis zu 25 Millionen Euro gefördert. Des weiteren erhalten die Pflegekassen, um Betrügereien durch Pflegedienste zu erschweren, ein systematisches Prüfrecht mit mehr unangemeldeten Kontrollen. Es umfasst nun auch Pflegedienste, die nur Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringen.

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