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"Nicht mein Präsident" - ein Demonstrant am Freitag in Algier.

© Toufik Doudou/dpa

Neuer Präsident Abdelmadjid Tebboune: Massenproteste begleiten Wahl in Algerien

Ohne Wahlbeobachter und internationale Journalisten ist am Freitag in Algerien gewählt worden. Viele sehen im neuen Präsidenten die alte Machtelite.

In Algerien ist der frühere Regierungschef Abdelmadjid Tebboune unter Massenprotesten zum Präsidenten gewählt worden. Nach offiziellen Angaben erreichte Tebboune bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit mit 58 Prozent der Stimmen, wie die Nationale Wahlbehörde ANIE am Freitag mitteilte. Die Wahl sei in einer feierlichen Atmosphäre verlaufen, wie es sie seit der Unabhängigkeit von Frankreich nicht mehr gegeben habe, sagte der Präsident der Wahlbehörde, Mohamed Charfi, bei einer Pressekonferenz.

Im Medienzentrum gab es Applaus, als das Ergebnis verkündet wurde. Kurz nach der Bekanntgabe gingen in Algier mehrere zehntausend Menschen auf die Straße und protestierten.

Das Stadtzentrum von Algier war voller Menschen, die lautstark gegen die Wahl protestierten. Die Demonstranten sehen in Tebboune die Fortsetzung der alten Machtelite und eine Marionette des Militärs. In den Städten Oran und Sidi Bel Abbès gab es nach Angaben von Aktivisten zahlreiche Festnahmen bei Demonstrationen. Neben der Hauptstadt Algier wurde auch in weiteren Städten gegen den Ausgang der Wahl protestiert.

Wahlbeobachter waren nicht eingeladen

Die Wahl im flächenmäßig größten afrikanischen Land war hochumstritten. Wahlbeobachter der EU waren nicht zur Überwachung der Wahl eingeladen. Mehrere internationale Journalisten bekamen kein Visum, um direkt aus dem Land über die Wahl zu berichten. Auch am Wahltag selbst gab es erneut Massenproteste gegen die Abstimmung. Als Demonstranten versuchten, ein Wahlbüro im Stadtzentrum zu schließen, setzte die Polizei Tränengas gegen die Demonstranten ein.

nAbdelmadjid Tebbouwe wurde mit 58 Prozent gewählt.
nAbdelmadjid Tebbouwe wurde mit 58 Prozent gewählt.

© Farouk Batiche/dpa

Die Wahlbeteiligung wurde insgesamt mit knapp 40 Prozent angegeben und liegt damit deutlich hinter früheren Wahlen zurück. In mehreren Regionen im Osten Algeriens, der von Berbern dominiert ist, wurden die meisten Wahlbüros am Donnerstag jedoch aus Sicherheitsgründen von der Wahlbehörde geschlossen. Demonstranten hatten dort Wahllokale gestürmt und die Urnen und Wahlzettel aus den Fenstern geworfen. In der Stadt Bouira setzten Demonstranten das Büro der nationalen Wahlbehörde in Brand, wie auf Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen war.

Kritik an "Korruption und Vetternwirtschaft"

Die Wahl war notwendig geworden, weil der bisherige Präsident Abdelaziz Bouteflika im April nach Massenprotesten gegen ihn und die Führung des Landes nach 20 Jahren im Amt zurückgetreten war. Die Demonstrationen hielten jedoch an, so dass eine geplante Neuwahl im Sommer verschoben werden musste. Algerien kämpft mit großen wirtschaftlichen Problemen. Die Demonstranten werfen der Regierung um Wirtschaftseliten und Militär Korruption und Vetternwirtschaft vor. Zudem sehen die Demonstranten die Wahl als staatlich gelenkt an.

VW stellt Produktion im algerischen Werk ein

Die politische Krise in Algerien hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaft im Land. Der deutsche Autokonzern Volkswagen teilte mit, dass die Produktion im algerischen Montagewerk, wie auch Lieferungen an den offiziellen Vertriebspartner im Land eingestellt worden seien. Hintergrund sind Korruptionsermittlungen gegen den Geschäftsführer des algerischen Unternehmens Sovac, Mourad Oulmi. Das Unternehmen ist seit 1999 Vertriebspartner von Volkswagen. Das Montagewerk in Algerien wird in einem Joint Venture betrieben, an dem Volkswagen fünf Prozent der Anteile besitzt. Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Volkswagen AG sind dem deutschen Autokonzern nicht bekannt.

Soziale Versprechungen im Wahlkampf

Der neugewählte Präsident Tebboune gilt als Vertrauter von Armeechef Ahmed Gaid Salah. Der 74 Jahre alte Tebboune hatte immer wieder bestritten, von der Armee unterstützt zu werden. Tebboune ist Mitglied der algerischen Regierungspartei FLN des zurückgetretenen Präsidenten Bouteflika. Er hatte seit 1999 mehrere Ministerämter inne und war 2017 kurzzeitig Regierungschef. Tebboune hatte mit sozialen Versprechungen Wahlkampf gemacht. Er will die Wirtschaft diversifizieren, die Arbeitslosigkeit vor allem von jungen Menschen reduzieren und den Zugang zu Wohnungen verbessern.

Tebboune kündigt Dialog an

In einer Pressekonferenz am Freitagabend rief Tebboune zum Dialog mit der Protestbewegung auf. Es solle eine tiefgreifende Reform der Verfassung geben. In einer neuen Regierung sollen künftig auch Minister unter 30 Jahren beteiligt werden.

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