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Präsident Xi nimmt die Militärparade zum 90. Geburtstag der Volksbefreiungsarmee ab.

© picture alliance / Uncredited/CC

Neuer kalter Krieg: Europa muss auf Chinas Rüstungsoffensive reagieren

Die Demokratien in Asien sehen Pekings wachsende Militärausgaben mit Sorge. Deutschland und Europa können Dreierlei tun, um ihnen zu helfen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

China ist eine Chance. Und eine Gefahr. Zwei Zahlen lassen zu Beginn des Volkskongresses aufhorchen. Peking plant, trotz Corona, mit sechs Prozent Wachstum. Und mit einer noch höheren Steigerung des Militäretats: 6,8 Prozent

Das Wachstum und die Chancen, davon zu profitieren, haben Europa und Export-Champion Deutschland seit Jahrzehnten fasziniert. Dass hiesige Medien sich ebenso für Chinas Rüstung interessieren, ist neu. Für Europa ist Pekings Militär keine direkte Bedrohung, wohl aber für die asiatischen Nachbarn. Das wird nun mit wachsender Sorge wahrgenommen.

Die Gründe dafür liegen vor allem in Peking. Ökonomisch ist China nun so stark wie die EU und die USA. Es nimmt immer weniger Rücksicht auf internationale Regeln, Verträge und die Interessen anderer.

Warnungen vor einem kalten oder gar heißen Krieg

Peking weitet Hoheitsansprüche aus, droht Taiwan, schreddert die Demokratie in Hongkong, unterdrückt Tibeter und Uiguren. China ist der größte Klimasünder, tut aber wenig, um das zu ändern, und vertröstet mit der vagen Ankündigung, 2060 klimaneutral zu werden.

Da spitzen sich mehrere Konflikte zu. Experten warnen inzwischen regelmäßig vor einem neuen Kalten Krieg, manche gar vor einem heißen Krieg. Vier Fragen drängen sich auf: Lässt sich der Frieden retten, wie kann das gelingen und wem? Sowie: Was ist Europas und Deutschlands Rolle?

Furcht vor einer "Pax Sinica": Friedhofsruhe nach Chinas Regeln

Die Demokratien in Asien – Japan, Australien, Neuseeland, Südkorea und Indien, das China militärisch unterlegen ist wie kürzlich ein Konflikt im Himalaja zeigte – fürchten, dass Peking mit der Zeit eine „Pax Sinica“ erzwingen möchte. Friedlich und kooperativ bleibt China nur, wenn die Nachbarn sich seinen Regeln beugen und keine Kritik üben, sei es an der Coronapolitik oder dem Umgang mit Dissidenten. Sonst antwortet Peking mit Sanktionen, politischem und militärischem Druck.

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Meinungsfreiheit und Menschenrechte würden dann in Asien nur noch eingeschränkt gelten. Ihre Hoffnungen richten Chinas Nachbarn auf Europa. Der Kurs der USA unter Donald Trump war ihnen zu konfrontativ. Der forderte „Decoupling“, ein Ende der Wirtschaftskooperation mit China. Das wollen weder Asien noch Europa.

Hoffen auf Eindämmung Pekings durch Europa und die USA

China, so die Analyse der Demokratien dort, verfolgt unter Präsident Xi imperialistische Ziele, riskiert aber keinen Krieg, weil der das Wachstum gefährdet, das die Partei braucht, um sich die Gefolgschaft der Bevölkerung zu sichern. Sie erwarten eine gemeinsame Strategie Europas und der USA zur Eindämmung Chinas durch politischen Druck und militärische Präsenz.

Peking kalkuliere Kosten und Nutzen seines Handelns. Könnte es das demokratische Gegenmodell in Taiwan durch Annexion eliminieren, ohne Krieg zu riskieren, würde Peking das wohl tun. Solange die USA Taiwan schützen, bleibt das ein Fernziel.

Für Europa ist Chinas Militär keine unmittelbare Gefahr. Die überproportionale Steigerung der Militärausgaben mit dem Ziel, die ganze Region der Hegemonie Chinas zu unterwerfen, bedroht aber Europas Interesse an der Geltung und Ausweitung von Demokratie, Menschenrechten und Wirtschaftsfreiheit.

Was Deutschland tun kann

Dreierlei können die EU und Deutschland für den Frieden in Asien tun. Erstens, ein Bündnis mit den Demokratien dort schließen. Zweitens, eine gemeinsame Chinastrategie mit den USA ausarbeiten; die Wende von Trump zu Joe Biden macht’s möglich.

Drittens eine KSZA aufbauen: eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Asien nach dem Vorbild der KSZE. Die sicherte im Systemkonflikt mit der Sowjetunion Frieden und Freiheit in Westeuropa durch Gewaltverzicht, Abrüstung, vertrauensbildende Maßnahmen inklusive roter Telefone und Einblick ins Militär. China verdient Einbeziehung und Respekt, nicht aber Toleranz für imperiale Hegemonieansprüche.

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