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Friedrich Merz (l.), ehemaliger Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Generalsekretärin, und Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

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Update

Neuer CDU-Vorsitz: Warum die Migrationspolitik den Machtkampf in der CDU dominiert

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lobt in Berlin den Wettbewerb um den Partei-Vorsitz. Doch die Sorgen wachsen, dass der Ton zu rau wird.

Einige hätten schon gar nicht mehr daran geglaubt. Aber die CDU lebt. Das sagte am Sonntag einer, der es wissen muss: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, CDU-Mitglied seit 1961 und seit fast einem halben Jahrhundert Parlamentarier.

Bei einer Veranstaltung der Katholischen Akademie in Berlin begrüßte Schäuble ausdrücklich, dass in seiner Partei gerade ein Machtkampf um den Vorsitz geführt wird. Der Wettbewerb zwischen den drei aussichtsreichsten Kandidaten, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem ehemaligen Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Friedrich Merz, zeige eins, sagte Schäuble: nämlich, wie „lebendig“ es in seiner Partei gerade zugehe.

Umfragen sehen Kramp-Karrenbauer vorn

Tatsächlich ist in diesen Tagen viel Bewegung im Rennen um den CDU-Vorsitz – mit wechselnden Favoriten. Einst galt Spahn als Mann der Zukunft. Dann führte Merz kurze Zeit die Umfragen an, jetzt liegt Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer vorn.

In knapp zwei Wochen stimmt der CDU-Parteitag in Hamburg über den Vorsitz ab. Der Druck auf die Kandidaten wächst, sich von den anderen abzusetzen. Jeder will mit einem eigenen Profil glänzen und die anderen in den Schatten stellen. Vor allem eine Frage muss jeder der drei Bewerber schlüssig beantworten können: Wie sie es schaffen wollen, der CDU nach der Ära Merkel ihren Markenkern als konservative Partei der Mitte zurückzugeben. Keine leichte Aufgabe.

Schwere Vorwürfe gegen Friedrich Merz

Kein Wunder, dass der Ton in der parteiinternen Auseinandersetzung schärfer wird. So hat AKK, wie Annegret Kramp-Karrenbauer in der Union genannt wird, ihrem Mitbewerber Merz schwere Vorwürfe gemacht. Der habe der CDU einen „Schlag ins Gesicht“ verpasst, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Merz hatte zuvor geklagt, viele in der CDU hätten den Aufstieg der AfD „mit Achselzucken“ hingenommen. Zugleich stellte Merz Rettung in Aussicht: Als CDU-Chef werde er dafür sorgen, die Wahlergebnisse der Rechtspopulisten zu halbieren. „Naiv“ sei das, konterte Kramp-Karrenbauer.

Merz steckt damit zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage schwere Kritik ein. Auf einer CDU-Regionalkonferenz in Thüringen hatte er vergangene Woche eine Debatte über das deutsche „Asyl- Grundrecht“ gefordert. Diese sei nötig, wenn die Migrationspolitik in Zukunft auf EU-Ebene verhandelt werden sollte, sagte Merz. Spahn und Kramp- Karrenbauer wehrten sich gegen eine Änderung des Asylrechts. Weil auch in der Union die Empörung über seine Aussagen groß war, musste Merz kurz darauf zurückrudern und sprach sich für die „Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl“ aus.

Reizthema UN-Migrationspakt

Wolfgang Schäuble nahm Merz am Sonntag in Schutz. Die Atmospähre auf Veranstaltungen wie der Regionalkonferenz in Thüringen sei „spezifisch“, sagte Schäuble. Es gehe dort emotional und hitzig zu – und nicht „wie bei einem evangelischen Gottesdienst am Totensonntag.“ Merz’ Aussagen seien „nicht falsch“, allenfalls juristisch etwas ungenau.

Dass Schäuble Merz unterstützt, gilt als offenes Geheimnis. Das zeigte sich auch am Sonntag, als der Bundestagspräsident den Merz-Konkurrenten Spahn indirekt in die Schranken wies – ohne jedoch den Gesundheitsminister beim Namen zu nennen. Spahn hatte gefordert, den UN-Migrationspakt beim CDU-Parteitag im Dezember zur Abstimmung zu stellen.

Merz und Kramp-Karrenbauer halten nichts davon – genau so wie Schäuble. Der verteidigte den UN-Vertrag, den vor allem AfD und Co. vehement ablehnen. „Wir dürfen uns nicht aus Angst vor Populisten zurückhalten“, forderte auch Kramp-Karrenbauer die Unterzeichnung des Vertrags. Schäuble betonte, das Regelwerk bringe der Bundesrepublik viele Vorteile und sei hierzulande ausreichend diskutiert worden. Eine erneute Debatte – wie von Spahn gefordert – schaffe nur „Erregungszustände, für die es keinen Grund gibt“.

Dennoch soll auf dem CDU-Parteitag im Dezember nach dem Willen der Parteispitze offiziell über den umstrittenen UN-Migrationspakt diskutiert werden. Der CDU-Vorstand beauftragte die Antragskommission des Delegiertentreffens in Hamburg nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Montag, das Thema aufzugreifen und zur Debatte beziehungsweise zur Abstimmung zu stellen.

Fraktionschef Brinkhaus macht sich Sorgen

An der Diskussion über die deutsche Migrationspolitik kommt im Wahlkampf um den CDU-Vorsitz niemand vorbei. Das Thema ist zentral für die Frage, wer die Partei in Zukunft führt. Nichts hat die Union in den vergangenen Jahren so bewegt wie die Flüchtlingspolitik – weder der Atomausstieg, noch die Ehe für alle oder die Abschaffung der Wehrpflicht. Das wissen auch die drei Top-Bewerber um Merkels Nachfolge. Deshalb wollen Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer jeweils einen eigenen Schwerpunkt in Sachen Zuwanderung setzen – und sich dabei auf unterschiedliche Weise von Kanzlerin Merkel abgrenzen.

Merz versuchte es mit dem Thema Asyl, was ihm jedoch möglicherweise mehr geschadet als genutzt hat. Spahn will mit seiner aktuellen Kritik am Migrationspakt punkten. Beide Politiker stehen in der Migrationspolitik für eine deutliche Abkehr von der Merkel-Linie. Und Kramp-Karrenbauer? Die verteidigt die Entscheidung der Bundeskanzlerin aus dem Flüchtlingssommer 2015 nach wie vor. Aber sie besteht auf der „konsequenten Rückführung“ abgelehnter Asylbewerber – „in absehbarer Zeit“ sogar in „bestimmte Regionen Syriens“. Im Gegensatz zu Merkel spricht Kramp-Karrenbauer sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft aus.

Bei so vielen Ideen für die Migrationspolitik geht in der CDU mittlerweile die Sorge um, dass die Diskussion über Zuwanderung aus dem Ruder läuft. Ralph Brinkhaus (CDU), Chef der Unionsfraktion im Bundestag, warnte bereits: „Generell sollten wir aufpassen, dass nicht die Flüchtlingspolitik die nächsten zwei Wochen bis zum Parteitag dominiert.“

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