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Armin Laschet ist der neue CDU-Chef.

© Imago Images/Osnapix

Neuer CDU-Chef: Laschets nächster Gegner ist sein eigenes Image

Eine gute Rede ja, ein klarer Kurs der Mitte. Aber die Lage für Armin Laschet und die CDU ist hochfragil. Nicht nur wegen der K-Frage. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Friedrich Merz wäre die falsche Wahl der CDU gewesen. Er hat es wie schon 2018 beim Parteitag in Hamburg „versemmelt“, wie Delegierte sagen, die Rede zu bieder und technokratisch, dazu die Angst vor zu viel "One-Man-Show" und Polarisierung. Und weibliche Delegierte überzeugt man nicht mit dem Verweis, dass seine Frau ihn wohl nicht vor 40 Jahren geheiratet hätte, wenn er die Frauen und ihre Belange nicht im Blick hätte.

Armin Laschet dagegen hat wie Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 mit einer emotionalen, persönlichen Rede überrascht. Er gibt den Johannes Rau der CDU: Versöhnen statt Spalten. Dazu die Geschichte vom Vater, der als Steiger unter Tage erfahren hat, was Vertrauen bedeutet. Authentisch, die Seele der Partei streichelnd.

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Und er verweist auf die Erstürmung des US-Kapitols, eine Warnung auch an Deutschland und die letzte große Volkspartei CDU. Man dürfe sich das Land nicht von Rechtsterroristen und von geistigen Brandstiftern kaputt machen lassen. Und er will an das Erbe von Angela Merkel anknüpfen.

Eine Frage der Vernunft

Für den Wahltag hat das gereicht. Letztlich gehen die Delegierten mit Armin Laschet auf Nummer sicher, eine Vernunftentscheidung. Auch wenn gar nichts sicher ist. Es ist von Wolfgang Schäuble ziemliche kleine Münze, wenn der Bundestagspräsident vor allem Merz wollte, da der mehr Rückenwind für die schwierige Landtagswahl in Baden-Württemberg bringen würde, wo die CDU mit Susanne Eisenmann den Grünen Winfried Kretschmann am 14. März ablösen will.

Geht das schief, zahlt das gleich negativ auf dem Konto des neuen CDU-Chefs mit ein. Und danach soll dann die K-Frage geklärt werden.

Und nun, Herr Söder?

Wenn dazwischen auch neue Probleme im Corona-Krisenmanagement beim nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet auftauchen, könnte der Wunsch, lieber CSU-Chef als Markus Söder zum Kanzlerkandidaten der Union zu machen übermächtig werden. Auch eine Angela Merkel hat das schon erlebt mit Edmund Stoiber. Statt nach Wolfratshausen müsste sich Laschet zum Frühstück nach Nürnberg aufmachen, und Söder die Kandidatur andienen.

Vielleicht wäre das aber das geringere Risiko, als selbst anzutreten. Bei ihm hat sich in der Öffentlichkeit ein Image verfestigt, das schwer so zu drehen sein dürfte, dass er der Union das Kanzleramt erhält. Aber Laschet hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt, auch gegen Hannelore Kraft galt er 2017 lange als chancenlos.

Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet spricht nach seiner Wahl.
Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet spricht nach seiner Wahl.

© Michael Kappeler/dpa

Die Lage der CDU ist viel unterm Strich fragiler, als es die Umfragen zeigen. Angela Merkel hat der Partei nochmal ins Stammbuch geschrieben: Es müssten jeden Tag aufs neue ausgleichende Antworten gefunden werden, um regierungsfähig zu bleiben – zwischen Generationen, Stadt und Land, Ökonomie und Ökologie.

Ein Verständnis für alle Teile der Gesellschaft. Merkel hat es immer gewusst, Markus Söder hat es inzwischen auch erkannt: Der Weg zum Erfolg ist der durch die Mitte. Dazu bekennt sich Laschet. Mit einem Mitte-Kurs wurde und ist die CDU ein Stabilitätsanker, doch der Anker drohte zuletzt abzureißen.

Laschet verspricht: Die Brandmauer zur AfD steht

Die AfD mag an Zustimmung verloren haben, sie bleibt aber die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Im Verbund mit Quer-, eher Nichtdenkern wird sie alles daran setzen, aus der Corona-Müdigkeit und den schweren ökonomischen Schäden und Jobverlusten politisches Kapital zu schlagen.

Sachsen-Anhalt und Thüringen haben gezeigt, wie dünn das Eis ist und die Brandmauer nach rechts alles andere als stabil. Es ging hier in der Tat nicht um eine regionale Frage, sondern um den Kern der CDU. Annegret Kramp-Karrenbauer ist daran gescheitert. In beiden Bundesländern wird dieses Jahr gewählt, ein Lackmustest für Laschet, ob er über die Autorität verfügt, die dortigen Landesverbände von Kooperationsgedanken abzubringen.

Verschiebung nach rechts könnte Partei bedrohen

Friedrich Merz wollte die AfD einst durch Annäherung an deren Politik halbieren, aber eine Verschiebung der CDU aus Merkels Mitte mehr nach rechts, könnte die ganze Partei in Gefahr bringen. Die Republikaner in den USA, die sich erst mit der Tea Party, dann mit Donald Trump eingelassen haben, werden sich davon vielleicht nie wieder erholen. Polarisierende Politik hat in Deutschland selten Erfolg gehabt.

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Und die SPD auf der anderen Seite muss schmerzlich erfahren, dass ein zu starkes Preisgeben des alten Kerns, zu viel Identitätspolitik, wenig Erfolg zeitigen. Genauso wenig wie ständige Zweifel am eigenen Führungspersonal. Die Partei kann ein Lied davon singen, wie es nach der Kanzlerschaft Gerhard Schröders bergab ging, seither hatte sie inklusive Doppel-, Dreier- und kommissarischer Spitzen 13 Vorsitzende.

Die CDU hat nun mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine Vorsitzende mit einer sehr kurzen Amtszeit gehabt. Ein Alarmzeichen. Laschet ist die Vernunftwahl, aber bisher überzeugt er nicht die breite Masse jenseits von Rhein und Ruhr. Und mit Jens Spahn hat er sich den vielleicht entscheidenden Partner in ein Tandem geholt, der sich schon bald mit eigenen Ambitionen nicht mehr zurückhalten dürfte. Vielleicht schon bei der Frage der Kanzlerkandidatur.

Auch andere CDU-Chefs wurden unterschätzt

Vielleicht ist es schon etwas Tradition, dass CDU-Führungsleute erst einmal unterschätzt werden, wie nun Laschet. Das galt für Helmut Kohl und für Angela Merkel ganz besonders. Hätte Gerhard Schröder nach seiner sensationellen Aufholjagd und dem Fast-Gleichstand mit der Union am Wahlabend nicht zu zu viel Weingläser geleert, und Merkel danach in der Elefantenrunde in den Senkel gestellt, wäre Merkel vielleicht in der gleichen Nacht von den eigenen Leuten gestürzt worden.

Nun ist sie über 15 Jahre Kanzlerin. Und hat nie die Lust verloren, gerade in Krisen neues zu lernen. Diese Akribie und Gewissenhaftigkeit sollte dem Nachfolger ein Beispiel sein. Sogar die Tutorials für die digitale Abstimmung schaute sie sich trotz Corona-Zuspitzung im Kanzleramt an, rubbelte die Zugangscodes auf und nahm als Delegierte an der Abstimmung teil.

Die nächsten 15 Jahre werden schwerer als die vergangenen

Ja, die nächsten 15 Jahren werden sicher noch schwerer und herausfordernder als die vergangenen 15. Fluch und Segen des Internets für westliche Demokratien, die Digitalisierung, der Klimawandel, die Konkurrenz zu China, Russland, die Umwälzungen durch die Künstliche Intelligenz, die vielen Globalisierungsverlierer, neue Migrationswellen, die Macht weniger Konzerne – und natürlich der Wiederaufbau nach Corona.

Die CDU hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, gerade nach der Sprachlosigkeit infolge des „Zerstörungs“-Videos des Youtubers Rezo, der die CDU als nicht mehr wählbar für junge Leute darstellte – es wurde bis heute 18 Millionen Mal geklickt. Seither ist die Partei viel reaktionsschneller geworden, moderner und selbstironischer – auch die Premiere eines ersten virtuellen Bundesparteitags mit digitaler Wahl des neuen Vorsitzenden hat geklappt. Das Fundament ist stark, und Laschet ist ein Integrierer. Aber die Fußstapfen und die Last nach der Ära Angela Merkel sind groß. Seine Chance ist aber: er wird oft unterschätzt.

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