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Gute Laune beim alten und beim neuen Präsidenten: Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue im Januar.

© Britta Pedersen/ dpa

Neuer Bundespräsident: Steinmeiers Truppe übernimmt Schloss Bellevue

Frank-Walter Steinmeier bringt ein Team von Vertrauten aus dem Auswärtigen Amt mit. Manche warnen: Als Bundespräsident will er weiter aktiv Außenpolitik betreiben.

Von Hans Monath

Wenn die Bundeswehr den Bundespräsidenten an diesem Freitagabend im Garten des Schlosses Bellevue mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet, wird Joachim Gauck noch etwas mehr als 24 Stunden im Amt sein. Denn erst am Sonntag übernimmt der langjährige Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Aufgabe des Staatsoberhaupts.

Der erfahrene SPD-Politiker kommt nicht alleine ins Schloss Bellevue. Seit bekannt wurde, dass er aus dem Auswärtigen Amt (AA) ein gut eingespieltes Team von Vertrauten mitbringt, argwöhnen in Berlin einige, er wolle das Präsidialamt zu einem kleinen AA umbauen und von dort aus Nebenaußenpolitik betreiben. Das allerdings wäre eine gewagte Auslegung der verfassungsrechtlichen Aufgaben des Bundespräsidenten.

Wahr daran ist, dass dem 61-Jährigen der Abschied von seinem Ministerium am Werderschen Markt schwerfiel. Er betrieb die Diplomatie mit Leidenschaft und protestantischer Hartnäckigkeit. Auch war er bei den meisten AA-Mitarbeitern geachtet und beliebt, weil er das Haus verstand und forderte. Aber Trennungsschmerz von alten Aufgaben gehört zur politischen Karriere Steinmeiers. Als er 2005 sein Amt als Kanzleramtschef aufgegeben hatte, um zum ersten Mal Außenminister zu werden, klagte er vor Besuchern darüber, dass er sich nun nicht mehr um all die Reformthemen der Republik kümmern könne, die ihn zuvor beschäftigt hatten.

Wer aber sind die Vertrauten, die ihn begleiten? Der Wichtigste ist Stephan Steinlein, Steinmeiers Alter Ego. Die Nüchternheit, die protestantische Prägung, die Abneigung gegen Show und Inszenierung – das alles verbindet beide, bald 18 Jahre arbeiten sie zusammen. Der 55-jährige Theologe, der in der DDR aufwuchs, war zuletzt Staatssekretär im AA und wird nun Chef des Präsidialamtes.

Zur Diplomatie kam er auf ungewöhnlichem Wege: Markus Meckel, DDR-Außenminister nach den ersten freien Wahlen, misstraute den DDR-Diplomaten und schickte den jungen Mann als Botschafter nach Paris, wo der das Ende der DDR erlebte. Nach 1990 absolvierte der Ex-Botschafter dann die bundesdeutsche Diplomatenausbildung. 1999 holte ihn Steinmeier als Pressereferent ins Kanzleramt, er wurde bald sein Büroleiter, diente in dieser Funktion auch dem Außenminister in dessen erster Amtszeit und dem SPD-Fraktionschef. Wer immer auch nach der Bundestagswahl das Kanzleramt regiert: Steinlein wird dann für das Präsidialamt mit am Kabinettstisch sitzen und seinem Chef davon berichten.

Die Außenpolitikabteilung wird Thomas Bagger leiten, der bisherige Chef des AA-Planungsstabes. Der Politologe, Jahrgang 1961, ist gelernter Diplomat. 2009 machte ihn Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zu seinem Büroleiter, zwei Jahre später zum Chef des Planungsstabs. Steinmeier behielt ihn nach dem Regierungswechsel 2013.

Der Sohn des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Hartmut Bagger ist bestens vernetzt in außenpolitischen Thinktanks weltweit. Er gilt als aufgeklärter Realpolitiker, der weder den Einfluss Deutschlands noch generell die Planbarkeit staatlichen Handelns im internationalen Geschäft überschätzt. Er dürfte Steinmeier darin bestärken, kleine Schritte zu gehen statt rhetorisch die Konfrontation zu suchen, wie das Joachim Gauck etwa bei der Armenien-Resolution des Bundestages getan hatte.

Nicht alle Wunschpartner folgten Steinmeiers Ruf

Entgegen seinem ursprünglichen Plan kann Steinmeier einen weiteren Vertrauten nicht mitnehmen: Andreas Görgen, seit April 2014 Leiter der AA-Kulturabteilung, hat sich entschieden, seine Arbeit fortzusetzen und den Ausbau kultureller Infrastruktur im Ausland zu verstetigen. Statt Görgen übernimmt Oliver Schmolke die Inlandsabteilung. Der Politikwissenschaftler war ohnehin eingeplant – als Leiter der Planungsabteilung, die ihm nun auch untersteht.

Geplant hat Schmolke auch schon für den SPD-Fraktionschef Steinmeier und später für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Das Konjunkturprogramm, das nach der Finanzkrise 2008 Deutschland stabil hielt, gilt maßgeblich als sein Werk. In seinem Buch "Zur Freiheit" plädierte er 2013 für eine engere Verbindung von Sozialdemokratie und Liberalismus. Der Präsident wird von ihm Analysen verlangen – und Rat, wie er die Demokratie gegen Politikverachtung und Rechtspopulismus stärken kann.

Weiter verlassen will sich der neue Bundespräsident auch auf die Fähigkeiten seines AA-Redenschreibers Wolfgang Silbermann. Der 30-Jährige, der in Oxford und Harvard Volkswirtschaft und Philosophie studierte, hat schon in anderen Funktionen mit Steinmeier zusammengearbeitet. Für den Chefdiplomaten schrieb er nicht nur Ansprachen, sondern auch dessen Buch „Flugschreiber“. Aus dem Parlaments- und Kabinettsreferat des AA wechselt Dörte Dinge mit ins Schloss Bellevue. Die 36-Jährige, die über deutsch-italienische Beziehungen promovierte und früher ebenfalls in der Fraktion für Steinmeier tätig war, wird als seine Büroleiterin auch darüber entscheiden, wer Zugang bekommt zum Staatsoberhaupt.

Der Neue sieht offenbar Spielräume im Verhältnis zu Russland

Obwohl Steinmeier eine eingeschworene AA-Truppe mitbringt, scheint der Verdacht überzogen, er wolle vor allem außenpolitisch wirken. Und das nicht nur, weil ihm dafür der große außenpolitische Apparat fehlt. Der neue Präsident scheint einige außenpolitische Spielräume im neuen Amt zu sehen – etwa im Verhältnis zu Russland. Seine eigentliche Aufgabe aber hat er in seinen bisherigen Reden als die des "Mutmachers" beschrieben, der die Kräfte wecken will, die in der deutschen Gesellschaft stecken.

Die Art, wie die Welt auf Deutschland blickt, soll ihm dabei helfen. Es gebe eine Kluft zwischen dem Blick der Deutschen auf die Welt und dem der Welt auf die Deutschen, sagte der Vielgereiste im November. Die Deutschen schauten eher mit Sorgen und Ängsten auf die Globalisierung. Aus der Welt schauten dagegen viele mit besonderer Hoffnung auf die Bundesrepublik. Denn kein anderes Land habe gezeigt, wie aus Krieg Versöhnung, aus Raserei, Nationalismus und Ideologie politische Vernunft werden könne.

Das Staunen der anderen über die Deutschen, so hofft der neue Präsident, soll diesen selbst mehr Mut geben. Es dürfte spannend werden, ob Steinmeier am Mittwoch nach seiner Vereidigung das Thema in seiner Antrittsrede aufnimmt.

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