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Kürzungen über 30 Prozent sind bei Hartz IV künftig unzulässig.

© Stefan Sauer/dpa

Neue Weisung an die Jobcenter: Hartz-IV-Leistungen dürfen maximal um 30 Prozent gekürzt werden

Die Jobcenter sollen künftig prüfen, ob eine "außergewöhnliche Härte" einer Sanktionierung entgegen steht - auch bei Kürzungen wegen verpasster Termine.

Die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium haben in einer neuen Weisung an die Jobcenter klar gestellt, dass Kürzungen von Hartz-IV-Leistungen um mehr als 30 Prozent unzulässig sind. Darüber hinausgehende Leistungsminderungen seien "unvereinbar mit dem Grundgesetz", heißt es in einer Weisung vom 3. Dezember, die dem Tagesspiegel vorliegt. Darin werden die Jobcenter auch angewiesen zu überprüfen, ob eine "außergewöhnliche Härte" vorliegt, die einer Sanktion entgegensteht. Außerdem sollen Kürzungen vorzeitig zurückgenommen werden können, wenn der Betroffene "die ernsthafte und nachhaltige Bereitschaft" zeige, zukünftig die geforderten Mitwirkungspflichten zu erfüllen.

Bisher konnten die Jobcenter die Hartz-IV-Leistungen in einem ersten Schritt um 30 Prozent, dann um 30 und schließlich um 100 Prozent kürzen, wenn jemand ein Arbeitsangebot oder eine Trainingsmaßnahme ablehnte. Verpasste Termine konnten mit Kürzungen von zehn Prozent bestraft werden. Für unter 25-Jährige gab es verschärfte Sonderregeln: Bei ihnen konnte schon bei der zweiten Pflichtverletzung das komplette Geld gestrichen werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherigen Sanktionsregeln in einem Urteil vom 5. November als verfassungswidrig verworfen.

Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung der Sanktionen behelfen sich Bundesagentur und Arbeitsministerium mit internen Weisungen an die Jobcenter. In einer ersten Fassung waren auch hier noch Kürzungen von mehr 30 Prozent vorgesehen gewesen - durch die Kumulation von verschiedenen Sanktionen. Nach heftigen Protesten hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) diesen Entwurf jedoch gestoppt.

In der neuen Fassung heißt es zwar auch weiter, dass die Addition mehrerer Kürzungen durch Terminversäumnisse möglich sei - allerdings nicht über 30 Prozent hinaus. Auch Sanktionen, die vor dem Tag der Urteilsverkündung (5. November) verhängt wurden, aber noch nicht abgeschlossen waren, sollen nachträglich überprüft werden. Bei "außergewöhnlichen Härten" soll künftig nicht mehr sanktioniert werden. Im Einzelfall könne es aufgrund besonderer Umstände "unzumutbar" erscheinen, das Nichterfüllen der Mitwirkungspflicht zu sanktionieren, heißt es. Auch bei jedem Meldeversäumnis soll künftig geprüft werden, ob ein Härtefall vorliegt.

Der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Sven Lehmann, begrüßte, dass es endlich Rechtsklarheit zur Umsetzung des Urteils gebe. "Die neue Weisung zu den Sanktionen war überfällig und dringend notwendig", sagte er dem Tagesspiegel. Auch wenn Meldeversäumnisse und die verschärften Sanktionen für junge Erwachsene nicht Gegenstand des Urteils waren, sei es politisch richtig, dass die Weisung die Gesamtheit aller Sanktionsregelungen in den Blick nehme. "Unter-25-Jährige werden nicht länger schärfer sanktioniert als alle anderen Erwachsenen", sagte er. Im Arbeitsministerium und in der Spitze der BA herrsche aber noch immer die falsche Vorstellung, Druck und Zwang durch Sanktionen würden bei der Arbeitssuche etwas Gutes bewirken, kritisierte Lehmann. Der Grünen-Politiker bekräftigte die Forderung seiner Partei, Sanktionen abzuschaffen. "Denn sie können Erwerbslose in existenzielle Notlagen treiben, sie sind hoch bürokratisch und sie belasten das Klima in den Jobcentern."

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