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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, gibt eine Pressekonferenz zur Entwicklung in der Corona-Pandemie.

© dpa/Kay Nietfeld

Neue Vorwürfe gegen Gesundheitsminister: Politischer Deal und Brandbrief bringen Spahn in Erklärungsnot

Trotz verkürzter Tests kamen Spahns Masken in einem Pflegeheim zum Einsatz. Einige Länder zogen sie zurück, andere verließen sich auf das Qualitätsversprechen.

Von Thomas Sabin

Um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sein Ministerium wird es dieser Tage nicht ruhiger. Neue Vorwürfe und öffentlich gewordene E-Mails bringen ihn und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) immer mehr in Erklärungsnot.

Neben dem erbitterten Streit um ausstehende Masken-Rechnungen, der zwischen dem Spahn-Ministerium und mehreren Bundesländern tobt, ist nun die Rede von politischen Tricks des BMG gegenüber dem Bundesarbeitsministerium (BMAS). Außerdem tauchte ein Brief auf, der schwere Vorwürfe gegen Spahn beinhaltet.

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Wie der „Spiegel“ berichtet, wollte das BMG von Jens Spahn das Bundesarbeitsministerium dazu bewegen, verkürzt getestete Masken an Behinderte und Obdachlose abzugeben. So soll Spahns Staatssekretär Thomas Steffen seinen Amtskollegen Björn Böhning im Arbeits- und Sozialressort mit dem Angebot gelockt haben, die Ware kostenlos zu liefern, um so die Zustimmung des Arbeitsministeriums einzuholen. Das jedoch nur, sofern das BMAS dabei helfe, die rechtlichen Voraussetzungen für die Lieferung jener Ware zu schaffen, so der „Spiegel“ weiter.

Das BMAS habe sich jedoch dagegen gesperrt. Steffen habe daraufhin am 8. Februar eine Mail geschickt: „Mein Minister möchte gern mit Bundesminister Heil und dem positiven Ergebnis unserer gemeinsamen Masken-Anstrengungen das Corona-Kabinett nächsten Montag unterrichten. In der Annahme, dass dies so ok ist, würden wir dann jetzt auch alle unsere Projekte (SodEG...etc.) ins Umlaufverfahren geben können“, zitiert der „Spiegel“.

Böhning habe jedoch abgelehnt: Der Plan des BMG „entbehrt jeder fachlichen Grundlage. Ich möchte Sie bitten, diese Verknüpfung zurückzuziehen“. Ein BMG-Sprecher teilte dem „Spiegel“ auf Anfrage mit, es sei normale Regierungsarbeit, Vorhaben zu bündeln. Letztlich haben sich die zwei Minister auf den Kompromiss, die Masken in der Nationalen Reserve einzulagern, geeinigt, heißt es.

Vorwürfe gegen Spahn in Brief aus einem Pflegeheim

Auch ein Brief an das Bundesgesundheitsministerium bringt Spahn in Bedrängnis. Wie der „Spiegel“ weiter berichtet, erhebt die Betreiberin einer Pflegeeinrichtung, die Paritätische Pflege Schleswig-Holstein (Pflege SH), im Zusammenhang mit einem Corona-Ausbruch in der Einrichtung schwere Vorwürfe gegen Spahn.

Im Heim in Boostedt hatten sich im Januar 23 Bewohnerinnen und Bewohner und zehn Angestellte mit Corona infiziert. Fünf Senioren starben dabei. „Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz Ihrer mangelhaften Masken für den Ausbruch mitverantwortlich war“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Brief, den die Pflege SH an Spahn schrieb.

[Mehr zum Thema: Bundesminister für Durcheinander - Jens Spahns Corona-Politik im Check (T+)]

Demnach seien alle Schutzausrüstungen für das Heim stets kontrolliert worden, außer die 1000 Halbmasken, die am 18. Dezember in einem Hilfspaket des Gesundheitsministeriums geliefert und nach den Angaben im Beipackzettel ausreichend geprüft gewesen sein sollen. Der nach dem Ausbruch eingeholte Test der Masken ergab jedoch, dass keine der Masken die geforderte Filterleistung von 95 Prozent der Partikel erreichte, der schlechteste Wert lag bei nur 79.

So habe das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium am 5. Februar auf seiner Website vor der Benutzung der vom Spahn-Ministerium gelieferten Masken gewarnt. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, dass „nach allen vorliegenden Informationen kein Zusammenhang“ zwischen den Todesfällen bestehe, so der „Spiegel“.

Maskenaffäre um Gesundheitsministerium weitet sich aus

Und damit nicht genug für Spahn: Zuletzt verhärtete sich auch der Streit zwischen seinem Ministerium und mehreren Bundesländern. Es geht dabei um Zahlungen an den Bund, welche von den Ländern verweigert werden. Der Hauptgrund für die Querelen: Mangelnde oder strittige Qualität der BMG-Lieferungen.

Dabei geht es vor allem um Masken, die das Bundesgesundheitsministerium lieferte und nun gerne bezahlt bekommen will. Einige Staatskanzleien können sich mit dem Bund nicht einmal darauf einigen, wie viel Schützausrüstung überhaupt geliefert worden sind.

Aus dem „Spiegel“-Bericht geht hervor, dass die nur verkürzt getesteten Schutzmasken des BMG oftmals untauglich waren. Dafür würden sich die Belege mehren. So ergab eine Umfrage in den Ländern, dass Millionen Exemplare des Gesundheitsministerium sicherheitshalber aus dem Verkehr gezogen worden seien.

Schleswig-Holstein schickte demnach 3,7 Millionen Stück zurück, Baden-Württemberg zog 4,6 Millionen von Spahns Masken nach Tests aus dem Verkehr und Bayern sperrte nach Prüfung 72.000 vom BMG gelieferte Masken, so der „Spiegel“. Auch Berlin habe eine nicht näher genannte Zahl mutmaßlich untauglicher Masken noch zwischengelagert. Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und das Saarland antworteten, sie hätten sich auf das Qualitätsversprechen des Bundes verlassen.

Das Bundesarbeitsministerium habe Spahns Maskenschnelltests auf „Spiegel“-Anfrage als problematisch bezeichnet: „Eine ausreichende Sicherheit ist nicht zu garantieren.“ Die ausgelassenen Prüfschritte seien zwingend erforderlich.

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