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Pegida-Demo in Dresden.

© Sebastian Kahnert/dpa

Neue Studie zu Pegida: Zwischen Gutwilligen und Radikalen

Der Politologe Werner Patzelt unterscheidet bei Pegida zwischen empörten und besorgten Bürgern und Rechtsnationalen. Seine Studie erklärt, warum sich die Bewegung in Dresden zu spalten begonnen hat.

Weit rechts, aber nicht ganz rechts außen und mehrheitlich auch nicht radikal oder gar extremistisch – so charakterisiert der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt in einer neuen Studie die Anhängerschaft von Pegida. Das ist keine erstaunliche Erkenntnis, sie gibt den verbreiteten Eindruck wieder. Doch Patzelt traut sich trotz der relativ kleinen (und natürlich nicht repräsentativen) Zahl von 242 Befragten, die Pegida-Anhängerschaft in drei Gruppen zu teilen. Ein Zehntel seien „empörte Gutwillige“, zwei Drittel – und damit die große Mehrheit – „besorgte Gutwillige“. Ein Drittel firmieren bei Patzelt als „rechtsnationale Xenophobe“, sind also grundsätzlich fremdenfeindlich eingestellt. Es sind jene aus der Hooligan-Szene und dem rechtsradikalen Milieu, die von Beginn an zum Bild von Pegida gehörten. Die Dreiteilung mag, gibt Patzelt zu, etwas verzerrt sein, denn die Befragten, die antworteten, waren überdurchschnittlich alt und stuften sich eher Richtung Mitte ein. Eindeutig aber  ist: Ihre politischen Hoffnungen setzen die moderateren Pegida-Anhänger mehrheitlich in die AfD.

Am Schnittpunkt angekommen

Die Ergebnisse der Studie erklären auch, warum sich die Pegida-Bewegung in der vorigen Woche zu spalten begann: den Gutwilligen, ob nun besorgt oder empört, gefiel die rechtsnational-xenophobe Begleitung mit der Zeit wohl doch nicht mehr so gut. Die Organisatoren seien an einen entscheidenden Punkt gekommen, sagte Patzelt dem Tagesspiegel. Die Phase einer allgemeinen Empörung, die sich mit wenigen „integrierenden Stichworten“ habe organisieren lassen, sei zu Ende gegangen. Pegida habe vor der Frage gestanden, nun inhaltlich konkreter zu werden oder aber weiter, ähnlich Legida in Leipzig, rein auf Empörung zu setzen. Jede Konkretisierung bedeute aber, dass die Empörung zunehmend leerlaufe. So spalte sich Pegida jetzt an der Schnittstelle zwischen „Gutwilligen“ und Radikalen. Die früheren Pegida-Organisatoren um Frontfrau Kathrin Oertel formen nun eine eigene Gruppierung mit etwas moderatern Tönen.

Werner Patzelt beobachtete Pegida-Demos.
Werner Patzelt beobachtete Pegida-Demos.

© Arno Burgi/dpa

Männer, mittleres Alter, auskömmliches Gehalt

Patzelt, seit Monaten auch in Fernsehsendungen einer der wissenschaftliche Haupterklärer des Pegida-Phänomens, hat mit drei studentischen Mitarbeitern über drei Monate hinweg die Märsche beobachtet. Insgesamt wurden 492 Personen angesprochen, von denen knapp die Hälfte die Fragen beantwortete. Die neue Studie bestätigt, was zuvor schon Patzelts Dresdner Kollege Hans Vorländer und der Berliner Protestforscher Dieter Rucht feststellten: Pegida ist überwiegend eine Sache von Männern mittleren Alter mit relativ guter Ausbildung (Realschule bis hin zu Hochschulabschluss), die „auskömmliche“ Gehälter haben. Drei Viertel sind konfessionslos, die Mehrzahl kam aus Dresden und Umgebung zu den Demonstrationen. Vier von zehn Befragten gaben an, auch 1989 an Demonstrationen teilgenommen zu haben. Viele fühlen sich politisch als Teil der Mitte, die meisten vertrauen aber keiner Partei, und wenn doch, dann fallen die Sympathien vor allem der Alternative für Deutschland zu, die etwa ein Drittel favorisiert. 57 Prozent sagen, sie würden bei der nächsten Wahl auch für die AfD stimmen. 22 Prozent sagen, sie würden nicht wählen gehen. Jeweils fünf Prozent gaben CDU und Linke an.

Viel unzufriedenes Volk

Dass sich hinter Pegida ein unzufriedenes Volk versammelt, macht auch Patzelts Studie deutlich. Drei Viertel sagen, sie fühlten sich durch Politiker und Parteien nicht vertreten – der Politologe sieht darin eine „Repräsentationslücke“, die nach den Zahlen der Studie vor allem von der AfD gefüllt werden könnte. Interessant ist die Differenzierung, die zwischen Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen gemacht wird. Zwei Drittel sind dafür, dass Deutschland beide Gruppen grundsätzlich weiterhin aufnimmt. Allerdings stimmt nur eine Minderheit von etwa 30 Prozent der Einschätzung zu, Deutschland nehme zu viele Bürgerkriegsflüchtlinge, während es bei Asylbewerbern mehr als 70 Prozent sind. Es ist also vor allem die Asylpolitik, auf die sich die Unzufriedenheit der Pegida-Anhänger stützt. Immerhin ein Drittel ist der Meinung, ein friedlicher Islam gehöre zu Deutschland; gut die Hälfte sieht das nicht so. Als „deutsche Patrioten“ stufen sich etwa drei Viertel der Befragten ein; fast ebenso viele bezeichnen sich auch als Europäer, doch sind die Gruppen laut Patzelt nicht völlig identisch. Deutsch-Patriotismus ist stärker, je weiter rechts die Ansichten sind; unter den Moderateren sind die Europäer stärker vertreten.

Patzelts Fazit lautet, dass Politik und Zivilgesellschaft die Kommunikation mit den „Gutwilligen“ suchen müsse. Pegida müsse veranlasst werden, politische Ziele zu formulieren – so könnten moderate und radikale Demonstranten gespalten werden, die Radikalen seien damit leichter auszugrenzen. Dieses Fazit des CDU-Mitglieds Patzelt scheint auch die sächsische Union schon gezogen zu haben, denn man ist auf die moderateren Pegida-Anhänger zugegangen. Weitere Treffen in größerem Kreis soll es im März und im April geben. Oertel und einige andere Pegida-Organisatoren haben ihre Abspaltung in der Vorwoche zwei Tage nach einem Gespräch mit dem Landesinnenminister Markus Ulbig (CDU) kundgetan. Wie Rucht glaubt auch Patzelt, dass der Höhepunkt der Pegida-Bewegung vorbei ist.

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