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Präsident Nicolas Maduro spricht zu seinen Anhängern.

© Yuri CORTEZ/AFP

Update

Neue Proteste in Venezuela: Maduro kündigt vorgezogene Wahlen noch 2019 an

Der unter starkem Druck stehende venezolanische Präsident Nicolas Maduro will Parlamentswahlen in diesem Jahr. Die USA rufen das Militär zum Überlaufen auf.

Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich weiter zu: Der umstrittene Staatschef Nicolás Maduro kündigte am Samstag vor seinen Anhängern in Caracas eine vorgezogene Neuwahl des von der Opposition beherrschten Parlaments an. Sein Widersacher, der selbst ernannte Übergangsstaatschef Juan Guaidó, beschwor seine Anhänger, der Februar werde mit weiteren geplanten Massenprotesten über Venezuelas Zukunft entscheiden. Mit dem Luftwaffengeneral Francisco Yánez stellte sich der bislang ranghöchste Militärvertreter gegen Maduro.

Die Proteste gegen Maduro gingen weiter, "bis wir frei sind", sagte Guaidó vor der EU-Vertretung in Caracas vor zehntausenden Anhängern. Dabei werde der Februar "entscheidend" sein. Für den 12. Februar, der in Venezuela als Tag der Jugend gefeiert wird, sowie anlässlich von Hilfslieferungen in den kommenden Tagen kündigte er neue Massenproteste gegen Maduro an.

Juan Guaido bei der Demo am Samstag.
Juan Guaido bei der Demo am Samstag.

© Carlos Garcia Rawlins/REUTERS

Für die Hilfslieferungen für die unter einer akuten Versorgungskrise leidende Bevölkerung würden in den kommenden Tagen grenznahe Sammelstellen in Kolumbien, Brasilien und "auf einer Karibikinsel" eingerichtet, sagte Guaidó. Er appellierte an das mächtige und mehrheitlich hinter Maduro stehende Militär, die Hilfslieferungen ins Land zu lassen.

Guaidós Anhänger riefen "Freiheit, Freiheit, Freiheit". Auf einem Plakat stand zu lesen, der venezolanische Sicherheitsapparat werde "fallen wie die Berliner Mauer". Die Kundgebung endete trotz der angespannten Sicherheitslage ohne größere Zwischenfälle.

Nur rund zehn Kilometer entfernt trat Maduro in einem signalroten Hemd vor seine Anhänger. Auf der Agenda der regierungstreuen Verfassungsgebenden Versammlung stehe eine Prüfung, die eigentlich für Ende 2020 vorgesehene Parlamentswahl vorzuziehen, sagte der Linksnationalist. Er sei damit "einverstanden". Im Parlament hat die Opposition das Sagen, Guaidó steht der Volksvertretung vor.

Oppositionsanhänger am Samstag in Caracas.
Oppositionsanhänger am Samstag in Caracas.

© Federico PARRA/AFP

Die Regierungsanhänger demonstrierten anlässlich des 20. Jahrestags der "Bolivarischen Revolution", mit der sein Vorgänger Hugo Chávez das Land auf einen sozialistischen Kurs brachte. Maduros Rede bei der Abschlusskundgebung war sein erster Auftritt in der Öffentlichkeit seit einem angeblichen Anschlagsversuch gegen ihn mit zwei mit Sprengstoff beladenen Drohnen vor einem halben Jahr.

Maduro kündigte in der Rede eine Aufstockung der Armee an, deren Unterstützung für seinen Verbleib an der Macht entscheidend ist. Dazu sollten zehntausende Milizionäre in die Armee eingegliedert werden.

Ein Standbild aus dem Video von Venezuelas Luftwaffengeneral Francisco Yánez.
Ein Standbild aus dem Video von Venezuelas Luftwaffengeneral Francisco Yánez.

© AFP PHOTO / VENEZUELAN AIR FORCE HIGH COMMAND GENERAL FRANCISCO YANEZ / HO

Der Rückhalt des Präsidenten im Militär scheint aber zu bröckeln. Luftwaffengeneral Yánez gab in einem am Samstag in den Online-Netzwerken veröffentlichten Video bekannt, dass er Guaidó als Übergangspräsidenten des Landes anerkenne. Yánez prangerte die "diktatorische" Amtsführung von Maduro an und versicherte, "90 Prozent" der Streitkräfte würden nicht den "Diktator", sondern das "Volk" unterstützen. Vor Yánez hatte sich Venezuelas Militärattaché in Washington, José Luis Silva, von Maduro losgesagt.

Maduro warf der Opposition und den USA einen "schauderhaften Plan" für einen "Staatsstreich" vor. US-Präsident Donald Trump lasse sich von seinem Umfeld über Venezuela täuschen. Sein Sicherheitsberater John Bolton sowie Vizepräsident Mike Pence und US-Außenminister Mike Pompeo seien "drei Kriegsfalken, die besessen von Venezuela sind". Venezuela werde sich den Vereinigten Staaten aber nicht ergeben.

Bolton schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, die USA forderten das gesamte venezolanische Militär auf, Yánez' Beispiel zu folgen. Die USA, Kanada und mehrere lateinamerikanische Länder erkennen Guaidó als amtierenden Präsidenten von Venezuela an.

Deutschland und mehrere andere europäische Länder haben Maduro bis Sonntag Zeit gegeben, um Neuwahlen zur Präsidentschaft anzusetzen. Andernfalls wollen auch sie Guaidó als Interimsstaatschef anerkennen. Um den Druck auf Maduro zu verstärken, hatte dieser für Samstag zu dem "größten Protestmarsch in der Geschichte Venezuelas und unseres Kontinents" aufgerufen.

Venezuela hat trotz enormen Ölreichtums einen jahrelangen wirtschaftlichen Niedergang hinter sich. Es herrscht Hyperinflation und Versorgungsnotstand. Seit 2015 haben rund 2,3 Millionen Venezolaner ihr Land verlassen.

Gerhard Schröder kritisiert Kurs der USA

Der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) wirft den USA unterdessen vor, sich mit ihrem Kurs in Venezuela auf völkerrechtlich problematisches Terrain zu begeben. „Die Vereinigten Staaten haben jahrzehntelang Südamerika als so eine Art Hinterhof angesehen, auf dem sie tun und lassen konnten, was sie wollten“, sagte Schröder in einem Gespräch mit dem „Spiegel“. „Ich halte es für unklug, dass die Amerikaner sofort gesagt haben, der junge Herr Guaidó sei der gewählte Präsident. Das ist völkerrechtlich schwierig, und so etwas beschädigt die Legitimation der Außenpolitik des Westens.“

Schröder lobte die Haltung mehrerer europäischer Staaten, die zunächst freie Wahlen in Venezuela gefordert hatten. „Das halte ich für klüger“, sagte der Altkanzler. „Zu sagen, wir setzen alle diplomatischen Mittel ein, damit dieser Konflikt durch Wahlen gelöst werden kann. Und dann können die europäischen Staaten ja ruhig ihre Sympathie für den jungen Mann deutlich werden lassen, der sich da selbst ausgerufen hat, dagegen spricht ja nichts.“

Auch darüber hinaus kritisierte Schröder die Vereinigten Staaten. Kritik an seinem eigenen Russland-Engagement bedrücke ihn „ganz und gar nicht“, sagte er. „Was mich bedrückt, ist eher, dass die USA mit allen Mitteln versuchen, uns vorzuschreiben, mit welchen Ländern wir Handel treiben dürfen und mit welchen nicht. Das dürfen wir uns als souveränes Land nicht bieten lassen.“ (dpa, AFP)

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