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Israels Oppositionspolitiker Benny Gantz

© Reuters/Amir Cohen

Update

Neue Parlamentswahl wahrscheinlich: Netanjahu-Rivale Gantz scheitert mit Regierungsbildung in Israel

Neun Wochen nach den Neuwahlen hat Israel noch immer keine Regierung – und könnte demnächst zum dritten Mal in einem Jahr wählen.

Was sich bereits in den Tagen zuvor abzeichnete, wurde am Mittwochabend Gewissheit: 28 Tage, nachdem er den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat, musste Benny Gantz sein Scheitern eingestehen. Der Vorsitzende des Bündnisses Blau-Weiß teilte dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin mit, dass es ihm nicht gelungen sei, eine Koalition auf die Beine zu stellen. Zuvor hatte bereits Premier Netanjahu keine nötige Mehrheit von 61 Knesset-Abgeordneten hinter vereinen können.

„Ich habe alles versucht, um eine Regierung zu bilden, die dem Staat Israel eine Führung mit Integrität, Moral und Werten bringt", sagte Gantz am Mittwochabend, pünktlich zur Nachrichtenzeit, in einer live übertragenen Ansprache. "Ich war bereit, weitreichende Kompromisse zu schließen, für die Bildung einer stabilen Einheitsregierung. Hätten Sie gewusst, wie weit meine Bereitschaft ging, wären manche von Ihnen böse mit mir." Damit gab Gantz indirekt seinem politischen Kontrahenten Benjamin Netanjahu die Schuld am Scheitern.

Versuch einer Minderheitsregierung scheitert

Gantz hatte versucht, mit dessen Likud-Partei eine große Koalition zu bilden, konnte sich mit dem Noch-Premier aber nicht auf die Bedingungen dafür einigen. Auch ein letztes Treffen zwischen Netanjahu und Gantz in der Nacht zum Mittwoch bliebt erfolglos – obwohl beide Seiten in den vergangene Wochen immer wieder betont hatten, dass eine Einheitsregierung das einzig Richtige sei.

Netanjahu pochte bis zuletzt darauf, nur gemeinsam mit seinem rechten Block, bestehend aus 55 Abgeordneten des Likud, der nationalreligiösen und ultraorthodoxen Parteien – einer großen Koalition beizutreten. Gantz wiederum hielt sich an sein Wahlversprechen, nicht mit einem Premier an der Spitze in der Regierung zu sitzen, dem Korruption vorgeworfen wird und der demnächst auf der Anklagebank landen könnte.

Der Versuch, eine Minderheitsregierung mit den Partnern aus dem linksliberalen Lager zu bilden, unterstützt von den arabischen Parteien, scheiterte an der fehlenden, aber nötigen Zustimmung von Avigodor Lieberman und dessen Partei „Unser Haus Israel“. Er trat bereits am Mittag vor die Presse und verkündete, weder einer linken, noch einer rechten Minderheitsregierung beizutreten, mit der Begründung, dass eine solche Regierung nicht funktionsfähig wäre.

Kommt eine Anklage gegen Netanjahu?

Mit Gantz’ Scheitern werden Neuwahlen in Israel wahrscheinlicher – auch wenn in den kommenden 21 Tagen jeder der 120 Parlamentarier noch einmal den Versuch starten darf, eine Mehrheit zustande zu bringen – eine Phase, die in Israels bisheriger Geschichte noch nie eingetreten ist. Nach bisher insgesamt 48 Verhandlungstagen dürfte aber selbst das kaum zu einer Lösung führen – es sei denn, einige der Parlamentarier rücken von ihren Wahlversprechen und Prinzipien ab.

In den kommenden Tagen wird das Land nun vor allem gebannt auf die Entscheidung von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit warten: Der will demnächst bekannt geben, ob er den unter Korruptionsverdacht stehenden Premier anklagen wird.

Zwar hat Netanjahu bereits angekündigt, selbst dann nicht zurücktreten zu wollen. Fraglich aber bleibt, ob sein rechtsnationaler Block im Falle einer Anklage weiterhin geschlossen hinter ihm stehen wird – oder ob es nicht gar innerhalb seiner eigenen Partei manche Abgeordnete wagen werden, die Führung Netanjahus infrage zu stellen.

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