zum Hauptinhalt
Eine ukrainische Flagge auf einer Barrikade in Kiew

© dpa/AP/Rodrigo Abd

Neue Kriegsphase beginnt: Mit westlicher Hilfe kann die Ukraine Putin stoppen

Putins militärische Pläne sind im ersten Anlauf gescheitert. Die Hoffnung wächst, dass die Ukraine sich behaupten kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Putins Angriff auf die Ukraine hat die Menschen in Europa in einen Strudel extremer Gefühle gestürzt: Entsetzen, dass so ein Krieg noch möglich ist. Mitgefühl mit verzweifelten Müttern, Kindern, Vätern in zerbombten Städten und auf der Flucht. Zaghafte Hoffnung, dass die Ukraine widerstehen kann und ein Verhandlungsfrieden naht. Außergewöhnliche Hilfsbereitschaft, aber auch Gewöhnung an die grausamen Bilder.

In dieser Lage kommen die Regierungschefs der Nato-, EU- und G-7-Staaten in Brüssel zusammen, um ihr Vorgehen zu besprechen. Nach vier Wochen tritt der Krieg in eine neue Phase.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Die russische Armee tut sich schwerer als gedacht. Der ukrainische Widerstand ist effektiver als erwartet.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Und doch wird eine Waffenruhe erstmal nicht wahrscheinlicher. Putin weigert sich, sein Scheitern einzugestehen. Nach heftigen Verlusten bereitet er die nächste Offensive vor, mit neuem Material und neuen Soldaten.

Bis Mitte Mai verhandelt Putin nur zum Schein

100.000 erfahrene Wehrpflichtige beenden am 1. April den Dienst. Wie viele davon kann er mit Druck und Propaganda dazu bringen, sich länger zu verpflichten, angesichts der Gefallenenzahlen?

Die neuen Rekruten, die sie ersetzen sollen, müssen ausgebildet werden. Die russische Luftwaffe bleibt weitgehend am Boden, aus Furcht vor der ukrainischen Luftabwehr. Der Vorrat an Raketen und Marschflugkörpern, die die Angreifer stattdessen einsetzen, ist weitgehend aufgebraucht.

Es wird wohl Mai werden, ehe sich klärt, mit welchen Ressourcen Putin die neue Offensive plant und wie die Erfolgschancen sind. So lange verhandelt er nur zum Schein.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Mit der neuen Lage verändern sich die Optionen, wie Europa und die USA den Verteidigern helfen können, Putins Pläne vollends zu vereiteln. Sein Scheitern wäre der sicherste Weg, die Friedensordnung wieder zu festigen. Selbst wenn er nicht stürzt: Würde er es wagen, noch einen Krieg zu beginnen, um Ex-Sowjetrepubliken heim in sein Reich zu holen?

Stärken und Schwächen des Westens

Nur: Ist eine Niederlage Putins überhaupt realistisch? Durchaus. Politisch, ökonomisch und militärisch sind die Demokratien in Europa, Amerika und Asien, deren Regierungschefs in Brüssel beraten, drückend überlegen. Sie stehen für 60 Prozent der Weltwirtschaft, Russland für drei.

Ist Putin derzeit zu einer Verhandlungslösung bereit? Manche EU-Partner spotten über Emmanuel Macron und Olaf Scholz wegen ihrer telefonischen Vermittlungsversuche. Andere halten Verhandlungen zur Unzeit für geradezu schädlich.
Ist Putin derzeit zu einer Verhandlungslösung bereit? Manche EU-Partner spotten über Emmanuel Macron und Olaf Scholz wegen ihrer telefonischen Vermittlungsversuche. Andere halten Verhandlungen zur Unzeit für geradezu schädlich.

© Kay Nietfeld/dpa

Sie sind freilich ihrerseits verwundbar. Ökonomisch: Europa muss Energieträger und Rohstoffe importieren, einen Gutteil davon aus Russland.

Politisch: Die Wucht der Sanktionen und die große Solidarität mit der Ukraine hat Putin überrascht. Aber ganz so einig, wie gerne behauptet wird, ist der Westen nicht.

Militärisch: Russland ist Atommacht. Der Westen muss Putin deshalb nicht gewähren lassen. Aber er möchte eine direkte Konfrontation verhindern und ihn nicht in die Enge treiben. Er wird der Ukraine liefern, was sie braucht, um der russischen Armee Niederlagen zuzufügen.

Die Ukrainer verteidigen die Nato in der Ukraine mit westlichen Waffen

Die Nato setzt aber keine No-Fly-Zone durch. Der Westen diskutiert auch nicht seine "Responsibility to protect" - eine Schutzverpflichtung -, wie in früheren Fällen, wenn brutale Kriegsherren wehrlose Zivilisten beschossen. Sondern die Ukraine erhält Luftabwehrsysteme, um den Himmel frei von russischen Kampfjets zu halten. Dazu Panzer und Artillerie, um in der Fläche zu kämpfen.

Responsibility to protect? Mit Luftangriffen gegen zivile Ziele führt Russland Krieg gegen Städte wie Mariupol und begeht Kriegsverbrechen. Satellitenfoto von Maxar Technologies.
Responsibility to protect? Mit Luftangriffen gegen zivile Ziele führt Russland Krieg gegen Städte wie Mariupol und begeht Kriegsverbrechen. Satellitenfoto von Maxar Technologies.

© dpa

So bitter diese Einsicht ist: Über welche Friedenspläne am Ende verhandelt wird, hängt davon ab, wer militärisch erfolgreicher ist, Russland oder die Ukraine. Wie viel Hilfe ist nötig, möglich, verantwortbar? Bei diesen Abwägungen gibt es beträchtliche Differenzen.

Die östlichen EU- und Nato-Mitglieder wollen mehr tun, ebenso die Briten, Frankreich und Deutschland weniger. Emmanuel Macrons und Olaf Scholz´ Versuche, Putin jetzt zum Frieden zu überreden, werden teils verspottet, teils als schädlich bewertet.

Der EU fehlt Hard Power, entscheidend sind die USA

Der EU fehlt Hard Power. Sie liefert keine Waffen, sie kann ihren Mitgliedern keinen militärischen Schutz garantieren. Sie bietet Geld an, falls andere Waffen liefern wollen, und beschließt weitere 500 Millionen Euro, obwohl die ersten nicht verbraucht sind.

Die EU spielt im Kriegsgeschehen keine Rolle. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden.
Die EU spielt im Kriegsgeschehen keine Rolle. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden.

© Yves Herman/REUTERS

Es wirkt wie Symbolpolitik. Zur wahren Prüfung wird, ob die Verteilung der Flüchtlinge diesmal gelingt.

Entscheidend sind die USA: Sie haben die Ukraine auf die erfolgreiche Verteidigung in der ersten Kriegsphase vorbereitet. Sie werden den Großteil dessen liefern, was die Ukraine jetzt braucht.

Ein Ende des Grauens ist nicht in Sicht. Aber die Hoffnung, dass die Ukraine sich behaupten kann und Putins Aggressionswillen lähmt, ist gewachsen. Immerhin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false