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Schüsse aufs Bürofenster: Auch der schwarze SPD-Abgeordnete Karamba Diaby wurde bedroht.

© imago images/Steffen Schellhorn

Neue Gesetze und aktivere Strafverfolgung: So will der Staat bedrohten Politikern besser helfen

Neue Paragrafen und Meldestellen: Bund und Länder reagieren auf die zunehmenden Übergriffe gegen Politiker. Ein Überblick.

Es war nur ein halber Sieg für Renate Künast. Die Berliner Grünen-Politikerin war bei Facebook übel beschimpft worden – als „Stück Scheisse“, „Sondermüll“ und Schlimmeres. Sie zog vor Gericht, um die Hetzer zivilrechtlich zu verfolgen.

Das Gericht sah aber die Schwelle zur strafbaren Beleidigung zunächst nicht erreicht. Diese Woche nun hat sich das Landgericht Berlin selbst korrigiert und in sechs Fällen eine solche Beleidigung anerkannt – in 16 weiteren Fällen sieht es die Schmähungen als Teil einer zulässigen politischen Auseinandersetzung.

Der Fall Künast zeigt, wie schwierig es ist, Politiker vor Hass und Hetze zu schützen.

In den vergangenen Wochen machten Fälle von Kommunalpolitikern Schlagzeilen, die gemobbt wurden, im Internet bedroht oder durch nächtliche Telefonanrufe terrorisiert. Aus Angst vor Rechtsextremen beantragte ein Bürgermeister aus NRW einen Waffenschein, er fühlte sich mit der Bedrohung alleingelassen. Jetzt bekommt er Polizeischutz.

Nachdem auch noch auf das Büro des SPD-Abgeordneten Karamba Diaby in Halle an der Saale Schüsse abgegeben wurden, plant nun SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ein hochrangiges, parteiübergreifendes Krisentreffen – um zu prüfen, wie man Politiker besser schützen kann.

Schärfere Strafen für Hetze

Doch Länder und Bundesregierung sind nicht untätig gewesen – sowohl auf gesetzgeberischer Seite als auch bei den Strafverfolgungsbehörden tut sich bereits etwas. Im Dezember hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) einen Entwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vorgelegt, der auch auf Netz-Beleidigungen eingeht.

Wer andere öffentlich beleidigt, namentlich im Internet, kann demnach künftig schärfer bestraft werden als bisher. Aber auch hier gilt: Solange herabsetzende Äußerungen einen sachbezogenen Kontext haben – wie es das Gericht im Fall Künast zum Teil als gegeben ansah –, ist es mit der Strafbarkeit schwierig.

Außerdem soll die „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“, Paragraf 126 Strafgesetzbuch (StGB), künftig schon greifen, wenn jemand eine gefährliche Körperverletzung androht.

Ähnlich ist es beim Tatbestand „Bedrohung“, Paragraf 241 StGB. Bisher war es nur strafbar, andere Menschen mit Verbrechen wie Vergewaltigung oder Mord zu bedrohen – also Taten, die eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft vorsehen. Künftig wird auch bestraft, wer anderen mit Körperverletzung droht.

Explizit Kommunalpolitikern helfen soll eine Änderung von Paragraf 188, der „Personen des politischen Lebens“ vor übler Nachrede und Verleumdung schützen soll. Die Gerichte hatten Kommunalpolitiker hier stets ausgenommen, weshalb sich der Schutz künftig ausdrücklich auf sie erstrecken soll. Das war besonders den Ländern wichtig gewesen. Der Bundesrat hatte selbst einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.

Das Innenministerium arbeitet an Reformen im Melderegister

Als folgenreich könnte sich eine von Justizministerin Lambrecht geplante Neuerung im 2017 eingeführten Netzwerkdurchsetzungsgesetz erweisen, mit dem Löschpflichten für soziale Netzwerke festgelegt wurden. Künftig sollen sie strafbare Inhalte direkt ans Bundeskriminalamt melden.

Um die Strafverfolgung zu erleichtern, sollen die Dienste wie Facebook und Twitter zugleich Nutzerdaten herausgeben müssen – beispielsweise die IP-Adresse. Manchem Kritiker geht das zu weit, etwa dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD).

Parallel zum Lambrecht-Entwurf arbeitet das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) an Reformen im Melderegister. Nach wie vor ist es im Einzelfall schwierig, Auskunftssperren zu Wohnadressen durchzusetzen.

Gefährdeten Personen, etwa im Internet angefeindeten Politikern, soll dies künftig erleichtert werden. Auf kommunaler Ebene dürfte das allerdings nur begrenzt wirken, denn hier ist der Wohnsitz Betroffener in der näheren Umgebung oft bekannt.

Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hatespeech-Verfahren

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert zudem den Tatbestand des „Politiker-Stalkings“ einzuführen. Dann wäre es strafbar, einem Mandatsträger in einer Art so nachzustellen, dass es dessen Lebensführung beeinträchtigen kann.

Auch die Behörden in den Ländern reagieren. So wurde beim Landeskriminalamt in Baden-Württemberg eine spezielle 24-Stunden-Hotline für Amts- und Mandatsträger eingerichtet. Diese seien „zunehmend mit Respektlosigkeit, Anfeindungen und aggressivem Verhalten konfrontiert werden“, sagte Landesinnenminister Thomas Strobl.

In Rheinland-Pfalz gibt es seit vergangenem Jahr zudem beim Verfassungsschutz eine Taskforce „Gewaltaufrufe rechts“.

Und NRW verfügt seit vergangenem Sommer über eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft – die „Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime“, die sich auch um Hatespeech-Verfahren im Zusammenhang mit NRW-Politikern kümmert.

Der Leipziger Oberbürgermeister und Präsident des deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), forderte solche Schwerpunktstaatsanwaltschaften für alle Bundesländer. In Berlin verlässt man sich derzeit noch auf die bereits bestehenden Fachabteilungen, die zentral etwa Staatsschutzdelikte oder Straftaten gegen Mandatsträger bearbeiten.

Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt sich auch in den Zahlen: Das Bundeskriminalamt zählte vorläufig für 2019 gut 1240 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Die meisten wurden durch Rechtsextreme verübt.

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