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600 Journalisten waren an der Enthüllung der Pandora Papers beteiligt.

© AFP/Loic Venance

Neue Enthüllungen der „Pandora Papers“: Spitzenpolitiker nutzen Mittel wie Drogenbosse und Waffenschmuggler

Das Steueroasen-Leak belastet mehr als 300 Politiker. Die Deals sind nicht unbedingt illegal, aber politischer Sprengstoff. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Als Pandora in der griechischen Mythologie ihre Büchse öffnete, entwichen ihr allerlei Übel, Mühen und Leiden. Die umfangreichen Pandora Papers zeigen dagegen lauter hübsche Besitztümer, Schlösser und Stadtresidenzen, die mehr als 300 Spitzenpolitiker, Präsidenten und Könige sich über Offshore-Firmen zulegten.

Das ist nicht per se illegal, ebenso wenig wie Privatbesitz; aber natürlich kann damit Steuer hinterzogen oder Geld gewaschen werden. Ob hier Straftaten vorliegen, müssen die Justizbehörden klären.

Aber selbst wenn viele dieser Deals legal waren, muss man sich gerade bei Spitzenpolitikern und Staatsoberhäuptern schon fragen, warum sie die gleichen Methoden nutzen wie Drogenbosse und Waffenschmuggler, warum sie viel Zeit und Energie aufwenden, um ihren Reichtum geheim zu halten.

Privatsphäre wahren, heißt es oft. Die Antwort könnte aber auch lauten: Das Volk würde es vielleicht nicht guttieren, man käme in Erklärungsnot, die eigene Glaubwürdigkeit wäre erschüttert. Denn viele dieser Politiker bekennen sich zu Korruptionsbekämpfung und Transparenz.

Spenden aus der Privatschatulle wirken plötzlich wie Peanuts

Die Spenden aus der Privatschatulle des jordanischen Herrschers würden sicher weniger Dankbarkeit auslösen, wenn die Jordanier wüssten, was das Staatsoberhaupt alles besitzt oder wie viel Geld das Königshaus jährlich von Staat bekommt. (Wenn die Untertanen das fragen, werden sie erst einmal festgenommen, wie der Wissenschaftler Moayyad al-Majali, der 2019 wissen wollte, wie viel Land dem König eigentlich persönlich gehört.)

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Und wenn man jetzt erfährt, dass Abdallah II. sich allein 2013 und 2014, in den Jahren nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings, Luxusimmobilien in Washington und drei nebeneinanderliegende Luxusanwesen in Malibu zulegt, könnte man auf die Idee kommen, dass er womöglich ein Exil vorbereitete. Das ist wiederum eher für Zeithistoriker interessant. Aber nach den Enthüllungen wird es schwieriger, kritische Fragen zu unterdrücken.

Die Tschechen könnten die Enthüllungen darin bestärken, bei der Wahl diese Woche ihren Premier und Oligarchen Andrej Babis abzustrafen, der für 15 Millionen Euro anonym ein Schloss an der Cote d´Azur erwarb.

Und dem Ansehen des britischen Ex-Premier Tony Blair müsste es zumindest schaden, dass er mit dem Kauf einer Offshore-Firma zufällig ein Gebäude in London erwarb – und Grunderwerbssteuer von 300000 Pfund sparte. Das britische Königshaus wiederum muss untersuchen, ob es durch einen Immobiliendeal unwissend bei möglicher Geldwäsche des azerbeidschanischen Diktators mitgewirkt hat.

Hochbezahlte Anwälte helfen bei der Verschleierung

Hochbezahlte Anwälte in Genf und New York und internationale Banker helfen dabei, Geld und seine Herkunft zu verschleiern. Es geht um Milliarden. Seit den Enthüllungen der Panama Papers 2016 ist nicht genug passiert. Strengere globale Transparenzregeln müssen her und hohe Strafen, wenn nicht ausreichend die Möglichkeit von Geldwäsche untersucht wurde. Und Steueroasen kann man doch wohl austrocknen.

In vielen Ländern ist der Skandal aber eher politisch. Auch in unfreien Gesellschaften werden die enthüllten Finanzgeheimnisse politische Folgen haben, selbst wenn das nicht sofort sichtbar wird. Denn dieses Wissen geht nicht zurück in die Büchse, sondern ist Allgemeingut und hier noch kostbarer als in demokratischen Gesellschaften. Es wird zur steten Aushöhlung beitragen und damit mittelfristig zum Sturz von Politikern und Systemen. Eine Sternstunde des Datenjournalismus.

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