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Südafrikaner kommen derzeit nur an eine Corona-Impfung, wenn sie wie Thabisle Khlatshwayo an einer Studie von AstraZeneca teilnehmen.

© dpa

Neue Corona-Mutation in Südafrika: Kaum Hoffnung am Kap

Südafrika ist auch von der neuen Covid-Mutation betroffen. Und die Chancen, an Impfstoff zu kommen sind für den ganzen Kontinent gering.

Die Maßnahmen Deutschlands gegenüber Reisenden aus Großbritannien treffen gleichermaßen auch Südafrika. Das Land ist ebenfalls von der neuen Coronavirus-Mutation betroffen, die nach Angaben von Wissenschaftlern 70 Prozent infektiöser ist als die bisher bekannte Form des Virus.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erläuterte, an diesem Montag sei geplant, mit einer Verordnung „den gesamten Reiseverkehr“ nicht nur mit Großbritannien, sondern auch mit Südafrika einzuschränken.

Der CDU-Politiker sagte am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“: „Die deutlich schnellere Übertragbarkeit, wie sie in diesem Fall vermutet wird, die würde natürlich viel verändern und deshalb ist es wichtig, den Eintrag nach Deutschland, auf Kontinentaleuropa zu unterbinden.“

Es sei wichtig, die Erkenntnisse über die Virusvariante zu verifizieren und zugleich vorausschauend zu agieren. Der Minister äußerte sich verwundert, dass wohl viele Deutsche Weihnachtsurlaub in Südafrika verbringen wollten. Er frage sich, ob diese Menschen die Botschaften nicht gehört hätten, nicht zu reisen und die Kontakte einzuschränken.

Das Bundesinnenministerium wies die Bundespolizei an, Reisende auch aus Südafrika ab sofort systematisch zu kontrollieren. Dies gilt mit Blick auf die korrekte Registrierung in der Digitalen Einreiseanmeldung, teilte ein Sprecher am Sonntag mit. Erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen seien eng mit den örtlichen Gesundheitsämtern abzustimmen. Reisende müssten sich auf längere Wartezeiten an den Grenzen einstellen.

Neue Mutation ist um 70 Prozent infektiöser

Afrikaner, die dieser Tage die Nachrichten internationaler Fernsehsender verfolgen, werden von einem unangenehmen Gefühl beschlichen. Dort laufen ständig Bilder von europäischen oder US-amerikanischen Pharma-Firmen, die Tausende von Glasfläschchen abfüllen, verpacken und verladen: Schon werden die ersten Dosen des Impfstoffs gegen das Coronavirus in hellhäutige Oberarme gespritzt. Zum ersten Mal in diesem Jahr zeigen sich Fachleute wieder hoffnungsvoll: Das Serum soll endlich die Wende im unglücklichen Kampf gegen den Krankheitserreger bringen. Zumindest in einem Teil dieser Welt.

Afrikas Fernsehzuschauer ahnen bereits, dass sie beim Wettrennen um die lebensrettenden Impfstoffe wieder einmal abgehängt wurden. Nach Recherchen der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ im US-Staat Maryland haben die Regierungen der Industrienationen bereits 7,5 Milliarden Impfstoff-Dosen bestellt und bezahlt – mehr als die Hälfte aller Vakzine, die im günstigsten Fall in den nächsten Monaten produziert werden können. Damit vermögen Industrienationen ihre gesamte Bevölkerung im Lauf des kommenden Jahres mindestens dreimal „durchzuimpfen“.

Wo der Rest der Welt – immerhin 85 Prozent der Menschheit – bleibt, ist noch immer ungewiss. Nach Afrika, wo mittlerweile 1,3 Milliarden Menschen leben, wird das Serum frühestens Mitte des kommenden Jahres kommen, prognostizieren die Forscher der Johns-Hopkins-Universität.

„Das ist nicht nur ethisch skrupellos, sondern auch dumm“, sagt Lawrence Gostin, Direktor des Instituts für nationales und globales Gesundheitsrecht an der Washingtoner Georgetown Universität: „Solange nicht die ganze Welt gesichert ist, wird es auch in den reichen Ländern immer wieder zu neuen Epidemie-Ausbrüchen kommen“, warnt er.

Auf Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde zwar schon im April die „Covid-19 Vaccine Global Access Facility“ (Covax) gegründet: Ein Zusammenschluss von 187 Staaten, mit dem auch ärmste Länder der Zugang zu Impfstoffen ermöglicht werden soll. Bisher wurden zwei Milliarden US-Dollar in den Finanzierungsmechanismus der Gruppe – der die USA nicht angehört – einbezahlt. Damit können in den kommenden sechs Monaten gerade mal drei Prozent der Bevölkerung der südlichen Erdhalbkugel geimpft werden.

Aufhebung der Patentrechte vom Westen verhindert

Die Regierungen Südafrikas und Indiens hatten deshalb versucht, bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine vorübergehende Aufhebung der Patentrechte der Impfstoffe zu erreichen. Auf diese Weise könnten auch andere Pharma-Unternehmen – ohne ausdrückliches Einverständnis der Serum-Entwickler – den Impfstoff herstellen. Dadurch würden die Kosten gesenkt und die Produktion in die Höhe getrieben.

Der Vorstoß stieß in den westlichen Nationen auf Kritik: Sie sehen dadurch den Schutz des geistigen Eigentums unterhöhlt, der für die kostspielige Entwicklung neuer Pharmaka unabdingbar sei. Das Argument ist allerdings umstritten – auch angesichts der Tatsache, dass an der Entwicklung des Covid-19-Serums Steuergelder in Milliardenhöhe genutzt wurden. Washington pumpte insgesamt mehr als zehn Milliarden Dollar in die Impfstoff-Forschung, Berlin ließ der Pfizer-Biontech-Kooperation fast eine halbe Milliarde Euro zukommen.

Obwohl über 100 Staaten den Vorschlag einer vorübergehenden Aufhebung des Patentrechts unterstützten, scheiterte die Initiative am Widerstand des Westens. Dass Südafrika noch vor April die erste Impfdosis erhalte, sei eher unwahrscheinlich, sagt der Johannesburger Vakzinologe Shabir Mahdi. Selbst wenn im April die ersten Dosen am Kap landen würden, wären noch immer nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt.

Denn zumindest im Fall des Produkts von Biontech und Pfizer muss dann auch noch dafür gesorgt werden, dass der auf minus 70 Grad zu kühlende Impfstoff überall verteilt werden kann. In weiten Teilen Afrikas wird es technisch so gut wie ausgeschlossen sein. (mit dpa)

Johannes Dieterich[Johannesburg]

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