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Israels Ministerpräsident Netanjahu hält ein Stück einer abgeschossenen Drohne hoch und sagt zu Irans Außenminister: "Das ist Ihre."

© Lennart Preiss/MSC/dpa

Netanjahu bei Münchner Sicherheitskonferenz: Der Nahostkonflikt auf offener Bühne

Am letzten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt sich in der Diskussionsrunde die Fragilität des gesamten Nahen Ostens wie unter einem Brennglas.

Von Anna Sauerbrey

Es war die Miniatur einer ganzen Region, die die Münchner Sicherheitskonferenz am letzten Konferenztag auf der Bühne des Hotels „Bayerischer Hof“ ausstellte: Vertreter aller Konfliktparteien im Nahen Osten traten am Sonntagvormittag auf. Der Hass und die Missgunst wurden dabei teils mit süffisantem Sarkasmus, teils dünn diplomatisch bemäntelt, teils brutal offen zur Schau getragen. Ehrliche und realistische Angebote an die jeweiligen Gegner blieben aus. Unter der Lupe der Sicherheitskonferenz zeigte sich überdeutlich die Fragilität einer Region, deren Konflikte in den letzten Jahren durch weitere Akteure noch komplizierter und gefährlicher geworden sind.

Der Tag begann mit einem geschickt inszenierten Paukenschlag. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hielt während seiner Rede ein Trümmerteil hoch, von dem er sagte, es gehöre zu jener Drohne, die Israel am 10.Februar im israelischen Luftraum abgeschossen hat. „Herr Sarif, erkennen Sie das?“, fragte Netanjahu an die Adresse des iranischen Außenministers, der nach ihm sprechen würde. „Das ist Ihres.“ Die Drohne soll nach israelischen Angaben aus dem Iran stammen und von Syrien aus gestartet sein.

Israel hatte auch eine Kontrollbasis in Syrien attackierte, die syrische Luftabwehr hatte das israelische Kampfflugzeug abgeschossen, der Pilot überlebte. Iran wolle ein neues „Reich“ im Nahen Oste aufbauen, grollte Netanjahu. Das werde Israel nicht zulassen. An das Publikum gewandt sagte er: „Wiederholen wir die Fehler der Vergangenheit nicht. Appeasement funktioniert nie.“ Er bezog sich auf das Iran-Abkommen, das gegen iranische Zusagen, sein Nuklearprogramm weitgehend einzustellen und Kontrollen zuzulassen, Sanktionen gegen das Land aussetzt.

Der Angesprochene, Irans Außenminister Dschawad Sarif, trat zwei Stunden später mit feinem Lächeln an dasselbe Pult. „Meine Damen und Herren“, sagte er betont gelassen, „Sie sind heute zum Publikum einer cartoonesquen Zirkusvorstellung geworden – die die Würde einer Antwort nicht verdient.“ Seine Redezeit nutzte Sarif, um den Iran als Opfer unberechtigter Anschuldigungen darzustellen. Diese dienten nur dazu, die strategischen Fehler der „Großmächte“, vor allem der USA, in der Region zu verhüllen. Der Iran wolle kein Hegemon werden, die Zeit hegemonialer Verhältnisse in der Weltpolitik sei vorbei. Iran biete allen Staaten um den persischen Golf die Zusammenarbeit an.

Erst in der Diskussion wechselte er die Rolle. Auf die Frage, wie Iran reagieren würde, sollten die USA das Nuklearabkommen aufkündigen, sagte er: „Wenn die Interessen Irans nicht gewahrt werden, wird der Iran reagieren. Und ich versichere Ihnen: Diese Antwort wird den Menschen leid tun.“ Auch das sagte er mit feinem Lächeln.

Ebenso geschliffen, aber nicht weniger deutlich war die Replik des Außenministers Saudi Arabiens, Adel al Dschubeir, der die Rede Sarifs als „Fiktion“ bezeichnete. Er porträtierte Saudi Arabien als ein Land, das sich radikal modernisiere und beschuldigte den Iran der Terrorunterstützung.

Unversöhnlich zeigten sich auch die Vertreter der anderen Konfliktparteien in Syrien, die auf der Bühne saßen. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry verteidigte leidenschaftlich das Iran-Abkommen, das er mit ausgehandelt hat. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu griff die USA an, weil sie die syrische Kurdengruppierung YPG im Kampf gegen den IS mit Waffen ausgerüstet hatten. Die türkische Intervention in den syrischen Kurdengebieten verteidigte er als notwendige Anti-Terrormaßnahme.

"Dank Herrn Netanjahu haben wir uns draußen den Hintern abgefroren"

Für Russland saß Aleksej Puschkow auf der Bühne, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma. Zynisch zeichnete er von Syrien das Bild eines Landes, das langsam zu Stabilität zurückfinde. Zum syrischen Machthaber Assad, den Russland stützt, gebe es keine Alternative.

Libanons Verteidigungsminister Jakub Riad Sarraf wiederum erhob schwere Anschuldigungen gegen Israel und endete mit einer unverhohlenen Drohung: „Wir werden uns verteidigen. Auch wir haben Freunde, auch wir haben Alliierte, auch wir haben Leute, die bereit sind, für ihr Land zu sterben.“ Sarraf war wütend, weil israelische Sicherheitskräfte den Diskussionsteilnehmern erst erlaubt hatten, das Hotel zu betreten, nachdem Netanjahu den Saal verlassen hatte. „Dank Herrn Netanjahu haben wir uns draußen die Hintern abgefroren“, so Sarraf.

Nach so viel Kriegsdrohungen, Realitätsverweigerung und Propaganda wirkte der pflichtschuldige Optimismus des UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, noch eigentümlicher. Das Gute sei doch, sagte er, dass es im Moment trotz militärischer Bewegungen und einiger „Zwischenfälle“ keinen offenen Krieg der Proxy-Mächte in Syrien gebe. Eine „politische Lösung“ aber, wie de Mistura sie erneut bewarb, schien kaum je weiter entfernt als auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

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