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Hotel Neißeblick in Ostritz direkt an der Grenze zu Polen. Hier soll das Neonazi-Festival stattfinden.

© Pawel Sosnowski/AFP

Neonazi-Treffen in Ostritz: NPD will mit Festival "Schild & Schwert" wieder Fuß fassen

1000 Neonazis, ähnlich viele Gegendemonstranten: Der sächsische Ort Ostritz ist am Wochenende Schauplatz des rechten Festivals "Schild & Schwert" - ein Stimmungsbarometer für die braune Szene.

Von
  • Frank Jansen
  • Matthias Meisner

Es könnte der größte Neonazi-Auflauf in diesem Jahr in Deutschland werden - so wie bereits 2017 im thüringischen Themar. Ostritz, ein Ort in Sachsen an der Grenze zu Polen, ist an diesem Wochenende Schauplatz des Festivals "Schild & Schwert".

Rechtsextremisten aus ganz Deutschland wollen mit Gleichgesinnten aus Polen und Tschechien den Schulterschluss suchen, ein Vernetzungstreffen der militanten Szene. Die Polizei rechnet auch mit Teilnehmern aus Russland, der Ukraine und weiteren Ländern vor allem Osteuropas.

Nicht zufällig beginnt die Veranstaltung am 20. April, Hitlers Geburtstag. Insgesamt sind die Behörden auf 1000 Teilnehmer eingestellt, das Motto lautet "Reconquista Europa" (Rückeroberung Europas).

"Unser Eventgelände befindet sich in Mitteldeutschland", schreiben die Veranstalter über das Privatgelände direkt am deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße. Das als politische Versammlung angemeldete Festival kostet bis zu 45 Euro Eintritt. Der Betreiber des Hotels "Neißeblick", auf dessen Gelände das Festival stattfindet, hat enge Kontakte in die rechtsextreme Szene, wie der MDR berichtete.

Die Rechtsextremen werden bei dem Treffen auf einer Industriebrache keinen Hehl aus ihrer Gesinnung machen. Publikationen wie "NS Heute", Labels wie "Front-Records" und Parteien wie die NPD buhlen dort um die Gunst der Besucher.

Zu Hitlers Geburtstag am Freitag soll es bei einem "Balladenabend" eher ruhiger zugehen. Am Tag danach drehen Bands wie "Nahkampf", "Sons of Odin", oder "Lunikoff-Verschwörung" dann richtig auf. Auf Nebenbühnen wird dem "Volkstanz" gehuldigt. Geplant sind auch Auftritte von Kampfsportlern. Laut Auflagenbescheid für die Veranstaltung sind Alkohol, Waffen und Kampfhunde verboten.

Anmelder und Organisator des braunen Festivals ist Thorsten Heise, führender Aktivist der freien Kameradschaftsszene, Vizechef der NPD und deren Landesvorsitzender in Thüringen. Udo Voigt, ehemaliger Bundesvorsitzender der rechtsextremistischen Partei, ist als Redner angekündigt. Er ist der einzige Abgeordnete der Partei im Europaparlament und vertritt einen ähnlichen radikalen Kurs wie Heise. Auf der Rednerliste steht zudem ein Vorstandsmitglied der Partei "Die Rechte", in der ehemalige Mitglieder verbotener Neonazi-Kameradschaften dominieren.

Machtkampf in der NPD

Sicherheitskreise werten die Veranstaltung in Ostritz auch als Teil des Machtkampfs in der NPD. Heise versuche, die siechende NPD wieder stärker an Neonazis und die rechtsextreme Musikszene heranzuführen, heißt es. Heise ist auch der Initiator der Kampagne "Völkischer Flügel", die NPD und Neonazis vereinen soll. Der Parteivorsitzende Frank Franz hingegen gibt sich nach außen betont seriös. Franz ist denn auch in Ostritz  nicht als Redner vorgesehen.

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Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Gordian Meyer-Plath sieht politische Gründe für das "Schild & Schwert"-Festival: "In Ostritz versucht die NPD wieder Fuß zu fassen angesichts personeller Auszehrung, eines strukturellen Niedergangs und ideologischer Flügelkämpfe", zitiert ihn die Nachrichtenagentur dpa. "Gerade auch in der Konkurrenz zum ,III. Weg', einer betont völkisch-nationalsozialistischen Kleinpartei, will sie in der Szene wieder punkten." Dabei bediene sie sich einer Mischung aus Volksfest, Kampfsport-Event, Propaganda und Musik. Gerade die steigenden Zahlen im Bereich rechtsextremistischer Musikveranstaltungen belegten, dass hierüber Szene-Nachwuchs rekrutiert und der innere Zusammenhalt gefördert werde, erläutert Meyer-Plath weiter.

Gegenprotest "Rechts rockt nicht"

Gegen das Festival auf einem Privatgelände direkt am deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße regt sich breiter Widerstand. Der Ort hat ein Friedensfest organisiert und will damit zeigen, wofür die Region wirklich steht. Zahlreiche Bands wollen unter dem Motto "Rechts rockt nicht" gegen die Neonazis aufspielen, darunter die Banda Internationale, Offbeat Cooperative, Rooftop Radio sowie Strom & Wasser.

Die katholische und die evangelische Kirche in Ostritz werden als Orte der Ruhe und des Gebetes das ganze Wochenende offen stehen. Als feierlicher Abschluss des Festes ist ein ökumenischer Gottesdienst auf dem Marktplatz geplant.

Führende Politiker von Linkspartei, Grünen und SPD in Sachsen rufen zu den Protesten gegen das "Schild & Schwert"-Festival auf. Martin Dulig, Landesvorsitzender der sächsischen SPD, sagt: "Genauso muss man sie bezeichnen: als Nazis. Sie werden drei Tage lang Stimmung gegen die Demokratie, gegen Pluralismus und Weltoffenheit, gegen das Miteinander verschiedener Nationen und Kulturen machen. Doch genau das ist das, was unsere Gesellschaft ausmacht – das Miteinander."

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) übernahm die Schirmherrschaft für das als Gegenveranstaltung geplante Bürgerfest. "Es ist wichtig, dass wir ein Zeichen setzen und deutlich machen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bei uns nicht geduldet werden." Kretschmer will am Freitagabend nach Ostritz reisen und zur Eröffnung des Bürgerfestes sprechen, wie ein Sprecher der Staatskanzlei sagte.

Immer mehr Rechtsrockkonzerte

Für den sächsischen Linke-Bundestagsabgeordneten André Hahn ist das Festival keine Überraschung. Regelmäßig erfragt der Abgeordnete im Bundestag die Anzahl von "Rechtsrockkonzerten". Nachdem die Zahl in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen war, gab es 2017 eine Trendwende. In diesem Jahr wurden bundesweit 289 Konzerte, Liederabende und andere Veranstaltungen mit Musik gezählt, 66 mehr als 2016. Schwerpunkte waren Thüringen und Sachsen.

Die Tendenz sei "schon etwas bedrohlich", sagt der Politiker. Dass viele Auftritte dem Verfassungsschutz erst im Nachhinein bekannt würden, sei ein Beleg für den nachlassenden Druck. "Das ist ein Armutszeugnis, dass man im Vorfeld keine Erkenntnisse hatte."

Auch bei den Gegendemonstranten könnte die Hardcore-Fraktion mitmischen, wie aus Sicherheitskreisen verlautet. Diese halten es für möglich, dass 200 bis 300 Autonome aus der sächsischen Szene nach Ostritz kommen. Vor allem die Leipziger Autonomen sind bereits mit heftigen Krawallen aufgefallen.

Die Bürgermeisterin von Ostritz, Marion Prange, sprach im Vorfeld mit Blick auf den Neonazi-Aufmarsch und auch Gegenproteste vom "Ausnahmezustand" für ihre 2400-Einwohner-Gemeinde. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) versichert: "Die sächsische Justiz ist vorbereitet. Die Ermittler werden keine Rechtsverstöße dulden und Straftäter entschlossen verfolgen."

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