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Der Kopf einer interkontinentalen Atomrakete.

© Erich Schmidt, imago/imagebroker

Nato setzt sich neue Ziele: Konfliktzone Kosmos

Die Allianz erklärt den Weltraum zum Einsatzgebiet. Für einige Staaten ist er das längst.

Die Nato stellt sich auf Angriffe im oder aus dem Weltall ein – das klingt wie eine Wiederauflage des Sternenkriegs-Programms (SDI), das der damalige US-Präsident Ronald Reagan vor fast 36 Jahren gestartet hatte. Doch davon ist die Allianz mit ihren aktuellen Plänen weit entfernt, sie sind allenfalls SDI-Light. Es sei nicht beabsichtigt, Waffen im Weltraum zu stationieren, zitierte die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg, bevor die 29 Mitgliedstaaten den Weltraum offiziell zum Einsatzgebiet erklärten.

US-Präsident Reagan hatte 1983 zu Zeiten des Kalten Krieges von einem undurchlässigen Schild aus kinetischen Waffen und Lasern geträumt, die gestaffelt im All stationiert werden, um sowjetische Raketen abzufangen. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion waren viele Milliarden in das Projekt gesteckt worden, ohne dem Ziel auch nur nahe zu kommen. Drei Jahrzehnte später geht es jetzt nach der Ankündigung der Nato um Frühwarnsysteme, um Satelliten für Koordination, Kommunikation und Navigation.

Die Allianz verfügt über keine eigene Technik auf Erdumlaufbahnen, sie ist auf die technischen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten und deren Bereitschaft zum Austausch angewiesen. Überhaupt haben nur neun der 29 Nato-Staaten ein – zumeist friedlich ausgerichtetes – eigenständiges Kosmos-Programm. Die Erklärung der Allianz sei deshalb zunächst politisch von Bedeutung und weniger praktisch militärisch zu verstehen, meinen Experten.

Der Nato-Beschluss trägt der Tatsache Rechnung, dass Staaten wie die USA, Russland, China und Indien längst feste militärische Strukturen für die Abwehr von Angriffen aus dem Weltraum geschaffen haben. Dabei geht es auch, aber nicht mehr nur um das Abfangen von Interkontinentalraketen. Der Einsatz des russischen und amerikanischen Militärs in Syrien beispielsweise wäre ohne die Koordinierung durch Technik im All nicht möglich. Auch Cyber-Attacken auf das öffentliche Leben – von der Einflussnahme auf Wahlen durch Trolle bis zu Störungen der alltäglichen elektronischen Kommunikation der Menschen – sind ohne Satelliten nicht möglich. Die Abwehr solcher Attacken wird immer bedeutsamer.

Schwache Barrieren

So hat beispielsweise Russland bereits 2015 die Luft- und Kosmos-Truppen als eigenständige Teilstreitkräfte installiert und systematisch ausgebaut. US-Präsident Donald Trump verkündete 2019, ein neues Führungskommando der US-Streitkräfte für Einsätze im Weltraum, eine Space Force, habe seine Arbeit aufgenommen. In der US-Strategie spielen Szenarien russischer Bedrohung durch neuartige Waffensysteme eine zentrale Rolle. Kern des Programms ist aber kein Abwehrschild. Neben dem Ausbau der Boden-Luft-Abwehr sollen Sensoren und Drohnen ins All gebracht werden, um Gefahren jedweder Art schneller zu identifizieren.

Der russische Präsident wiederum hatte die Entwicklung neuer russischer Waffen schon im März 2018 als „Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Vertrag über Raketenabwehr“ ausgegeben. Er stellte furchterregende neue Waffensysteme wie Interkontinentalraketen mit extrem kurzer Brenndauer und Marschflugkörper mit nuklearem Antrieb vor. Es gehört zum Ritual beider Seiten, die eigene Aufrüstung als Antwort auf Aktionen der anderen Seite auszugeben.

Gegen eine Militarisierung des Alls gibt es nur eine schwache Barriere: den Weltraumvertrag von 1967. Den haben fast alle Staaten ratifiziert, die gegenwärtig Aktivitäten im Weltraum betreiben. Er bestimmt, dass die Erforschung des Kosmos friedlich zu erfolgen habe. Laut Artikel 4 ist die Stationierung von Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen verboten. Doch über konventionelle Waffen sagt das Abkommen nichts. mit afp,dpa

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