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Will den US-Staatschef Donald Trump ablösen: Der frühere Vizepräsident Joe Biden.

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Nato, Klimaschutz, Handelspolitik: Das erwarten die EU und Deutschland im Fall von Bidens Wahlsieg

In Deutschland und der EU drücken viele Joe Biden die Daumen. Doch mit seinem Sieg würden sich die Probleme im transatlantischen Verhältnis nicht auflösen.

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In Berlin könnte es demnächst eine Überraschung geben, wenn ein möglicher US-Präsident Joe Biden in der Außen- und Sicherheitspolitik dieselben Forderungen an die Europäer richtet wie der gegenwärtige Amtsinhaber Donald Trump – nur im Ton und im Stil anders vorgetragen.

So lautet jedenfalls die Einschätzung von David McAllister, des Vorsitzenden des Außenausschusses im Europaparlament. „Es wird kein ’Back to the old normal’ geben“, zeigte sich der CDU-Politiker am Donnerstag überzeugt.

McAllister ist mit dieser Lesart nicht allein. Nicht nur Trump, sondern auch Biden erwarte, dass Europa mehr für die eigene Sicherheit tut, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Positiv könne sich ein Machtwechsel in den USA hingegen auf die Klimapolitik auswirken, fügte er hinzu.

Biden hat bereits angekündigt, dass er im Fall seines Wahlsiegs den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen wieder rückgängig machen will. Auch eine Rückkehr Washingtons zum Atomabkommen mit dem Iran wird erwartet.

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Trotzdem stellt man sich in Brüssel bereits darauf ein, dass die Außen- und Sicherheitspolitik sowie Handelsfragen auch mit Joe Biden an der Spitze der USA für das transatlantische Verhältnis reichlich Konfliktstoff bereithalten würden.

Mit einer Biden-Administration werde US-Interessenpolitik zwar anders betrieben werden, aber es werde nicht zu einer grundsätzlichen Neupositionierung Washingtons auf der Weltbühne kommen, sagte Bernd Lange (SPD), der Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament. Auch unter Biden, so lautet die Erwartung ebenfalls in Berlin, seien protektionistische Initiativen zu erwarten, auch wenn die dann in konzilianterer Weise vorgetragen würden.

Lange geht derweil davon aus, dass es auch mit Biden kein umfassendes Handelsabkommen zwischen der EU und den USA geben würde. Das Projekt war von beiden Seiten schon vor der Wahl Trumps vor vier Jahren auf Eis gelegt worden. Derweil forderte der SPD-Politiker, dass sich die EU angesichts der Interessengegensätze sowohl gegenüber den USA und China „selbstbewusster positionieren“ müsse.

Zur Abwehr von exterritorialen Sanktionen, wie sie die USA gegen Firmen beim Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in die Wege geleitet haben, soll die EU ab dem kommenden Jahr für die Zukunft mit einem neuen Verteidigungsinstrument gewappnet sein, kündigte er an. Der Druck auf Berlin, Nord Stream 2 zu beenden, dürfte auch mit Biden aufrecht erhalten bleiben.

Biden will keinen Keil zwischen die EU-Staaten treiben

Gleichzeitig weiß man von Biden, dass er anders als Trump grundsätzlich die europäische Integration unterstützt. Die Politik der derzeitigen US-Staatschefs zielt darauf ab, einen Keil zwischen die EU-Mitgliedstaaten zu treiben.

Anders Biden: Der 77-Jährige hat bereits deutlich gemacht, dass er nicht viel vom britischen Austritt aus der EU hält. Zudem hat er den britischen Regierungschef Boris Johnson davor gewarnt, bei den laufenden Verhandlungen mit der EU über einen Handelsvertrag den Frieden in Nordirland zu gefährden.

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Mit Blick auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) angekündigt, er wolle unabhängig vom Wahlausgang eine Initiative für ein besseres Verhältnis starten: „Wir werden schnell nach der Wahl mit Vorschlägen auf Washington zugehen und einen transatlantischen ,New Deal’ vorschlagen.“

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Kaum ein Außenpolitik-Experte erwartet, dass ein Sieg des Demokraten alle Probleme beseitigt. Auch mit ihm würden die USA „bei dem Kurs bleiben, dass sie sich schrittweise aus bestimmten Interessensphären zurückziehen“, meinte Maas: „Aber wir sollten wieder im selben Team spielen.“

Der Demokrat wird „mehr Cash" von Deutschland fordern, lautet die Erwartung

Gerade weil Biden ein überzeugter Transatlantiker und Multilateralist ist, der den Einfluss seines Land durch internationale Zusammenarbeit stärken will, könnte er mehr europäische und deutsche Beiträge verlangen. Sowohl in der Sicherheits- als auch in der Wirtschaftspolitik würden „die Bandagen zwischen der EU und den USA härter sein, als wir sie in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt waren“, sagt Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) voraus.

Im Rahmen der Nato werde der Demokrat von Berlin „mehr Cash, mehr Commitment“ fordern. Mit „mehr Cash“ sind höhere deutsche Verteidigungsausgaben gemeint. „Mehr Commitment“ bedeutet eine Ausweitung deutscher militärischer Beiträge. Weil Biden bei militärischen Interventionen gerade in Europas Peripherie zurückhaltend bleiben dürfte, könnten dort mehr Aufgaben auf die EU und Deutschland zukommen.

Zum Leitmotiv seiner Außenpolitik hat Biden die Systemkonkurrenz zwischen Demokratien und Autokratien erklärt. Er will die Kooperation der Demokraten stärken und den Einfluss von Autokratien zurückzudrängen. China dürfte im Zentrum dieser Auseinandersetzung stehen. Auch der Kurs der USA gegenüber Russland dürfte sich verschärfen, lautet die Erwartung in Berlin.

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