zum Hauptinhalt
Am Grab des Unbekannten Soldaten. US-Präsident Donald Trump am Arlington National Cemetery in Arlington, Virginia.

© AFP/Nicholas Kamm

Nationales Corona-Trauma zum „Memorial Day“: Trump wird in seiner eigenen Schlacht keinen Sieg erringen

Der US-Präsident gedenkt der Kriegstoten – verweigert aber die Virus-Aufarbeitung. So wird er zur Gefahr für sein Land. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Am „Memorial Day“-Wochenende gedenken die Amerikaner traditionell ihrer im Krieg Gefallenen. Kränze werden niedergelegt, Flaggen auf Halbmast gesenkt und millionenfach patriotische Botschaften versandt.

Auch das diesjährige Gedenken findet statt, trotz Corona – und doch ist alles anders. Denn der Mann an der Spitze des Landes muss ein seltsames Kunststück vollbringen: Präsident Donald Trump, der selbst nie diente, wird an die vielen Kriegstoten erinnern und gleichzeitig auszublenden versuchen, dass er nach der Schlacht, die er derzeit schlagen muss, keinen Sieg wird vermelden können. Dass er im Gegenteil nach Ansicht vieler das Leiden seiner Mitbürger sogar unnötig vergrößert hat.

Noch am Memorial Day oder in den Stunden danach wird in den USA die offizielle Zahl von 100.000 Corona-Toten überschritten werden. All diese Menschen sind in nur vier Monaten gestorben, und es ist noch nicht vorbei.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty]

Während überall im Land Staaten ihre Schutzauflagen wieder lockern, steigen die Infektionszahlen vielerorts weiter oder wieder an – auch wenn Trump das bestreitet, genauso wie er die Todeszahlen anzweifelt. Angesichts der katastrophalen Folgen für die Wirtschaft will er einen Sieg vermelden und schnell zurück zum Business as usual.

100.000 Tote sind ein nationales Trauma, auch wenn diese Katastrophe so schwer fassbar ist: weil es kaum Bilder davon gibt und weil das Sterben in der Regel komplett abgeschottet stattfindet. Auch ein gemeinsames Trauern ist nicht möglich, wegen der strengen Abstandsregeln, aber auch wegen eines Präsidenten, der nicht in der Lage ist, sein Land in der schwersten Krise seit Jahrzehnten zusammenzuführen und zu trösten.

Ursprünglich geht der Memorial Day auf den Amerikanischen Bürgerkrieg zurück, der die noch junge Nation zu zerreißen drohte. Die Spaltung des Landes ist auch heute wieder so tief, dass die Erinnerung an dieses Drama eigentlich eine Mahnung sein müsste.

Verschwörungstheorien via Twitter

Doch Trump nutzte die freie Zeit am Wochenende vor dem Feiertag, um Verschwörungstheorien zu twittern, politische Gegner anzugreifen und endlich mal wieder zu golfen. Für die Opfer der Pandemie fand der Präsident keine Worte.

Aber so sehr er sich auch sträubt: Die Frage, wie es so schlimm kommen konnte, wird weiter gestellt werden und das Land noch lange beschäftigen. Natürlich ist Trump nicht schuld an der Pandemie, und auch Fehler hat nicht nur er gemacht. So ist über die Gründe für die extrem dramatische Entwicklung in New York ziemlich sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen – warum wurden dort beispielsweise Coronavirus-Infizierte in Altersheimen untergebracht, was, wie man jetzt weiß, verheerende Folgen hatte?

Aber Trump will Kritik und Zweifel noch nicht einmal hören. Das ist ein Problem. Denn Gedenktage dienen nicht nur dazu, an die Opfer zu erinnern. Sie sind immer auch eine Mahnung, was passieren kann – und damit eine Aufforderung, es künftig besser zu machen. Wer sich der Aufarbeitung verweigert und aus Fehlern nicht lernen will, ist eine Gefahr für sein Land.

Zur Startseite