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Nahost: Palästinenser strömen nach Ägypten

Zehntausende Palästinenser aus dem Gazastreifen haben am Mittwoch ungehindert die Grenze zu Ägypten überquert, nachdem Militante die Grenzanlagen zerbombt hatten - Israels Regierung zeigt sich besorgt.

Sechs Tage zuvor hatte Israel den Gazastreifen als Reaktion auf den fortwährenden Beschuss durch militante Palästinenser vollständig abgeriegelt. Noch am Dienstag hatten dort ägyptische Truppen das Feuer auf Personen eröffnet, die aus dem palästinensischen ins ägyptische Rafah überwechseln wollten.

In der Nacht zum Mittwoch brachten dann militante Palästinenser mit 17 Sprengstoffexplosionen zwei Drittel der Metallwand zwischen den beiden Teilen der Grenzstadt Rafah zum Einsturz. Dabei wurde auf der ägyptischen Seite kein Versuch unternommen, dies zu verhindern. Im Gazastreifen geht man davon aus, dass die Militanten entweder der dort herrschenden radikalislamischen Hamas angehören oder von dieser zu ihrer Aktion ermuntert worden sind. Auf jeden Fall stationierten sich sofort Hamas-Truppen entlang der offenen Grenze, doch unternahmen sie ebenso wenig wie die ägyptischen Grenzwächter etwas gegen die Massen. Vielmehr begannen später Bulldozer auf palästinensischer Seite mit dem Abbruch der restlichen Grenzbefestigungen. Zehntausende überquerten im Laufe des Vormittages die Grenze, um "freie Luft zu schnappen" oder sich mit Nahrungsmitteln oder Treib- und Brennstoffen einzudecken.

Israels Regierung erklärte sich beunruhigt über das Geschehen, da nun "jedermann den Gazastreifen durch den Sinai betreten kann" und forderte Ägypten auf, für die Wiederherstellung der Ordnung zu sorgen: "Es ist Ägyptens Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Grenze gemäß unterzeichneter Abkommen regelgerecht funktioniert“, sagte Arye Mekel, Sprecher des Jerusalemer Außenministeriums: "Wir erwarten von den Ägyptern, dass sie das Problem lösen."

Am Dienstag hatte die Hamas in ihrer altbewährten Praxis Frauen mit Kleinkindern, Schwangere und gebrechliche Ältere an die Spitze eines Demonstrationszuges an die Grenze am Südende des Gazastreifens in Rafah geschickt. Als sie den Versuch unternahmen, die Grenze zu überwinden, hatten die ägyptischen Truppen das Feuer auf sie eröffnet und rund 60 von ihnen verwundet.

Nach der Ansicht von Ralf Fücks, Kovorsitzender der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, sollten gemäßigte Hamas-Mitglieder an einer Lösung des Nahostkonflikts beteiligt werden. "Ich denke, dass der Versuch richtig ist, die Hamas einzubeziehen", sagte er dem Tagesspiegel. Es gebe innerhalb der Hamas einerseits radikale Kräfte, "die den permanenten Konflikt mit Israel aufrechterhalten wollen". Auf der anderen Seite gebe es Hamas-Mitglieder, "die bereit sind, sich auf ein Arrangement einzulassen". Deshalb müsse man die Bildung unterschiedlicher Gruppen innerhalb der Hamas verstärken. Fücks hatte in dieser und der vergangenen Woche die Region besucht und dabei unter anderem in Tel Aviv und Ramallah Gespräche mit Abgeordneten, Beobachtern und Intellektuellen geführt. „Selbst in der Westbank gibt es Sympathien für die Hamas“, sagte er. In einigen Städten des Westjordanlandes verfügten die Radikalislamisten über starken Rückhalt. Die Hamas, die im Gazastreifen bis zu 20 000 Mitglieder unter Waffen habe, könne den bewaffneten Konflikt mit Israel "immer wieder anheizen", so Fücks. Angesichts des fortgesetzten Beschusses Israels durch Kassam-Raketen sagte er: „Der Druck in der israelischen Öffentlichkeit auf die Regierung, diesen Zustand nicht zu tolerieren, ist enorm.“ Die Abriegelung des Gazastreifens bezeichnete Fücks allerdings als "überzogen" und "hilflos". Mit derartigen Aktionen lasse sich der politische Druck auf die Hamas nicht erhöhen.

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