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Nach dem Anschlag in Barkan sichern israelische Sicherheitskräfte die Industriezone, in der die Fabrik steht.

© Oded Bality/dpa

Nahost-Konflikt: Studie: Fast 300 Millionen Euro für palästinensische "Märtyrer"

Das Mideast Freedom Forum wirft der Autonomiebehörde vor, sie würde finanzielle Anreize für Terror schaffen. Woher kommt das Geld?

Der Nahost-Konflikt findet kein Ende. Erst Anfang Oktober tötete ein 23-jähriger Palästinenser im Westjordanland zwei Israelis. In einer Fabrik in Barkan erschoss der Mann eine Mutter und einen Vater an ihren Arbeitsplätzen. Noch ist der Täter auf der Flucht. Sollte er in einem israelischen Gefängnis einsitzen und irgendwann wieder auf freien Fuß kommen, dann ist er womöglich zumindest finanziell abgesichert. Dafür könnte die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) sorgen. Sie zahlt immer wieder Geld an Palästinenser, die wegen des „Kampfs gegen die israelische Besatzung“ in Haft sitzen. Genauso unterstützt sie die Familien von gestorbenen Attentätern, sogenannten „Märtyrern“.

Vor Kurzem hat das Mideast Freedom Forum Berlin gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler (Grüne) und Michael Leutert (Linke) Details dieser Praktik vorgestellt. Das Forum, das sich selbst als Politikberatung und Organisation für politische Bildung bezeichnet, in einer eigenen Studie die öffentlich zugänglichen Budgetbücher der PA analysiert.

2017 seien 291,6 Millionen ausgezahlt worden

Bei den Recherchen fand die Organisation eigenen Angaben zufolge heraus, dass die Höhe der Zahlungen der PA an inhaftierte Palästinenser von der Dauer der Haft abhängt: Je schwerer also die Straftat gegen Israelis, desto mehr Geld gibt es. 291,6 Millionen Euro soll für Gefangene oder „Märtyrerfamilien“ gezahlt worden sein. Während das durchschnittliche Monatseinkommen eines Palästinensers im Westjordanland demnach umgerechnet etwa 683 Euro beträgt, kann ein Palästinenser bei einer Haftstrafe von 15 bis 20 Jahren nahezu das dreifache „verdienen“.

Nachdem es an dieser Praxis der PA internationale Kritik gegeben hatte, seien die Fonds für solche Zahlungen nicht mehr direkt der PA unterstellt, heißt es in der Studie. Sie sollen inzwischen an die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) fließen, die das Geld von der PA erhalte. Grünen-Politiker Kindler sieht keinen Unterschied: „Früher kam das Geld direkt aus dem Haushalt, jetzt kommt es über die PLO. Das ist Augenwischerei.“

„Es ist wahrscheinlich, dass für solche Märtyrerzahlungen auch deutsche Gelder verwendet werden."

Woher erhält die PA Geld? Daran ist auch die die Bundesregierung beteiligt. Der Studie zufolge zahlte Deutschland im vergangenen Jahr 53 Millionen Euro an die Autonomiebehörde. Außerdem überweise die Europäische Union jährlich etwa 300 Millionen Euro an das palästinensische Flüchtlingshilfswerk UNRWA und ein Programm namens Pegase, woran Deutschland über den Beitrag zum EU-Haushalt beteiligt sei. „Es ist wahrscheinlich, dass für solche Märtyrerzahlungen auch deutsche Gelder verwendet werden“, betonte Rensmann vom Mideast Freedom Forum Berlin. Das Pegase-Programm sei außerdem nicht an Bedingungen geknüpft, rügte er. Kindler und Leutert forderten die Bundesregierung auf, genauer zu überprüfen, wie die Hilfsgelder von der PA eingesetzt werden. „Die Regierung darf nicht weiter prinzipienlos zuschauen“, sagte Kindler.

Auf Anfrage des Tagesspiegels heißt es aus der Bundesregierung, dass sich Deutschland nicht an Zahlungen beteilige, die von palästinensischer Seite an die Familien von Hinterbliebenen gezahlt werden. Auch Leistungen der Europäischen Union würden hierfür nicht bereitgestellt. Gegenüber der PA habe man immer wieder deutlich gemacht, dass man sich gegen diese Praxis verwahre.

Außerdem beteilige sich Deutschland „nicht direkt“ am Pegase-Programm, „Mittel der Entwicklungszusammenarbeit werden projektbezogen oder für gebergemeinsame Finanzierungen bereitgestellt“. Darüber hinaus prüfe die Bundesrepublik die Verwendung der finanziellen Mittel durch entsandtes Projektpersonal, Evaluierungen und Revisionen kontinuierlich.

Abgeordneter wünscht sich mehr Engagement

Auf die Frage, ob die Bundesregierung plant, die Zahlungen an Häftlinge und „Märtyrerfamilien“ auf internationaler Ebene zu verurteilen, ist aus der Bundesregierung zu hören, dass es an der Haltung der Regierung, dass Gewalttaten durch nichts zu rechtfertigen sind, keinerlei Zweifel geben könne.

Leutert wünschte sich dennoch mehr Engagement: „Es wird viel von Frieden gesprochen, aber man kommt nicht wirklich voran. Änderungen wird es nur durch Druck von außen geben.“

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