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Für die palästinensischen Kinder hat die Schule gerade wieder begonnen.

© Ashraf Amra, dpa

Nahost-Konflikt: Die Erpressung der Palästinenser

Trump stoppt die Zahlungen für das UN-Flüchtlingshilfswerk. So will er die Autonomiebehörde zu Verhandlungen zwingen.

Die Freude der Palästinenser zu Beginn des neuen Schuljahres dürfte sich in Grenzen gehalten haben. Zwar schaffte es UNWRA, das UN-Flüchtlingshilfswerk für Palästinenser, gerade noch genügend Geld zusammenzukratzen, damit an ihren Schulen im Westjordanland und im Gazastreifen der Unterricht wieder beginnen konnte. Das war lange nicht sicher, nachdem die USA in diesem Jahr einen Großteil ihre Zahlungen einstellten und nur rund 60 Millionen Dollar (51 Millionen Euro) überwiesen, im Vergleich zu rund 360 Millionen im Vorjahr.

Doch seit dieser Woche ist bekannt, dass die USA ihre Zahlungen an die UNWRA künftig komplett einstellen wollen. Das teilte das US-Außenministerium am Freitag in Washington mit. Die Entscheidung soll bei einem Treffen Anfang August zwischen Trumps Berater und Schwiegersohn Jardel Kushner und Außenminister Mike Pompei getroffen worden sein. Seit einer Woche ist außerdem klar, dass die USA weitere 200 Millionen Dollar für anderweitige medizinische und humanitäre Hilfe in Gaza und im Westjordanland einstellen wollen.

Deutschland will Hilfe aufstocken

Auch wenn nun Länder wie Deutschland dem Flüchtlingshilfswerk UNWRA unter die Arme greifen und zusätzliche Hilfsgelder zahlen wollen: Das Vorgehen der USA trifft die Palästinenser hart. Trumps Administration bringt damit zum einen ihren Unmut über das Hilfswerk und dessen Umgang mit den palästinensischen Flüchtlingen zum Ausdruck. Zum anderen will sie die Palästinensische Autonomiebehörde mit dem Zahlungsstopp in die Knie zwingen und sie so an den Verhandlungstisch für den von Trump angekündigten „Deal des Jahrhunderts“ zurückholen.

Doch an das Versprechen eines ultimativen Friedensdeals, der zumindest auch Teile ihre Forderungen erfüllt, glauben die Palästinenser längst nicht mehr. Selten waren ihre Zukunftsaussichten und Hoffnung auf einen eigenen Staat so getrübt wie derzeit. Baustopp für Siedlungen? Ostjerusalem als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates? Rückkehrrecht der Flüchtlinge? Ihre Ziele scheinen in weite Ferne gerückt zu sein. Und das, obwohl Trump immer wieder ankündigt, von Israel ebenfalls noch größere Zugeständnisse abzuverlangen. Bislang ist davon nichts zu sehen. Trump zeigt sich stattdessen als unermüdlicher Unterstützer des jüdischen Staates, vor allem der nationalkonservativen Politik von Premierminister Benjamin Netanjahu.

Druck auf das UN-Hilfswerk

Dazu gehört auch, den Druck auf das Flüchtlingshilfswerk UNRWA zu erhöhen, das Netanjahu schon lange ein Dorn im Auge ist. Wenn es nach ihm ginge, würde es sofort abgeschafft. UNRWA verewige das Problem der palästinensischen Flüchtlinge und die Idee vom „Recht auf Rückkehr“, die der Zerstörung des Staates Israel gleichkomme, so der Premier.

UNRWA wurde vor 70 Jahren zum Schutz der damals rund 700000 Palästinenser gegründet, die im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges ihr Zuhause verließen oder vertrieben wurden. Bis heute erhalten selbst ihre Nachkommen den Flüchtlingsstatus. Die Zahl der Flüchtlinge ist auf fünf Millionen angewachsen. Sie sollen einmal in ihre Heimat, das heutige Israel, zurückkehren, so fordert es die Palästinenserführung seit jeher. Dem wollen die USA nun ein Ende setzen: Vor einigen Tagen berichteten israelische Medien, dass die USA zukünftig nur noch eine halbe Million Palästinenser als Flüchtlinge anerkennen will, also rund ein Zehntel.

Dass nun andere Zeiten angebrochen sind, bekamen die Palästinenser bereits Anfang vergangenen Jahres zu spüren, kurz nach Trumps Amtsantritt. Der neue US-Präsident riss sogleich einen langjährigen Eckpfeiler der Nahostpolitik Amerikas ein und rückte von der Idee der Zweistaatenlösung ab. Gut sei, was die Konfliktparteien befürworten, möglich sei auch eine Einstaatenlösung, so Trump. Ein eigenständiger palästinensischer Staat, wie ihn die Palästinenser seit Jahrzehnten anstreben – für die USA ist er nicht mehr zwingend notwendig.

Israelische Siedlungen wachsen

Mit Blick auf die Lage im Westjordanland wird die Staatsgründung auch immer unrealistischer. Netanjahus konservative und nationalreligiöse Koalition baut ungehindert weitere Häuser im besetzten Westjordanland, die Siedlungen wachsen. Laut der Nichtregierungsorganisation Shalom Achschaw (Frieden jetzt) wurden 2017 mit dem Bau von mehr als 2700 Wohneinheiten begonnen. Mittlerweile leben knapp 400000 Israelis in Siedlungen – sie machen 12 Prozent aller Bewohner des Westjordanlandes aus. Ein zusammenhängender palästinensischer Staat lässt sich auf diesem zerstückelten Land nur noch schwer schaffen.

Auch auf Jerusalem als Hauptstadt können die Palästinenser kaum noch hoffen: Am 6. Dezember 2017 erkannte Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels an und verlegte nur ein halbes Jahr später die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem.

Was bleibt den Palästinensern nach all diesen Niederlagen? Sie poltern und schimpfen: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nannte Trumps Nahostpolitik eine „Ohrfeige des Jahrhunderts“, kündigte an, die USA nicht mehr als Verhandlungsführer anzuerkennen und beschimpfte den US-Botschafter David Friedman als „Hundesohn“, weil der von einer „angeblichen“ Besatzung sprach und die Siedlungen „Teile Israels“ nannte.

Drama für Abbas

Auch in der arabischen Welt verlieren die Palästinenser immer weiter an Unterstützung. So kritisierte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman vor einigen Monaten die Palästinenser ganz direkt: Sie hätten Chancen verstreichen lassen und sollten nun endlich die Friedensvorschläge annehmen – oder den Mund halten.

Das sich anbahnende Drama der Palästinenser ist auch eines ihres Präsidenten. Er spielt sogar eine Hauptrolle. Denn Mahmud Abbas hat zwar fast sein ganzes Leben dem Kampf gegen Israel und für einen eigenen Staat gewidmet – doch er steht mit leeren Händen da. Wie oft versprach der vollmundig seinem Volk ein Land, in dem es frei walten und schalten würde? Und wie viele Male wurden die Palästinenser bitter enttäuscht? Der 82-jährige Abbas hat die Zeichen der Zeit nicht richtig gedeutet. Die Wende in Washington und damit die Folgen für die Region waren absehbar. Aber als Donald Trump sein Amt antrat, stand die Palästinenserführung ohne Kontakte da: Es gab keinen Kontakt mehr zu den Schaltstellen im Weißen Haus. Israel dagegen profitiert von Verbindungsnetzwerken, die bis nach ganz oben reichen.

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