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Wer will den SPD-Vorsitz übernehmen?

© Peter Endig/ZB/dpa

Nahles-Nachfolge an der SPD-Spitze: Seelentröster mit Plan gesucht

Der schwierigste Job in der deutschen Politik ist zu vergeben. Der Andrang auf den Vorsitzposten der SPD ist entsprechend überschaubar. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Der Andrang ist bislang recht überschaubar auf den Posten, um den es geht, wenn der SPD-Vorstand am Montag tagt. Noch hat niemand offiziell eine Kandidatur angemeldet für den Vorsitz der SPD.
Seit dem Rücktritt von Andrea Nahles machen sich die Bewerber rar, als sei die Aufgabe ein Himmelfahrtskommando, an dem nur Masochisten Gefallen finden können.

Die fünf Parteivizes haben entweder keine Zeit, sind gesundheitlich angeschlagen, nehmen andere politische Aufgaben und ihre Lebensplanung wichtiger oder wissen um ihre mangelnde Durchsetzungskraft. Womöglich ist ihr Verzicht folgerichtig: Sie haben an der Spitze mitentschieden, sind mitverantwortlich für den Zustand der Partei. Deshalb erscheint es vernünftig, nach Politikern zu suchen, die noch nicht so lange dabei sind oder am Rande standen. Wenn auch bundespolitische Erfahrung ein Kriterium sein soll, kommen nicht viele infrage.

Eine schwierigere Aufgabe in der deutschen Parteipolitik kann man sich gegenwärtig nicht aussuchen. Dabei wird in einer Zeit, da die Einkommen von Kapitalbesitzern und Arbeitnehmern in obszöner Form auseinanderdriften, soziale und kulturelle Konflikte die Gesellschaft zerreißen, die Kernkompetenz der SPD dringend gebraucht. Zu der gehört, zwischen gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln und Menschen aus verschiedenen Schichten für eine bessere Zukunft zu begeistern.

Grüne können nicht über Grenzen des eigenen Lager hinaus kommunizieren

Doch den Blick für Gruppen, die offene Grenzen für Waren, Kapital und Menschen verunsichern, hat die SPD verloren. Zunehmend wollte sie kulturell ergrünen, ohne zu merken, dass Wähler, die diese Form von Progressivität schätzen, sich gleich für die Ökopartei entscheiden. Was Grüne und AfD nie können werden, nämlich über die Grenzen ihres eigenen Lagers zu kommunizieren, die SPD sollte es wieder lernen. Beim großen Zukunftsthema hat sie zudem noch nicht deutlich machen können, dass Klimaschutzpolitik scheitern kann, wenn sie die soziale Frage missachtet.

Der neue Chef oder die neue Chefin müssen deshalb für Klarheit der Ziele sorgen – eine Klarheit, die beim Thema Migration fehlte. Er oder sie müssen eine Sprache sprechen, die bei jedem ankommt. Und sie müssen sich so viel Vertrauen erarbeiten, dass auch komplizierte Botschaften glaubhaft werden. Sozialdemokratische Antworten sind selten einfach.

Die monatelangen Diskussionen über die neue Führung, die nun startet, dürfen nicht wieder zu einem rein selbstbezogenen Projekt werden. Mitbestimmung kann motivieren. Aber zu oft hat die SPD zuletzt vergessen, dass sich in Krisen die Welt außerhalb der Partei unbarmherzig weiterdreht.

Die Kultur der SPD hat ihren Anteil am Niedergang

Wenn eine politische Kraft, die früher Kanzler stellte, unter 15 Prozent fällt, sind daran nicht nur Einzelne schuld. Man muss es so hart sagen: Die Parteikultur der SPD, auch sie hat ihren Anteil am Niedergang. Die größte Aufgabe des oder der Neuen wird deshalb sein, die SPD neu zu erfinden, ohne dass die Genossen rebellieren.

Ob Mann oder Frau oder Doppelspitze: Die Volkspartei, der das Volk abhandengekommen ist, braucht nicht nur einen Teamplayer mit eisernem Willen, einen Seelentröster mit strategischem Kopf, einen Zukunftssüchtigen, der die Angst vor dem Wandel versteht. Sie braucht auch einen Revolutionär mit Samthandschuhen. Sie weiß es bloß noch nicht.

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