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An der israelisch-syrischen Grenze, vor allem auf den Golanhöhen, nehmen die Spannungen zwischen Jerusalem und Teheran zu.

© Ronen Zvulun/Reuters

Naher Osten: Wird der Konflikt zwischen Iran und Israel zum Krieg?

US-Präsident Donald Trump steigt aus dem Atomabkommen aus, Israel und der Iran bekämpfen sich in Syrien. Doch auch andere Faktoren machen die Lage instabil.

Der Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran lässt die Lage im Nahen Osten gefährlich eskalieren. Nur zwei Tage nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump löste ein iranischer Raketenangriff auf die von Israel besetzten Golan-Höhen heftige Gegenschläge des jüdischen Staats auf iranische Stellungen im Kriegsland Syrien aus.

Gleichzeitig schossen proiranische Huthi-Rebellen im Jemen erneut Raketen auf die saudische Hauptstadt Riad ab. Auch dieser Konflikt droht sich zu verschärfen. Kritiker werfen der Trump-Regierung vor, den Vertrag mit dem Iran einer harten Linie gegenüber Teheran geopfert zu haben, ohne eine Alternative für den Umgang mit dem Iran zu haben. Zudem versetzte Trump den amerikanisch-europäischen Beziehungen einen erneuten Schlag.

Wie groß ist die Gefahr, dass es zu einem Krieg zwischen dem Iran und Israel kommt?

„Die israelischen Streitkräfte haben fast die ganze iranische Infrastruktur in Syrien zerstört“, tönt Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman nach den Angriffen auf Stellungen des Erzfeindes. Und: „Wenn es in Israel regnet, wird es in Syrien schütten.“ Es klang, als wäre die Gefahr vorerst gebannt.

Nachdem 20 Raketen in Richtung Israel abgefeuert wurden, zerstörten Israels Streitkräfte wenige Stunden später offenbar Dutzende iranische Stellungen in Syrien, darunter Logistik-, Munitions- und Geheimdienstzentren sowie syrische Luftabwehrsysteme. Berichten zufolge kamen dabei 23 Menschen ums Leben. Es soll sich um die schwersten Angriffe auf Stellungen in Syrien seit dem Waffenstillstandsabkommen von 1974 handeln. Der Militärexperte der Tageszeitung „Haaretz“, Amos Harel, vermutet, dass Israels Reaktion den Iran in seinem Bestreben, eine Militärpräsenz in Syrien aufzubauen, um Monate zurückgeworfen habe.

Doch die Lage ist nach wie vor angespannt. „Wir wollen Syrien nicht erobern, wir wollen uns nicht in den Bürgerkrieg einmischen. Wir hoffen, dass sie eines Tages aufhören werden, über die Zerstörung Israels zu sprechen“, sagt Verteidigungsminister Liebermann und meint den Iran.

Sicherheitsexperte Nitzan Nuriel, einst Direktor der Anti-Terrorismusabteilung im Büro von Premier Benjamin Netanjahu, sagt: „Es liegt am Iran, ob er entscheidet, die Kämpfe zu verstärken und etwa die Hisbollah bittet, einzugreifen. Oder ob er versteht: Gegen uns ist derzeit nichts auszurichten.“

Der Hisbollah kommt in den Überlegungen israelischer Militärs eine besondere Bedeutung zu. Die hochgerüstete Schiitenmiliz soll im Libanon bis zu 120.000 Raketen stationiert haben. Sicherheitskreise gehen davon aus, dass darunter Waffen sind, die jeden Ort in Israel erreichen können.

Was ist das Atomabkommen noch wert?

Amerikas Abkehr vom 2015 vereinbarten Abkommen zur Kontrolle des iranischen Atomprogramms (JCPOA) macht das in jahrelangen Gesprächen ausgehandelte Vertragswerk praktisch zur Makulatur. Der Vertrag basierte auf einem Ende der westlichen Wirtschaftssanktionen, sofern der Iran bereit ist, sich bei seinem Nuklearprogramm zurückzuhalten und Kontrollen zuzulassen. So sollte der Bau einer Atombombe verhindert werden. Der Internationalen Atombehörde IAEO zufolge hat sich die Islamische Republik an die Regeln des Vertrages gehalten.

Indem Trump nun die Wiedereinführung der US-Sanktionen verfügt, befreit er den Iran von der Verpflichtung, sich an die Auflagen zu halten. Washington argumentiert, der Iran habe von der Aufhebung der Strafmaßnahmen profitiert, ohne seine militärischen Nuklearpläne oder sein Programm zur Entwicklung weitreichender Raketen aufzugeben.

Das Schicksal des Vertrages liegt jetzt in der Hand der Iraner und der Europäer. Teheran will in wenigen Wochen erneut mit der Uran-Anreicherung beginnen, wenn es nicht vorher noch eine Einigung mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien über neue Regeln für das Abkommen geben sollte. Doch eine solche Übereinkunft gilt als unwahrscheinlich.

Ajatollah Ali Chamenei, oberster Revolutionsführer der Islamischen Republik, sagt, die USA haben eine fatalen Fehler gemacht.
Ajatollah Ali Chamenei, oberster Revolutionsführer der Islamischen Republik, sagt, die USA haben eine fatalen Fehler gemacht.

© AFP

Wie läuft die Wiedereinführung der Sanktionen ab?

Trump unterzeichnete am Dienstag ein Memorandum, mit dem die 2015 aufgehobenen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder aktiviert wurden. Das bedeutet, dass amerikanische Firmen ab sofort keine neuen Verträge mit iranischen Partnern mehr abschließen dürfen. Trumps Sicherheitsberater John Bolton sagt, das Ziel sei ein möglichst hoher wirtschaftlicher Druck auf Teheran.

Da die USA im Iran wirtschaftlich weit weniger engagiert sind als beispielsweise die Europäer, beinhaltet die US-Politik eine klare Ansage an alle Akteure weltweit: Europäischen Unternehmen drohen US-Strafmaßnahmen, wenn sie sich weiter im Iran engagieren.

Für die allermeisten der betroffenen Unternehmen dürften ihre Geschäfte in den USA wichtiger sein als die in der Islamischen Republik. Bei bereits geschlossenen Verträgen geben die USA den Unternehmen Auslauffristen von 90 bis zu 180 Tagen. Diese sollen es den Firmen ermöglichen, bestehende Joint Ventures oder andere Beziehungen in den kommenden Monaten geordnet abzuwickeln.

Einigen Firmen drohen Milliardenverluste. So hat der französische Energiekonzern Total mit iranischen Partnern einen Vertrag im Volumen von fünf Milliarden Dollar zur Ausbeutung von Erdgasvorräten abgeschlossen. Am Donnerstag verhängte Trumps Regierung erstmals neue Sanktionen gegen neun Individuen und Firmen für ihre Aktivitäten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, um die Geldversorgung der Revolutionsgarden trockenzulegen. Die USA drohen außerdem mit weiteren Strafmaßnahmen, falls der Iran sein aggressives Verhalten in Nahost nicht abstellen sollte.

Kann Trump den Iran tatsächlich in die Knie zwingen?

Das ist sehr unwahrscheinlich. Seit fast 40 Jahren versuchen die USA ohne Erfolg, das theokratische Regime zu stürzen. Den jahrelangen Sanktionsdruck haben die Mullahs ebenfalls unbeschadet überstanden. Auch andere Krisen wie den verlustreichen Krieg gegen den Irak konnte die autoritäre Führung meistern.

Auch wenn Trump offenkundig darauf setzt, dass neue wirtschaftliche Strafmaßnahmen das System destabilisieren und schließlich kollabieren lassen – dafür gibt es bisher keine Anzeichen. Vielmehr fühlen sich die Hardliner in ihrer Sichtweise bestätigt: Das Abkommen war von Anfang an ein fataler Fehler. Der „große Satan“ USA zeigt wieder mal sein wahres Gesicht. Er lügt und will nichts anderes als den Iran vernichten. Für die Erzkonservativen im Establishment gibt es damit weder einen Grund, sich an den Atomdeal zu halten noch von ihrem Kurs in der Region Abstand zu nehmen. Das heißt, Teheran wird wie bisher versuchen, seinen Einfluss im Nahen Osten auszubauen.

Dem wird sich Präsident Hassan Ruhani nicht in den Weg stellen. Zum einen, weil er diesen Kurs mitträgt. Zum anderen – und das ist wohl noch entscheidender: Der 68-jährige Kleriker kann es sich schlicht nicht leisten, die mächtigen Revolutionsgarden oder gar Ajatollah Ali Chamenei als starken Mann des Staates zu brüskieren. Letztendlich hat Trump mit seinem Rückzug aus dem Atomvertrag in erster Linie Ruhani geschadet.

Für ihn war das Abkommen ein zentraler Baustein, um den Iran behutsam nach innen wie nach außen zu öffnen. Die Hardliner wiederum lassen seit Jahren keine Gelegenheit aus, dagegen mobil zu machen. Mit dem Ausstieg der USA aus dem Deal ist Ruhani ein wichtiges Argument aus der Hand geschlagen worden.

Er hat ohnehin seit Monaten einen schweren Stand, weil es ihm nicht gelang, seine Versprechen zu erfüllen. Von der Aufhebung vieler Sanktionen können die meisten Iraner nicht profitieren. Der ersehnte wirtschaftliche Aufschwung ist ausgeblieben.

Inwiefern spielt der Konflikt mit Nordkorea beim Ausstieg aus dem Iran-Deal eine Rolle?

Hinter Trumps hartem Vorgehen steht die Überzeugung, dass Druck und Sanktionen im Umgang mit einem Staat wie dem Iran zu besseren Ergebnissen führen als Verhandlungen. Ausdrücklich verwies Trump auf das Beispiel Nordkorea.

Der US-Präsident sieht die Bereitschaft von Machthaber Kim Jong Un zu Gesprächen sowie die Annäherung von Nord- und Südkorea als direkte Folge seiner Politik, in deren Rahmen er den Nordkoreanern mit einem Krieg gedroht hatte. In Vorbereitung seines Gipfeltreffens mit Kim in den kommenden Wochen erreichte Trump jetzt die Freilassung von drei US-Bürgern aus nordkoreanischer Haft.

Ob Trump am Ende mehr als symbolische Fortschritte erzielen kann, ist aber offen. Diplomaten und Experten warnen, der Ausstieg aus dem Iran-Vertrag signalisiere Akteuren wie Kim, dass auf die USA selbst bei abgeschlossenen Abkommen kein Verlass sei.

Trump habe mit seiner Entscheidung die iranischen Hardliner ermutigt und Kim Jong Un einen Grund geliefert, an Atomwaffen festzuhalten, rügt Ex-CIA-Chef John Brennan auf Twitter. Trumps „Wahnsinn“ werde zur Gefahr für die nationale Sicherheit der USA.

Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel wollen den Atomdeal retten.
Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel wollen den Atomdeal retten.

© Wolfgang Rattay/Reuters

Wie können die Europäer das endgültige Scheitern der Übereinkunft verhindern?

Deutschland, Frankreich und Großbritannien stehen vor einem Trümmerhaufen. Die Europäer wollen am JCPOA festhalten und mit den Iranern über neue Regeln etwa für das Raketenprogramm sprechen. Doch ohne die USA im Boot zu haben, fehlt dem Trio Durchschlagskraft.

Hinzu kommt, dass Washington keine Alternative für den JCPOA präsentiert hat. Die Europäer wissen also nicht, welche Kriterien für Trump beim Umgang mit dem Iran zählen. Europa wollte auf der Grundlage des JCPOA mit den Iranern über Raketen und andere Dinge verhandeln. Nun aber stelle sich vornehmlich wieder die Frage, wie eine iranische Atombombe verhindert werden könne, sagt Nahost-Expertin Rachel Brandenburg vom Atlantic Council in Washington.

Welche Folgen hat Trumps Entscheidung für das transatlantische Verhältnis?

Der Streit um das Iranabkommen stürzt die ohnehin angespannten amerikanisch-europäischen Beziehungen in eine tiefe Krise. Die Europäer fühlen sich von Trump hintergangen, weil der US-Präsident eine monatelange Suche nach einer gemeinsamen Linie in der Iran-Politik eiskalt scheitern ließ – aus rein innenpolitischen Gründen, wie Deutsche, Franzosen und Briten monieren.

Das Vertrauensverhältnis zwischen den USA und den europäischen Partnern war bereits durch Trumps Abkehr vom Pariser Klimavertrag, seine Drohung mit Strafzöllen sowie durch die Kritik an angeblich zu niedrigen Rüstungsausgaben erschüttert worden. Nun haben die Beziehungen durch die Demütigung der Europäer in der Iran-Frage einen erneuten Schlag erhalten.

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